Politik
Mein Blog
Samstag, 20. Juli 2024 - 16:55 Uhr
Krieg in der Ukraine - der nächste Winter kommt bestimmt
Am 25. Februar 2023, also ein Jahr und einen Tag nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, traten Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht beim Brandenburger Tor vor ein großes Publikum und sprachen engagiert über ihr Anliegen "Aufstand für (den) Frieden". Bei der Organisation der Veranstaltung hatten sie männliche Unterstützung, darunter Ex-Brigadegeneral Erich Vad. Auch die beiden Herren wandten sich mit kurzen Ansprachen an die circa 15.000 Zuhörerinnen und Zuhörer. Der Kundgebung war die Veröffentlichung des "Manifestes für Frieden" vorausgegangen, mit dem Appell an den Bundeskanzler: "Stoppen Sie die Eskalation der Waffenlieferungen an die Ukraine!" Unkenntnis oder böse Absicht führte alsbald zu einer Entstellung dieses Aufrufes. Die beiden Frauen, so hieß es, hätten das Ende sämtlicher Waffenexporte gefordert.
Der Friedensappell verhallte zwar nicht ungehört, führte jedoch nicht zu einem Umdenken in den Hirnen der Entscheidungsträger. Statt dessen wurden Stimmen laut, die Häme und Spott im Sinne hatten. Im Bundestag fielen die Worte: "das Demo-Tandem Schwarzer / Wagenknecht". Leider wächst die Zahl derjenigen, in deren Welt eine schmerzliche Lücke entstünde, wenn der Krieg in der Ukraine beendet würde. Die gewaltigen Investitionen in die Rüstungsindustrie sollen sich doch rentieren. Wie wäre es sonst um die neue Munitionsfabrik beim niedersächsischen Unterlüß bestellt? Und hat sich nicht kürzlich der Vorstandsvorsitzende von Rheinmetall Sorgen um Leib und Leben machen müssen? Diese verirrten Pazifisten scheuen doch vor nichts zurück. Sie versperren sich der Einsicht, dass Spitzenmanager wie Armin Papperger "systemrelevant" sind.
Ob die satten Gewinne der westlichen Rüstungsindustrien der ukrainischen Bevölkerung dabei helfen werden, den Winter 2024/2025 zu bestehen bzw. zu überstehen, ist mehr als fraglich. Dies scheint den ukrainischen Präsidenten recht wenig zu beschäftigen. Er hält sich gern außerhalb Kiews und der Ukraine auf, eilt von Hauptstadt zu Hauptstadt, wird von Konferenz zu Konferenz, von Tagung zu Tagung herumgereicht und sammelt Hilfszusagen sowie Solidaritätsbekundungen ein. Doch ein Ende von Blutvergießen und Zerstörung wird nicht ins Auge gefasst. Wenn hiervon überhaupt noch berichtet wird, dann zu dem Zweck, russische Gräueltaten zu veranschaulichen und Abscheu zu erregen. Mit solchen Unmenschen könne man doch nicht verhandeln! Lieber wird weiter Krieg geführt und Heldentum bewundert. Kein westlicher Politiker hat den Willen, bringt den Mut auf, den Ukrainerinnen und Ukrainern deutlich zu machen: Ihr könnt diesen Krieg nicht gewinnen. Wir wollen euch aber gern dabei helfen, einen tragfähigen Waffenstillstand und Frieden auszuhandeln. Dabei muss klar sein: Die Krim bleibt russisch, und die Ukraine wird kein Mitglied der NATO. Wenn die EU und der Nordatlantikpakt weiterhin darauf beharren, dass die Ukraine in die NATO aufgenommen werden soll, wenn auch erst nach dem Ende des Krieges, müssen sie sich fragen lassen, ob sie an dem Wohle der ukrainischen Bevölkerung überhaupt noch interessiert sind oder menschliches Leid "billigend in Kauf nehmen". Es ist inakzeptabel, dass jegliche Initiative zu einem Verhandlungsfrieden im Keime erstickt, abgewürgt und diffamiert wird. Ich bin wahrlich kein Freund Viktor Orbans. Dass er indessen nach Kiew, Moskau, Peking sowie zu Donald Trump gereist ist, hat es nicht verdient, niedergemacht, als Verrat an den westlichen Werten oder Kniefall vor Putin verdammt zu werden.
Dienstag, 16. Juli 2024 - 15:27 Uhr
Heinrich August Winkler auf dem Weg in die historiographische Klugscheißerei
Der "Bundeswehrverband" zitierte am 7.6.2024 den Historiker H.A. Winkler mit den Worten: " Wenn es zu einer Zuspitzung in der Ukraine kommen sollte, wäre es fatal, wenn wir sagen müssten: Wir haben die Schuldenbremse gerettet und die Ukraine verloren." Deutschland müsse seine "Rüstungsanstrengungen erheblich steigern", für "den europäischen Frieden und die Freiheit der europäischen Demokratien". Dazu ist zu sagen, dass man nur etwas verlieren kann, was einem gehört. "Wir" sind jedoch keinesfalls die Eigentümer der Ukraine, können keine Besitzansprüche geltend machen, ebenso wenig ärmer werden, wenn "wir" das verlieren, was uns gar nicht gehört. Von einem seriösen Geschichtswissenschaftler sollte man einen präziseren Sprachgebrauch erwarten dürfen.
Mit seinem Warnruf schaltet Winkler sich ein in die aktuelle Debatte um die "Schuldenbremse". Hierzu mag man unterschiedlich Stellung beziehen. Unverständlich erscheint mir jedoch, dass Winkler dem Schulden-Machen das Wort redet zu dem Zweck, die Niederlage der Ukraine abzuwenden. Die Bundesrepublik soll sich also unbegrenzt verschulden, um den Abwehrkampf der ukrainischen Bevölkerung zu finanzieren - mit völlig ungewissem Ausgang. Misstraut er den Fachleuten, die bereits seit Langem prognostizieren, dass weder Russland noch die Ukraine diesen Krieg gewinnen könne, folglich eine Verhandlungslösung anzustreben sei? Wenn Winkler eine "Zuspitzung in der Ukraine" fürchtet, kann er damit nur ein weiteres Vorrücken der russischen Truppen meinen - bis hin zur Aussichtslosigkeit der Gegenwehr. Und das soll Deutschland verhindern? Um jeden Preis? Ist Herr Winkler blind für die Probleme, die bei uns zu bewältigen sind? Hier sei nur verwiesen auf das Bildungswesen und die Verkehrsinfrastruktur.
Gesellt Heinrich August Winkler sich zu denen, die uns weismachen wollen, in der Ukraine werde auch um unsere Freiheit gekämpft? Auf diese billige Masche fallen wir nicht herein!
Historiker Winkler wäre nicht der erste seiner Zunft, der auf Objektivität pfeift, wenn es darum geht, politischen Zielen zu dienen. Gleiches tat schon Heinrich (von) Treitschke. In Dresden geboren (1834), studierte und arbeitete er zunächst an sächsischen Universitäten. Später wechselte er in preußische Dienste, wurde als Nachfolger Leopold von Rankes "Historiograph des preußischen Staates". In seinen Vorlesungen und Seminaren waren Frauen nicht willkommen. "Männer machen Geschichte", lautete seine Devise. Er befürwortete nach der Reichsgründung eine deutsche Kolonialpolitik (gegen England). Innenpolitisch wandte er sich gegen die Sozialdemokratie, was er in seiner Schrift "Der Socialismus und seine Gönner" begründete. Er hinterließ ca. 200 Publikationen, unter ihnen sein Hauptwerk "Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert".
Für den Bundeswehrverband, der ein Presseorgan gleichen Namens herausgibt, sind Winklers Erklärungen natürlich ein gefundenes Fressen. Und so wundert es nicht, dass der Historiker mit den Sätzen zitiert wird: "Mehr Pistorius und weniger Scholz im Wahlkampf wäre, glaube ich, ein sehr viel realistischeres Konzept." Bleibt zu hoffen, dass der Verteidigungsminister, der schon von Alaska aus - Aug in Aug mit dem sibirischen Feind - den deutschen Haushaltsentwurf für 2025 wegen zu geringer Ausgaben fürs Militär rügte, sich nicht gegen seinen Kanzler ausspielen lässt.
Mittwoch, 10. Juli 2024 - 11:55 Uhr
Wir werden "öffentlich-rechtlich" nach Strich und Faden desinformiert und hinters Licht geführt.
Es war nicht gerade ein propagandistisches Meisterstück, was uns da am 9. Juli nach 17 Uhr auf "tagesschau 24" serviert wurde. Joseph Goebbels hätte es vermutlich besser "hingekriegt". Es ging um die NATO: Gründung, Ziele, Geschichte samt Erweiterung, Geburtstagsfeier in Washington. Das Ambiente war primär durchsetzt von stark selektiven, dunstkreisähnlichen Äußerungen, die wenig zum Verständnis des Nordatlantikpaktes beitrugen - was wohl auch beabsichtigt war. Die Entstehung fällt in das Jahr der Proklamation zweier deutscher Staaten und ist Zeugnis des Kalten Krieges. Von dem Kriegspakt mit der Sowjetunion (Stalin) kuriert, sortierten sich die Vereinigten Staaten von Amerika neu, betrieben gegen die UdSSR eine Politik der Eindämmung (containment), gingen dann zu einer Politik des "Rollback" über, in der auch die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland eine wichtige Rolle zukam. Der Umschwung in der US-amerikanischen Außenpolitik vollzog sich parallel zu einem innenpolitischen Prozess. Ursprünglich gegen nationalsozialistische Aktivitäten gerichtet, erhielt das "Komitee für unamerikanische Umtriebe" eine neue Stoßrichtung, nämlich gegen den Kommunismus (McCarthy-Ära).
Von dem bisher Dargelegten schlug sich in der zitierten ARD-Sendung kaum etwas nieder. Gar nicht der Rede wert war den Machern der zu beanstandenden Sendung der Beitritt Griechenlands und der Türkei in das Bündnis (1952). Beide Staaten hatten keine Küsten am Nordatlantik, worüber man gern hinwegsah. Die Hegemonialmacht der NATO hatte ein lebhaftes Interesse daran, auf einem NATO-Stützpunkt in der Türkei amerikanische Mittelstreckenraketen zu stationieren, die gegen die Sowjetunion in Stellung gebracht werden konnten, was dann in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre auch erfolgte - nicht ohne sowjetische Gegenmaßnahmen auszulösen und die Kubakrise zu befeuern. Wenn John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow im Herbst 1962 auf die falschen Berater gehört hätten, sähe es auf unserem Planeten anders aus. - Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass der Beitritt zur NATO einen bewaffneten Konflikt zwischen den Erzrivalen zu verhindern vermochte.
Neben den Feierlichkeiten in der US-amerikanischen Hauptstadt wurde im äußersten Nordwesten der USA ein mehrmonatiges, großangelegtes NATO-Manöver durchgezogen. Es war nicht das erste seiner Art in diesem Jahr. Schließlich wollen die alliierten Streitkräfte nicht aus der Übung kommen. Alaska und der Atlantik haben zwar den gleichen Anfangsbuchstaben, liegen ansonsten jedoch weit auseinander. Selbstverständlich war auch Verteidigungsminister Boris Pistorius vor Ort - nicht mit heimischem Boden unter den Sohlen, versteht sich.
Wieder einmal wurde behauptet, die NATO sei ein "Militärbündnis", was sie auch ist, aber erst unterhalb der politischen Ebene. In ihrer Gründungsakte bezieht die NATO sich auf den Artikel 51 der UN-Charta, verpflichtet ihre Mitglieder zur friedlichen, also gewaltfreien Lösung politischer Konflikte und anerkennt das Recht auf Selbstverteidigung. Wird eines der Mitglieder angegriffen, sind die anderen zur Hilfeleistung verpflichtet, können dabei allerdings frei entscheiden über Form und Mittel der Unterstützung. In den Hochphasen des Kalten Krieges waren die rivalisierenden Weltmächte darauf bedacht, ihre wechselseitigen Einflusssphären zu respektieren. So warb Russland bzw. die Sowjetunion für eine "friedliche Koexistenz". Andererseits betonte John F. Kennedy bei seinem Berlin-Besuch im Jahr 1963, es liege leider nicht in seiner Macht, die Berliner Mauer zu beseitigen. Um eine solche Rücksichtnahme scheint es in unseren Tagen geschehen zu sein. Das Säbelrasseln ist zu neuem Leben erwacht. Die NATO feiert sich mit allem Pomp. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz ergeht sich in Lobeshymnen. Der Nordatlantikpakt, über seine ursprünglichen Grenzen weit hinausgewachsen, wird als Segen für die Menschheit gepriesen, als Garant für Frieden und Freiheit, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Abrüstungsvereinbarungen wie der INF-Vertrag und Rüstungskontrollabkommen wie die "salt 1" und "salt 2"-Gespräche sowie das ergänzende ABM-Abkommen gehören der Vergangenheit an, stehen sie doch der weltweiten gewinnträchtigen Aufrüstung im Wege. Seit Jahren schon beschleicht mich, ja bemächtigt sich meiner das ungute Gefühl, dass die NATO mehr als je zuvor weit davon entfernt ist, den Weltfrieden zu sichern. Der Drang danach, neues Terrain zu gewinnen, der Stolz darauf, inzwischen mehr als 30 Mitgliedstaaten vorweisen zu können, lässt sie aus allen Nähten platzen. Doch damit nicht genug: Im Rahmen des Bündnisses werden zunehmend bilaterale Abkommen, auch solche mit der Ukraine, geschlossen, wie jüngst zwischen den USA und Deutschland. Scholz verpflichtet sich dazu, US-amerikanische Marschflugkörper des Typs Tomahawk auf deutschem Boden stationieren zu lassen. Sie verfügen über eine enorme Reichweite, können sogar Ziele im russischen Hinterland treffen. Der TAURUS sollte es ja nicht mehr sein, jedenfalls nicht in den Händen von Ukrainern. An die Stelle des deutschen Fabrikates rückt künftig das amerikanisch Kriegsgerät. Die Tomahawks werden freilich von deutschem Boden aus abgefeuert. Deutschland ist so oder so im Spiel, wohl auch im Hintertreffen. Wie dichtete doch Heinrich Heine einst: "Denk ich an Deutschland in der Nacht ..." Das Wort Tomahawk ist indianischen Ursprungs und bezeichnet eine Streitaxt. Wo die Axt Anwendung findet, kann der Marterpfahl nicht weit sein. Die "Hackebeilchen" sollen wohl die US-Bomberflotte ergänzen. Das alles in herzlichem Einvernehmen zwischen Berlin und Washington. US-Bomber des Typs B 52 samt atomarem Zubehör auf dem deutschen Luftwaffenstützpunkt Büchel. Er schmückt sich mit dem anheimelnden Namen "Fliegerhorst" und liegt nicht weit von der US-Airbase Ramstein entfernt. Hinzu kommt noch, dass Versorgungsflüge für die Ukraine künftig von Wiesbaden aus koordiniert werden sollen. Die Bundesrepublik Deutschland als Zielscheibe für russische Dart-Sportler? Wahrscheinlich gehen Berliner Hornochsen, auch solche im Auswärtigen Amt, davon aus, dass von den deutsch-russischen Beziehungen ohnehin nichts mehr zu retten ist.
Besteht Hoffnung, dass noch vor den Wahlen im kommenden Herbst und im September 2025 Vernunft einkehrt und eine außenpolitische Kursänderung "zum Wohle des deutschen Volkes" in die Wege geleitet wird? Es darf nicht dazu kommen, dass Deutschland und mit ihm Europa sich vor den Karren expansiver Weltpolitik spannen lassen, auch nicht im Schlepptau, Fahrwasser oder Geleitzug unseres "wichtigsten Verbündeten". Erste Schritt hierzu sind leider schon getan. Im Indopazifik kreuzen zwei deutsche Fregatten. Sie sollen die Festlandchinesen (die Volksrepublik China) das Fürchten lehren. Es wäre fatal, wenn Deutschland seine Beziehungen zu Russland gänzlich auf dem Altar westlicher Allianzen opferte. Wie solches verhindert werden kann, verrät unter anderem ein Blick in die Geschichte der Weimarer Republik. Es kann nicht schaden, die außenpolitischen Grundsätze eines Walter Rathenau oder eines Gustav Stresemann zu studieren.
Wenn sie nur nicht da wäre, diese tiefe, massive Erschütterung des Vertrauens in den Kanzler, seine Regierung und seine Koalition. Wer will wem was beweisen? Wozu hat Bundeskanzler Olaf Scholz sich wem gegenüber verpflichtet?
Abschließend ein kurzer Rückgriff auf die Überschrift: Ärgerlich ist nicht zuletzt, dass für einen so miserablen Fernsehjournalismus auch noch Gebühren erhoben und eingezogen werden. Interessierten, wachen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen stünde eher ein Schmerzensgeld zu.
Donnerstag, 4. Juli 2024 - 15:26 Uhr
Hat die SPD Angst vor dem Wort Deutschland?
Dem Medienmogul und Politiker Alfred Hugenberg (1865-1951) konnte es nicht "völkisch" genug zugehen. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern des "Alldeutschen Verbandes" und von 1928 bis 1933 Vorsitzender der "Deutschnationalen Volkspartei" die im November 1918 gegründet worden war. Mit seinem Medienimperium förderte er den Aufstieg der NSDAP und die Machtergreifung Adolf Hitlers. Für wenige Monate war er Reichsminister im ersten Kabinett Hitler, bis auch seine Partei dem nationalsozialistischen Einparteiensystem zum Opfer fiel. "Einparteiensystem": ein Widerspruch in sich selbst, denn das Wort "Partei" leitet sich vom lateinischen Nomen "pars, partis" " ab und bedeutet "Teil".
Die Bundesrepublik Deutschland steht für Pluralismus, und das in vielen Bereichen. Auch Parteienvielfalt, also das Mehrparteiensystem, gehört dazu. Vermutlich hat ein sozialdemokratischer Schlaukopf seiner Partei damit einen Dienst zu erweisen gemeint, dass er das Akronym SPD ummodelte in "Soziale Politik für Dich". Also keine Rede mehr von Deutschland. Aber warum das? Die SPD hat sich niemals ihrer Nationalität geschämt: "Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein" (1863), "Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands" (1875), "Sozialdemokratische Partei Deutschlands" (seit 1890). Sozialdemokratie und Sozialismus haben jedoch niemals an oder vor Landesgrenzen haltgemacht. Willy Brandt war von 1976 bis 1987 gleichzeitig der Vorsitzende der SPD und der "Sozialistischen Internationale".
Wenn SPD reduziert wird auf "Soziale Politik für Dich", geht Wichtiges verloren. Das Soziale ist zweifellos zentral, der Begriff Sozialdemokratie schließt allerdings auch das Phänomen Herrschaft ein, und zwar die des Volkes - nicht einfach zu gestalten. Wo Herrschaft besteht, ist immer auch Macht im Spiel. Macht kann verführerisch wirken, weshalb Staatsphilosophen die Lehre von der Gewaltenteilung entwickelt haben. Sie kann verhindern, dass die Demokratie sich mehrheitlich selbst abschafft. - Außerdem fehlt das Wort Partei. Parteien sind jedoch im politischen Pluralismus unverzichtbar. Sie werden sogar im Grundgesetz erwähnt: "Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit." (Artikel 21) Das Wort Deutschland wird ersetzt durch das Personalpronomen "Dich", wodurch eine scheinhafte Vertrautheit suggeriert wird. Die mehrfach zitierte Formel kann zu einer Anspruchshaltung verführen. Das geduzte Individuum verlässt sich möglicherweise darauf, rundum und irgendwie versorgt zu werden. Die Eigenverantwortung bleibt dabei auf der Strecke.
Im nächsten Jahr gibt es Anlässe genug, sich auf die Geschichte der SPD zu besinnen. Der Gothaer Parteitag (22. bis 27. Mai 1875) samt dem Gothaer Programm wird 150 Jahre alt. Die "Sozis" fuhren dem Reichskanzler Otto von Bismarck dermaßen in die Knochen, dass er ein Ausnahmegesetz erwirkte: "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie". Ein langfristiger Erfolg war ihm freilich nicht vergönnt. Die "Gefährder" waren einfach nicht totzukriegen. 1925 beriefen sie erneut einen Parteitag ein und beschlossen das Heidelberger Programm. Na bitte!
Donnerstag, 27. Juni 2024 - 16:52 Uhr
Von Farce zu Farce - und kein Ende in Sicht
Für wie dumm müssen die uns Regierenden eigentlich diejenigen halten, von denen sie ihr Mandat erhalten haben?!? Für einige Augenblicke stelle ich, ohne dafür Vergnügungssteuer entrichten zu müssen, mir vor, die genannten Herrschaften müssten direkt gewählt werden, somit ihren Wählerinnen und Wählern jederzeit und unmittelbar über ihr Tun Rechenschaft ablegen - vermutlich sähen viele von ihnen ziemlich alt aus. Was alles haben wir allein im Juni 2024 über uns ergehen lassen müssen: das Treffen in der Normandie, den G 7 - Gipfel in Bari, die "Friedenskonferenz" in der Schweiz (Birkenstock/Birkenfeld) usw. Die Beteiligten hoben scharenweise und vielfach ab, wobei sie keinerlei Rücksicht auf die Umwelt nahmen, sondern kräftig die Luft verpesteten. Thematischer Dauerbrenner: der Krieg in der Ukraine, an dessen baldigem Ende offenbar kaum einer der Konferenztouristen Interesse zeigte. Dauergast bei den zügig aufeinander folgenden Tagungen: der ukrainische Präsident Selenskyj. Es wird so getan, als sei die Ukraine bereits längst Mitglied von EU und NATO. Dazu passt, dass am 7. Februar 2019 die ukrainische Verfassung ergänzt wurde. Als Staatsziel gilt seither eine "strategische Orientierung der Ukraine zum vollständigen Beitritt zur EU und der NATO". Und dann regt sich die westliche Staatengemeinschaft darüber auf, dass Wladimir Putin alles daran setzte, dies zu verhindern! Meinte Bundeskanzler Olaf Scholz allen Ernstes, den russischen Diktator mit der Erklärung beschwichtigen zu können, die Aufnahme der Ukraine in die NATO stehe "gar nicht auf der Tagesordnung"? So geschehen wenige Tage vor Kriegsbeginn am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Welch eine grandiose und fatale Fehleinschätzung!
Unisono sprachen sich die Konferenz-Touristen dafür aus, die Kampfhandlungen in der Ukraine müssten vorerst unvermindert fortgesetzt werden. Eines der idiotischen Argumente: Wenn es Russland gelänge, weiter in den Westen der Ukraine vorzudringen, müsste Deutschland noch mehr Flüchtlinge aufnehmen. Da sei es doch kostengünstiger, Waffen in die Ukraine zu liefern, deren Bevölkerung sich dann mit westlichem Kriegsgerät gegen die Aggressoren verteidigen könnte - auch wenn dabei Ukrainerinnen und Ukrainer zu Tode kämen. Logisch, nicht wahr? Tote in der Ukraine seien leichter zu verkraften als zusätzliche Schutzsuchende in Deutschland. Eine grässliche, menschenverachtende Gedankenfolge! Wann endlich gewinnen diejenigen die Oberhand, die ein Ende des Gemetzels und der Zerstörung fordern und voranbringen wollen?
Zu allem Überdruss reiste nun auch Manuela Schwesig in die Ukraine, um Altbekanntes wiederzukäuen. Die Ukraine müsse siegen etc. Schade! Ich habe der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern mehr Fingerspitzengefühl zugetraut. Gibt es Regierungsmitglieder, die ihren deutschen Pflichten noch nicht entflohen sind, ihre Amtsgeschäfte also nicht haben ruhen lassen? Just vor der Sommerpause sind in den Metropolen der EU noch wichtige Posten zu vergeben. Immerhin sind seit den Europa-Wahlen am 9. Juni fast drei Wochen verstrichen. In gewohnter, bewährter und täuschend echt wirkender demokratischer Manier sind die Kandidaten für drei Spitzenämter erkoren worden. Hinterzimmer haben doch ihr Gutes. Augen- und Ohrenzeugen sind nicht immer willkommen. Zaungäste schon gar nicht.
Gewundert, ja geärgert habe ich mich darüber, dass ausgerechnet die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas für das Amt einer "Hohen Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik" nominiert wurde. Die Bestätigung durch das Europa-Parlament gilt als Formsache. Um eines klarzustellen: Ich habe keineswegs persönlich etwas gegen Frau Kallas, halte es aber für unverantwortlich, dass gerade sie die Außenpolitik der EU maßgeblich beeinflussen soll. Sie ist bekannt dafür, dass sie an Wladimir Putin kein gutes Haar lässt und der russischen Bevölkerung eine Mitschuld an dem Ukrainekrieg anlastet. Hoffentlich hat die russische Minderheit in Estland nicht hierunter zu leiden. Sie macht etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung aus, umfasst also ca. 375.000 Personen. Estland ist stolz darauf, der Ukraine Waffen geliefert zu haben - allerdings nicht ganz selbstlos. Die baltische Republik hat sich dafür an bzw. aus der "Europäischen Friedensfazilität" schadlos gehalten- Dieser Geldtopf mit einem Volumen von ca. 17 Milliarden Euro ist leider zu einer Kriegskasse verkommen. In Brüssel ist Estland 2023 in den Verdacht geraten, sich mit mehr Geld bedient zu haben, als
es dem Wert der Militärhilfen für Kiew entsprochen hätte. Eine Modernisierung des estnischen Militärs (mit einer Sollstärke von rund 3300 Soldatinnen und Soldaten) auf Kosten der EU? Heftige Proteste und Dementis aus Tallinn.
Diesen Eintrag bitte ich als das zu verstehen, was er sein möchte: ein Ausdruck des Bedauerns. Das Projekt Europa läuft nicht rund. Der EU-Ministerrat als ein Club von Selbstversorgern? Die Abgeordnetentätigkeit in Straßburg als eine ergiebige, nie versiegende Geldquelle? Machen wir es den Europa-Skeptikern nicht so leicht! Und wenden wir uns ab von der Doktrin "pro-europäisch" bedeutet immer "auf keinen Fall mit Russland". Die vom Bundeskanzler propagierte "Zeitenwende" ist schon Jahrzehnte alt. Im Jahr 2002 nahm der "NATO-Russland-Rat" die Arbeit auf. Was ist in den vergangenen 20 Jahren alles geschehen, um der Russischen Föderation zu bedeuten: Ihr gehört nicht dazu, sondern seid unsere Gegner. Den Ural haben wir nach Westen verlegt, nämlich an die Ostflanke der NATO.
Und noch ein Appell: Die Europäische Union halte sich aus Georgien heraus! Gleiches gilt für die NATO!
Dienstag, 25. Juni 2024 - 11:25 Uhr
Die Alten, Unentwegten, wenn auch nicht mehr Kriegstüchtigen
Am 20. Juni war es wieder einmal so weit. Leo Wolframm, Jahrgang 1948, hatte zu einer Sitzung der AG 60+ der SPD im Kreis Pinneberg eingeladen. Viele waren wir nicht, hatten jedoch Überraschungsgäste. Ralf Stegner, aktuell Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion, gesellte sich dazu und stellte sich unseren Frage - kompetent wie immer. Bald darauf kam Ernst Dieter Rossmann, Jahrgang 1951, hinzu und berichtete schwerpunktmäßig über sozialpolitische Projekte im Kreis Pinneberg. Aus dem Herzen sprach Ernst Dieter Rossmann mir mit dem Rat, die SPD solle nicht so viel über die AfD sprechen, sondern sich auf das konzentrieren, was Sozialdemokratie ausmacht. Zunehmendes Unbehagen verspüre ich seit dem Januar dieses Jahres, als nämlich die Plattform "correctiv" über die unsägliche Veranstaltung in einer Potsdamer Villa "informierte", mit fragwürdigen Methoden. Wie viele Wochenenddemonstrationen "gegen rechts" haben seither stattgefunden und der AfD Gelegenheit gegeben, sich als verfolgte Unschuld darzustellen! Es entstand der Eindruck einer "konzertierten Aktion". Spätestens die Europa-Wahlen erwiesen das Ausbleiben des erwünschten Erfolgs. Die AfD lag knapp vor der SPD. Die Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern (September 2024) lassen noch Schlimmeres befürchten. Grund genug, mit Sprüchen wie "eine Nazi-Partei" aufzuhören, denn solche Parolen treffen nicht den Kern der AfD. Ebenso unsinnig ist der Versuch, ein AfD-Verbot anzustreben.
Der Sozialdemotischen Partei Deutschlands wünsche ich, dass sie zumindest in der Öffentlichkeitsarbeit besonnenen Mitgliedern wie Ernst Dieter Rossmann und Ralf Stegner den Vortritt lässt und auch den Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich nicht im Regen stehen lässt.
Samstag, 15. Juni 2024 - 15:46 Uhr
Die Zielgenauigkeit der Querschläge des Friedrich Merz
"Sie sind ein Klempner der Macht!" attestierte Friedrich Merz dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag. Das war nicht als Kompliment gemeint, auch wenn ein Klempner durchaus sein Gutes haben kann. Diesem Handwerk wird es auch nicht gerecht, wenn man damit nur die Wortfolge "Gas, Wasser, Scheiße" assoziiert. Klempner werden dringend gebraucht - zumal in Zeiten von Hochwasserkatastrophen, die den CDU-Vorsitzenden wohl weitestgehend verschont haben. Ihm sind die Felle nicht davongeschwommen.
Beim dritten Anlauf war es ihm im Frühjahr 2022 endlich gelungen. Friedrich Merz wurde zum Vorsitzenden der christdemokratischen Partei gewählt, übernahm den Vorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wurde somit Oppositionsführer. Im Herbst 2018 hatte Angela Merkel auf eine erneute Kandidatur für den Parteivorsitz verzichtet. Mehrere ambitionierte Mitglieder "warfen ihren Hut in den Ring". Für kurze Zeit ging Armin Laschet aus dem Rennen hervor, musste jedoch nach der Wahlniederlage vom September 2021 seinen Platz wieder räumen - eben für Friedrich Merz. Ralph Brinkhaus wurde zügig davon überzeugt, zugunsten des neuen Chefs auf den Fraktionsvorsitz zu verzichten, und strich die Segel. Die CDU wurde wieder stärkste Partei und sann darauf, die Ampel abzulösen, was aber nur mit mindestens einem Koalitionspartner gelingen könnte. Jüngst erklärte Merz, die CDU werde niemals ein Bündnis mit einer extremen Partei eingehen, folglich weder mit der AfD noch mit der Linken oder dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Letztere sei ohnehin auszuschließen, weil sie sowohl extrem rechte wie auch linke Positionen vertrete. Schlimmer könne es gar nicht kommen. Proteste aus den ostdeutschen CDU-Landesverbänden, die im Herbst drei Landtagswahlen zu bestreiten haben. bei denen ein Sieg der AfD zu befürchten ist. Merz ruderte zurück, lenkte ein. Auf Länderebene sei eine Koalition mit dem BSW denkbar, bundespolitisch jedoch auszuschließen.
Die Abgrenzung von rechts sowie links und der "bürgerlichen Mitte" ist zunehmend schwieriger geworden. Die Einführung weiterer Bezeichnungen wie "linkspopulistisch" oder "rechtsnational" macht es nicht einfacher. Für Friedrich Merz ist es wohl eher "links" (bzw. linkisch), in Erwägung zu ziehen, die Absenkung des Spitzensteuersatzes zurückzunehmen und zum alten Steuersatz zurückzukehren, was ja eher konservativ wäre. Die Unsitte des "Genderns" abzulehnen, gälte in diesem ganzen Umfeld als "rechts", weil der genannte Unfug für "fortschrittlich" gehalten wird, obwohl er unserer Sprache Gewalt antut. Alle Klarheiten beseitigt?
Die Verlautbarungen des Friedrich Merz legen den Schluss nahe, dass er von der Vermehrung und Verwaltung ansehnlicher Vermögen mehr versteht als von der Politik. Dies mag auch erklären, warum Bundeskanzler Scholz ihn als Kontrahenten weniger zu fürchten braucht. In der Frage, welcher CDU-Politiker Olaf Scholz im September nächsten Jahres herausfordern wird, ist das letzte Wort vermutlich noch nicht gesprochen. Werden die Karten neu gemischt?
Mittwoch, 12. Juni 2024 - 13:54 Uhr
Das BSW bleibt der Rede Wolodymyr Selenskyjs fern - Versuch einer Erklärung
Des Öfteren ist der ukrainische Präsident nicht zu Hause. Im laufenden Monat war und ist sein Terminkalender randvoll. Am 6. Juni nahm er im Geiste an der Landung der Alliierten in der Normandie teil. Tags darauf wurde er in Paris von Präsident Macron empfangen. Bald danach reiste er nach Berlin, wo eine Wiederaufbaukonferenz zusammentrat. Vollmundig gab Wirtschaftsminister Robert Habeck zu verstehen, dass die Bundesrepublik eine Bürgschaft übernehmen werde, um Investoren bei geschäftlichen Misserfolgen unter die Arme zu greifen - ähnlich den Hermes-Bürgschaften. Außerdem war der ukrainische Präsident im Bundestag zu Gast, im Rahmen einer eigens einberufenen Sondersitzung. Das Plenum war zwar etwas voller als gewöhnlich, wies dennoch leere Sitzreihen auf, was nicht nur darauf zurückzuführen war, dass zwei Fraktionen fehlten. Die neue Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht" blieb der Veranstaltung fern. was wohl hauptsächlich daran lag, dass Selenskyj gar nichts zum Thema Waffenstillstand und Frieden sagen wollte, sondern sich darauf beschränkte, den Deutschen für geleistete Hilfe zu danken und deren Fortsetzung anzumahnen. Nicht die geringste Spur von
Verhandlungsbereitschaft! Der Redner erinnerte daran, dass in der zweiten Hälfte der 80er Jahre kaum jemand mit dem baldigen Fall der Berliner Mauer gerechnet habe. Das deutsche Volk sei gut damit beraten, sich noch einige Jahre zu gedulden und bis zu Putins Sturz der Ukraine weiterhin beizustehen. Will die Bundesrepublik Deutschland sich wirklich hierauf einlassen und den bisherigen Kurs fortsetzen, nämlich noch längere Zeit als zweitgrößter Unterstützer der Ukraine gefordert zu sein? Einer solchen Maßlosigkeit muss ein möglichst rasches Ende gesetzt werden.
Um uns herum geschieht viel Verwirrendes und Unsinniges. Zeitlich parallel zur Berliner "Geberkonferenz" tagen in Nischni-Nowgorod die Außenminister der BRICS-Staaten. Es naht ein G7-Gipfel. Im schweizerischen Birkenfeld ist eine "Friedenskonferenz" geplant, zu der Russland nicht eingeladen ist und der die Volksrepublik China eine Absage erteilt hat. Wohin soll das führen? Die Großen der Welt üben sich in Konfrontation und Schlagabtausch. Dabei wissen die Beteiligten, dass anderes gefragt ist, nämlich Zusammenarbeit. In Bälde soll ein nächster Klima-Gipfel stattfinden. Was wird dabei herauskommen, wenn ein Umdenken ausbleibt und die Mächtigen unseres Globus sich nicht eines Besseren besinnen?
Trifft es zu, dass der Ukraine überlassene Kampfjets des Typs F16 auf Luftstützpunkten von NATO-Staaten "geparkt" werden und von dort aus Angriffe auf russische Ziele starten sollen? Eine erschreckende Vorstellung !!!
Montag, 10. Juni 2024 - 15:42 Uhr
Ein schwarzer Tag für die SPD - leider keine Überraschung
Die Ergebnisse von Europa- und Kommunalwahlen in acht Bundesländern zeigen es nur zu deutlich: Die deutsche Sozialdemokratie bewegt sich neben der Spur, hat mehrheitlich den Sinn für die politisch relevanten Fragen und Themen der Zeit verloren. Nach wie vor stimmt sie ein in den fatal unsinnigen Gesang, Deutschland und seine Nachbarn seien unmittelbar bedroht, wenn die Ukraine in dem Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer unterliege. Wladimir Putin warte nur darauf, nach dem Erfolg in der Ukraine über NATO-Staaten herzufallen. Dann gebe es kein Halten mehr, dann sei es vorbei mit Demokratie und Freiheit, dann herrsche die russische Knute. Gegen die Ausmalung solcher Schreckensbilder hat militärischer Sachverstand kaum noch Chancen. Weit abseits der Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten finden sie noch Gehör - Leute wie Harald Kujat und Erich Vad. Letzterer hat ein neues Buch herausgebracht mit dem Titel "Abschreckend oder erschreckend? Europa ohne Sicherheit" . Harald Kujat muss sich damit begnügen, gelegentlich zu Talkshows eingeladen zu werden oder einem Journalisten von "Weltwoche daily" sachkundig Rede und Antwort zu stehen. Auf das Urteil der beiden ehemaligen Bundeswehroffiziere wurde einstmals großer Wert gelegt. Kujat war vor Zeiten Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, Vad war als militärpolitischer Berater im Kanzleramt tätig (2006-2013). Gibt es heutzutage Vergleichbares? Wer bringt dort militärische Kompetenz ein? Angesichts der düsteren Lage will Verteidigungsminister Boris Pistorius die Deutschen "kriegstüchtig" machen. Dazu gehöre auch, dass Deutschland über ausreichend Reservisten verfüge. Das alles werde noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Hoffentlich hat der Minister für den Fall vorgesorgt, dass Putin nicht so lange warten möchte, sondern die nächstbeste Gelegenheit nutzt, um Polen und die Bundesrepublik Deutschland niederzuringen. Wer weiß das schon? Die wahlberechtigten Deutschen zeigten sich indessen nicht so verängstigt, wie erwartet worden war. Die AfD erhielt mehr Stimmen als die SPD, wurde zweitstärkste Kraft. Und das trotz der zahlreichen Versuche, diese Partei in Misskredit zu bringen. Ihr wurden Russlandhörigkeit und Sympathisantentum mit dem "kommunistischen" China vorgeworfen. Erst in der letzten Woche lobte Pistorius einen grünen Bundestagsabgeordneten für dessen Frage, die er als "gut" bewertete. Es gebe jedoch auch "dumme" Fragen, wie sie etwa die AfD stelle, unqualifiziert, von Russland und China "gesponsert". Wenn die SPD an diesem Kurs festhält, darf sie sich nicht über weitere Stimmengewinne der AfD wundern. Wenn Saskia Esken die AfD eine "Nazi-Partei" nennt, dient auch dies nicht der sachbezogenen Auseinandersetzung und fällt auf die SPD zurück. Es fehlt nur noch eine Diskussion über ein AfD-Verbot, um dieser Partei das Überleben zu sichern.
Das deutsche Wirtschaftswachstum schwächelt und wird nicht zuletzt von den üppigen Aufträgen für die Rüstungsindustrie gestützt. Es lohnt sich, Aktienpakete von Airbus und Rheinmetall zu halten. Ob die Aktionäre ihr Kreuz bei der SPD machen, ist allerdings fraglich.
Still geworden ist es um Rolf Mützenich, den Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion. Ist er etwa in Ungnade gefallen? Seine Partei täte gut daran, ihm den Rücken zu stärken - damit sie noch oder wieder erkennbar bleibt bzw. wird.
Am Wahlabend saßen noch einige Politikerinnen und Politiker beisammen, um die Ergebnisse "einzuordnen". Dabei ergaben sich merkwürdige Konstellationen. Die Herren von SPD, Grünen und CDU waren sich darin einig, dass die Positionen von BSW und AfD gar nicht so weit auseinander lägen. Sahra Wagenknecht und Alice Weidel seien für den Bestand unserer Demokratie in gleicher Weise gefährlich. Merksatz für Machos:
"So manchen Frauen
ist nicht über den Weg zu trauen."
Freitag, 7. Juni 2024 - 15:28 Uhr
Stiefelknechte gesucht !!!
In den Köpfen vieler westlicher Politiker scheint bestenfalls noch das Kleinhirn zu arbeiten. Es soll Bewegungsabläufe koordinieren und könnte den ständigen Konferenzteilnehmern dabei helfen, auf den strapazierten Gangways nicht ins Stolpern zu geraten und im Anschluss an ihre Beratungen sich nicht gegenseitig auf die Füße zu treten, wenn das fällige Gruppenfoto zu bewältigen ist. Bei den sich häufenden Terminen trampeln sie gern mit ihren klobigen Stiefeln auf den Beziehungen zu Russland herum. Irgend einen Sinn sollen die Zusammenkünfte schließlich haben. Preisverleihungen werden regelmäßig zu Tritten gegen das russische Schienbein genutzt, ob es nun der Internationale Karlspreis, der Sacharow-Preis oder der Dresdner Friedenspreis ist. Irgendeine Gelegenheit findet sich immer.
Gestern, also am 6. Juni 2024, wurde mit allem Pomp der 80. Jahrestag der Landung alliierter Truppen in der Normandie gefeiert. Wladimir Putin war nicht eingeladen, obwohl es Josef Stalin war, der die Eröffnung einer zweiten Front in Europa gefordert hatte. Den damaligen russischen Diktator brauchte der Westen eben. Bei Putin kann man sich anderes leisten. Statt seiner nahm der ukrainische Präsident teil, dessen Reiselust ungebremst scheint. Hin und wieder lässt er sich auch an der russisch-ukrainischen Front blicken und ermuntert zum Durchhalten. Was er indessen mit dem D-Day am 6. Juni 1944 zu schaffen hat, will sich mir nicht erschließen. Wieder einmal wurde ihm die Unterstützung durch den Westen zugesichert - "so lange wie nötig", wie es gemeinhin heißt.
Westliche Schädel haben offenbar ihre kleinen grauen Zellen in den Ruhestand versetzt. Die Verbindung zwischen Kleinhirn und Großhirnrinde ist augenscheinlich gestört. Nur so lässt sich erklären, dass nur wenige von ihnen daran denken, dem mörderischen Krieg in der Ukraine ein Ende zu setzen. Geschichtsbewusstsein ist zur Mangelware geworden. In den Jahre 1853 bis 1856 erschütterte der Krim-Krieg die Ordnung des Wiener Kongresses, das mühsam austarierte Gleichgewicht der Pentarchie. Unbedachterweise griff das zaristische Russland nach den Donaufürstentümern Moldau und Walachei, die bis dahin Teile des Osmanischen Reiches waren, das nach Jahrhunderten schwächelte und als "kranker Mann am Bosporus" galt. Das russische Vorgehen rief Großbritannien, den Wächter über die "balance of power", auf den Plan. Frankreich beteiligte sich an der Militäroperation. Es hatte inzwischen seinen zweiten Kaiser, den es nach Erfolgen und Prestige dürstete. Der Krim-Krieg änderte an der europäischen Mächtekonstellation nur wenig, ließ jedoch erkennen, dass die Kriegführung technische Fortschritte gemacht hatte und das "System Metternich" leicht ins Wanken gebracht werden konnte.
Was den gegenwärtigen französischen Staatspräsidenten umtreibt, lässt sich gar nicht so leicht ausmachen. Ist auszuschließen, dass er eine militärische Expedition im Schwarzen Meer erwägt? Sein Drang zu Großtaten ist wohl nicht zu unterschätzen. Deutschland sollte ihm bei solchen Abenteuern nicht Gesellschaft leisten.
Die Herrschaften, die sich gern und häufig zu Konferenzen versammeln, sollten in Reichweite Stiefelknechte bereit halten. Barfuß oder in Socken könnten sie in unseren unfriedlichen Zeiten vielleicht weniger Unheil anrichten - weil das Gespür für Untiefen und gefährliche Stolpersteine stärker ausgeprägt wäre.
Mittwoch, 5. Juni 2024 - 12:34 Uhr
Dringender Friedensappell : Seid auf der Hut, Genossinnen und Genossen!
Wie zu befürchten war, hat die Bundesrepublik sich in Prag dem Druck einer Vielzahl von Verbündeten gebeugt und der Ukraine erlaubt, zur Selbstverteidigung auch deutsche Waffen für den Angriff auf militärisch wichtige Ziele in Russland zu verwenden. Das Völkerrecht lasse dies zu (Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen). Damit ist ein weiterer Schritt zur Eskalation des Krieges getan. Dem SPD-Vorstand ist , so denke ich, bewusst, welche Gefahren darin lauern. Was wird in Deutschland vor sich gehen, wenn eine deutsche Waffe nachweislich in Russland einschlägt? Niemand kann dabei ausschließen, dass auch Zivilisten getroffen werden. Das Recht auf Selbstverteidigung kann nicht grenzenlos gelten, sondern muss dann zurückstehen, wenn ein großer Krieg droht. Eigentlich wäre der UN-Sicherheitsrat gefordert und zuständig, ist aber durch das Veto-Recht blockiert. Resolutionen der UN-Vollversammlung sind rechtlich nicht bindend. Bleibt noch die politische Vernunft, um die Schrecken des Krieges zu beenden. Hier aber tut sich ein Vakuum auf, sowohl beim Bundeskanzler als auch bei dem Verteidigungsminister. Ihnen scheint es nichts auszumachen, als diejenigen in die Geschichte einzugehen, die in allererster Linie auf die militärische Karte setzen und ihr Steckenpferd, nämlich die Hochrüstung, mit Unsummen füttern und darauf hoffen, sich noch möglichst lange im Sattel zu halten. Was steht uns noch bevor? Sollen wir etwa auf den Frieden pfeifen?
Überschaubar ist die Zahl derjenigen, die unermüdlich zu Einsicht und Vernunft mahnen. Politik und Medien haben sie ins Abseits gedrängt. Dabei sollten sie mitten unter uns sein. In einigen vorangehenden Einträgen waren sie mir wichtig, gerade weil sie unverdientermaßen eine Randexistenz führen.
Samstag, 1. Juni 2024 - 15:53 Uhr
Wann endlich werden der deutschen Aujßenministerin ihre "Werte" im Halse stecken bleiben?
Es geht mir wahrhaftig nicht darum, die Bedeutung von Errungenschaften wie Freiheit und Demokratie zu schmälern oder gar zu leugnen. Wichtig ist mir allein, auf deren Missbrauch aufmerksam zu machen. Offenbar braucht man im 21. Jahrhundert nur ein Banner mit der Aufschrift "Demokratie" zu hissen, dann wird alles andere nebensächlich. Auch Opfer sind dabei in Kauf zu nehmen. So hat die Bundesrepublik Deutschland das Amt eines Opferbeauftragten geschaffen. 20 Jahre lang führte die NATO auf US-amerikanisches Geheiß in Afghanistan einen verlustreichen Krieg. Auch die Bundeswehr nahm daran teil. Nach spätestens 10 Jahren war das ausgerufene Kriegsziel, die Ausschaltung und Entmachtung des internationalen Terrorismus, erreicht. Die NATO-Truppen hingegen blieben an Ort und Stelle. Jetzt waren der afghanischen Bevölkerung die Segnungen der Demokratie zu bringen. Der Erfolg war mäßig und ließ auch für amerikanische Verhältnisse zu lange auf sich warten. Ständig stieg die Zahl der Toten, Washington beschloss, mit den Taliban zu verhandeln, und blies den Afghanistan-Einsatz ab. Brav zuckelten die Bundeswehrtruppen hinterher, wenn auch in eine andere Himmelsrichtung. Fortan hatte sich Deutschland um afghanische "Ortskräfte" zu kümmern, die in Sicherheit gebracht werden wollten.
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine suchten die westlichen Staaten nach Verbündeten im Kampf gegen Russland und China. In Indien glaubte man fündig zu werden. Der asiatische Subkontinent wurde umworben und rückte auf in den Kreis der demokratischen Großmächte, wurde gar als größte Demokratie der Welt gepriesen, und das alles wegen der "ähnlichen Werte". Aber auch der Bundeskanzler hatte sich verrechnet. Ministerpräsident Modi zeigte sich unzugänglich und gesellte sich zu den BRICS-Staaten.
Vielleicht ist die deutsche Außenministerin noch lernfähig und erkennt, dass es nicht den Interessen Deutschlands dient, sich nur mit "gleich-wertigen" Partnern, man könnte auch von Favoriten sprechen, an den Verhandlungstisch zu setzen und zu verständigen.
Der sowjet-russische Machthaber Leonid Breschnew war alles andere als ein Demokrat. Trotzdem folgte Willy Brandt, erster sozialdemokratischer Bundeskanzler, einer Einladung und führte im September 1971 mit dem russischen Regierungschef auf der Krim ein mehrstündiges Gespräch. nicht zum Schaden West- und Gesamtdeutschlands. 1973, Brandt hatte ein Jahr zuvor ein konstruktives Misstrauensvotum überstanden, empfing der Kanzler den ungleich mächtigeren Breschnew in Bonn zu einem Gegenbesuch. Brandt kannte genauestens die Grenzen und Chancen der neuen Ostpolitik.
Nicht alles, was sich demokratisch nennt, verdient auch dieses Attribut. Wenn Unternehmerverbände vor einem "Rechtsruck" in Deutschland und Europa warnen, ist das nicht unbedingt ein Ausdruck ihrer Liebe zur Demokratie, sondern mehr noch der Sorge geschuldet, dass Deutschland als Wirtschaftsstandort für Investoren weniger attraktiv werden könnte.
Freitag, 31. Mai 2024 - 14:33 Uhr
Deutschland zwischen Größenwahn und Unterwürfigkeit
Es ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Der alte Helmut Schmidt, von 1974 bis 1982 zweiter sozialdemokratischer Bundeskanzler, warf bereits im Mai 2014 anlässlich der Ukraine-Krise der Europäischen Union "Größenwahn" vor. Aber die Ukraine ist ja nicht das einzige Objekt europäischen Wahnsinns. Die EU hat eine neue Region für sich entdeckt: den Kaukasusstaat Georgien. Das Muster ist bekannt und scheint sich bewährt zu haben. Brüssel lockt mit der Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft, trifft damit den Nerv meist jüngerer Bevölkerungskreise, stellt jedoch Bedingungen. Eine davon ist die Trennung von alten Beziehungen, vor allem von solchen zu Russland. Es ist das altie Lied. EU und NATO unterstellen der Russischen Föderation, den Westen spalten zu wollen, finden andererseits nichts dabei, Russland auszusperren, obwohl dieses westlich des Urals das größte Land Europas ist.
Der elder statesman Helmut Schmidt hätte vermutlich nur den Kopf geschüttelt, wenn er sie noch hätte hören können, die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, wie sie uns weismachen wollte: "Wir müssen weltpolitikfähig werden." Mir ist dieses Geschwätz leider nicht erspart geblieben. Zur Zeit kreuzen zwei deutsche Fregatten im "indo-pazifischen Raum", um die Volksrepublik China das Fürchten zu lehren.
Wo leben wir eigentlich? Was geht in den Köpfen der Redakteure des NDR vor, wenn in der heutigen Nachrichtensendung um 10 Uhr zuallererst berichtet wird, dass Donald Trump von einem Gericht verurteilt wurde, jedoch die Möglichkeit besteht, dass er auch in einer Gefängniszelle vereidigt wird, sollte er die Präsidentenwahl im November gewinnen.
Ist denn das deutsche Selbstbewusstsein bereits endgültig zu Grabe getragen? In Prag wird wieder einmal beraten, wie und in welchem Umfang der Ukraine militärisch geholfen werden kann. Soll der Ukraine gestattet werden, mit westlichen Waffensystemen auch Ziele in Russland anzugreifen? Der Druck auf die Bundesregierung ist gewaltig und wird vornehmlich von denjenigen unserer Nachbarn und Verbündeten ausgeübt, die der Ukraine keine zusätzlichen Waffen liefern können oder wollen. Belgien hat sich bereit erklärt, Kiew eine stattliche Zahl (15 bzw. 16) Kampfjets des Typs F 16 zu überlassen, wird sich dafür aber aus Geldtöpfen von EU oder NATO entschädigen lassen. Wird die Bundesregierung in Prag wieder einmal einknicken? Wird die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik tatsächlich in hohem Maße von Washington gesteuert? Ist es abwegig, zu vermuten, dass der Deutsche Michel seinem transatlantischen Gegenüber Uncle Sam brav und gefügig aus der Hand frisst? Wann endlich gewinnen diejenigen die Oberhand, die auf ein Ende von Blutvergießen und Zerstörung drängen?
Es ist doch völlig unzureichend und unsinnig, russische Kriegsverbrechen zu dokumentieren und einen Strafgerichtshof einrichten zu wollen, vor dem sich Putin und seine Schergen zu verantworten haben.
Mittwoch, 29. Mai 2024 - 14:43 Uhr
Die deutsche Außenpolitik im Teufelskreis
Was eigentlich verhilft Politikern und Politikerinnen der Ampel zu dem Privileg, sich in Sendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten breit zu machen und dabei sicher sein zu können, dass ihre zum Teil abstrusen Äußerungen nicht kritisch hinterfragt werden. Wie zum Beispiel am 21./22. Mai im ZDF "heute journal", in dem Marietta Slomka der deutschen Außenministerin ausgiebig Gelegenheit bot, sich weitschweifig über ihre Ukraine-Reise auszumären. Frau Baerbock verurteilte Putins "Atom-Übung" nahe der ukrainischen Grenze, erwähnte jedoch nicht, dass zeitgleich in Rumänen nahe der russischen Grenze das NATO-Manöver "Ramstein legacy" durchgezogen wurde, mit deutscher Beteiligung, denn Boris Pistorius hatte die Teilnahme eines dritten "Patriot"-Luftabwehrsystems angeordnet. Von Rostock aus ging die Reise nach Bukarest und Umgebung. Wie nicht anders zu erwarten, nutzt die Außenministerin auch diese Gelegenheit zur Attacke auf Putin, dessen "Atom-Übung" erneut die Aggressivität und Gefährlichkeit Russlands unter Beweis stelle. Ihrer Einschätzung nach ist damit zu rechnen, dass Putin in Bälde Atomwaffen gegen die Ukraine einsetze. Über die atomare Ausstattung des Westens verliert Frau Baerbock kein Wort. Immerhin verfügt die Bundesrepublik Deutschland über die "atomare Teilhabe" und stellt auf dem Fliegerhorst Büchel (Rheinland-Pfalz) Kampfjets des Typs Tornado zur Verfügung. Mit ihnen können deutsche Piloten US-amerikanische Atombomben ins feindliche Ausland befördern. Außerdem stehen achtstrahlige US -amerikanische Bomber des Typs B 52 bereit. In Büchel werden übrigens die meisten amerikanischen Atomsprengköpfe gelagert. Dies soll den Europäern und namentlich der deutschen Bevölkerung das Gefühl von Sicherheit vermitteln.
Als deutsche Chefdiplomatin lässt Frau Baerbock sich nicht lumpen und stellt Steuermilliarden in Aussicht. Geld, das sie nicht erarbeitet hat,was auch für andere Ministerien gilt.
Bedauerlicherweise rückten russische Truppen seit Monaten in der Ukraine stetig vor. Aber das werde nicht so bleiben. Die Ukraine müsse diesen Krieg gewinnen. "Wir haben einen langen Atem", lässt die Ministerin wissen und ist wohl immer noch überzeugt, ihr Tun sei "demokratisch legitimiert". Bis zur nächsten Bundestagswahl ist sie wohl nicht auszubremsen. Unsere Verfassung (eine repräsentative Demokratie) will es so.
Die deutsche Russlandpolitik kennt zur Zeit nur Extreme. Entweder werden uns Putins Kriegsverbrechen vor Augen geführt. Oder russische Signale, die Verhandlungsbereitschaft erkennen lassen, werden verworfen. Sie seien nur taktischer Natur und nicht ernst gemeint. Auf derartige Friedensschalmeien dürfe der Westen nicht hereinfallen. Der russische Diktator sei an Verhandlungen gar nicht interessiert. Und der Ukrainekrieg sei bloß der Anfang vom Ende des Westens. Putin habe bereits die nächsten Opfer seines imperialistischen Dranges im Visier. Schon die Vereinbarungen von Istanbul im März und April 2022 seien nicht seriös gewesen.
Seltsamerweise finden Thesen und Stellungnahmen, die von der üblichen, in der Regel regierungsfreundlichen, gleichsam offiziellen Richtung abweichen, in den Medien kaum Berücksichtigung. Der politisch Interessierte muss schon auf die Suche gehen. Dann aber wird er fündig und hört, was Gabriele Krone-Schmalz, Harald Kujat, Ulrike Guerot, Patrik Baab und andere zu sagen haben. Häufig auf YouTube. Und es gibt sie noch, mutige Interviewer und Journalisten, die nicht in erster Linie darauf bedacht sind, Stromlinienförmiges zu bieten. So nahm sich zum Beispiel Philip Hopf die Zeit, ein langes Interview mit Harald Kujat zu führen, der kürzlich auch auf Weltwoche Daily zu hören war und sich mit den Worten bedankte: "Sie hören mir ja zu " Was wohl keine Selbstverständlichkeit mehr ist.
Sonntag, 19. Mai 2024 - 22:29 Uhr
"Ohne Sicherheit ist alles andere nichts."
Diese steile These mutete Bundeskanzler Olaf Scholz der deutschen Bevölkerung im Februar bei der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz zu. Aufgemerkt denn also! "Traun fürwahr!" Ungesagt bleibt freilich, worauf sich die deutsche Bevölkerung konkret einzustellen hat. An welchen Abschnitten der langen NATO-Ostflanke wird der russische Angriff erwartet? Mit welcher Truppenstärke haben wir zu rechnen? Wir schlichten Gemüter möchten doch wissen, wann und wo wir unsere Koffer packen müssen und in welche Richtungen wir uns in Sicherheit bringen können.
Wer eigentlich hat ein Interesse daran, unsere Ängste vor einem Überfall aus dem Osten anzufachen und zu schüren? Wir leisten doch bereits eine ganze Menge und nehmen in Kauf, dass ein russischer Vorstoß in allererster Linie von Streitkräften der Bundeswehr aufgefangen und aufgehalten werden soll - fern der Heimat, aber mitsamt den Familien. Wenn das kein Trost ist, freilich ein kostspieliger, zumindest für deutsche Steuerzahler und Steuerzahlerinnen. Wie ist es zu erklären, dass die Deutschen ständig mit dem Bewusstsein bzw. mit dem Gefühl herumlaufen sollen, der ganzen Welt etwas schuldig zu sein? Freilich haben wir im 20. Jahrhundert viel Unheil angerichtet. Aber es gibt auch Staaten, unter ihnen NATO-Mitglieder, die selbst nach dem Zweiten Weltkrieg nicht von der üblen Gewohnheit ablassen mochten, verlustreiche Kriege zu führen. Auch die Schaffung der Vereinten Nationen, hat das nicht verhindern können.
Zur Zeit wird zwischen den Ampel-Parteien ein Streit um den Bundeshaushalt für das Jahr 2025 ausgetragen. Verteidigungsminister Boris Pistorius wehrt sich dagegen, dass die "Schuldenbremse" auch auf seinen Etat Anwendung findet. Er will sich partout nicht einschränken müssen - Sondervermögen hin, Sondervermögen her. Sicherheit geht vor! Wenn auch nicht unbedingt die Sicherheit Deutschlands. Die baltischen Zwergrepubliken wollen sich auch in Sicherheit wiegen können - vor einer bald zu erwartenden russischen Offensive.
Am Rande Europas, im Kaukasus, droht erneutes Ungemach. Das Parlament Georgiens hat ein Gesetz verabschiedet, das den Einfluss vom Westen unterstützter Organisationen beschneiden soll. Das kann Europa nicht zulassen. Darin sind Scholz und Macron sich einig. Einmischung ist erbeten. Vielleicht können EU und NATO ihren Einfluss geltend machen. Nach dem Krieg in der Ukraine ein neues europäisches Desaster?
Ziemlich dummdreist wird häufig behauptet, es sei aussichts- und zwecklos, Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen mit Putin anzustreben und in die Wege zu leiten. Ist das jemals versucht oder ausgelotet worden? Ohne ideologische Scheuklappen und windige Vorbehalte? Es darf doch nicht dazu kommen, dass die Ukraine durch russische Geländegewinne in eine Situation gerät, in der sie sich zu einer bedingungslosen Kapitulation gezwungen sieht.
Das menschliche Bedürfnis nach Sicherheit lässt sich übrigens vortrefflich Geld machen. Schwer überschaubar ist die Fülle von Versicherungskonzernen. Es gibt kaum etwas, wogegen bzw. wofür man sich nicht versichern kann. Die Geschäfte blühen. Versicherungskonzerne können sich ihrerseits gegen Verluste versichern. In Branchenkreisen spricht man von "Rückversicherung". Sicherheit wirkt zweifellos beruhigend, kann aber auch zu Sorglosigkeit und Leichtsinn führen.
Samstag, 18. Mai 2024 - 18:41 Uhr
"Reine Luft zwischen uns!"
Selbstbetrachtungen haben bei Leuten, die es nicht lassen mochten, über ihr Handeln nachzudenken, eine lange Tradition. Der römische Kaiser Marcus Aurelius fasste seine Reflexionen unter dem Titel "Ta eis heauton" zusammen. Der Schriftsteller Christian Morgenstern hinterließ der Nachwelt das Kompendium "In me ipsum". Hierin heißt es zum Jahr 1905: "Ich kann ungeklärte Verhältnisse einfach nicht ertragen. Warum können die Menschen nicht offen gegeneinander sein? Reine Luft zwischen uns!" Auch der zweite sozialdemokratische Bundeskanzler Helmut Schmidt machte sich seine Gedanken und verbarg sie nicht vor uns.
"Ungeklärte Verhältnisse" haben auch in unseren Tagen keinen Seltenheitswert. Der Bildung und Förderung von Vertrauen dient das nicht. Skeptisch und misstrauisch beobachten wir die Entwicklung in der Ukraine. Und die uns Regierenden lassen uns im Stich und auf dem Misthaufen von Ungewissheit sitzen. Eines muss unbedingt klargestellt werden: Der brutale, verheerende Krieg Russlands gegen die Ukraine ist nicht unser Krieg, und das muss auch so bleiben. Noch herrscht leider ein Ungleichgewicht zwischen den Kräften, die an der Fortsetzung der Kampfhandlungen interessiert sind, und denen, die auf einen Waffenstillstand drängen, weil keiner der Gegner diesen Krieg gewinnen wird. Und Deutschland droht die Gefahr, immer tiefer in den Konflikt hineingezogen zu werden. Das muss aufhören. Ich will wissen, auf welchen Seewegen und Wasserstraßen die mehr als 1000 Tonnen Kriegsgerät vom deutschen Ostseehafen Rostock nach Rumänien verfrachtet werden sollen, und was mit diesem Material vor Ort angerichtet werden soll. Wenn auch nur eine Rakete, eine Drohne oder ein Marschflugkörper von einem NATO-Staat aus nach Russland abgefeuert wird, wenn also weder ein Verteidigungs- noch ein Bündnisfall vorliegt, werde ich alles mir Mögliche unternehmen, um der Bundesregierung, insbesondere dem Bundeskanzler und seinem Verteidigungsminister, in die Arme zu fallen und sie zur Rechenschaft ziehen. Meine SPD-Mitgliedschaft hätte sich dann sowieso erledigt.
Wenn der US-amerikanische Außenminister Blinken meint, der Ukraine damit zu helfen, dass er in Kiew zur Gitarre greift, ist das seine Sache, deutschen Politikern und Politikerinnen jedoch nicht zur Nachahmung zu empfehlen. Derartige Mätzchen taugen nicht als Ersatz für ernsthafte Bemühungen, den entsetzlichen Krieg zu beenden. - Ebenso macht es keinen Sinn, Konferenzen einzuberufen, die sich mit dem Wiederaufbau der Ukraine befassen, wenn nicht zuvor Krieg und Zerstörung eingestellt werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat vor geraumer Zeit hinter dem Aufstieg rechtsextremer Parteien, in Deutschland also der AfD, "schlechte Laune" vermutet. Es ist dem Regierungschef zu wünschen, dass er auf anderen politischen Feldern kompetenter zu urteilen vermag. Die SPD wird im nächsten halben Jahr ihr blaues Wunder erleben, wenn sie prioritär darauf setzt, sich an der AfD abzuarbeiten. Es ist mehr als kurzsichtig, sich daran zu ergötzen, dass Kandidaten dieser Partei (Petr Bystron, Maximilian Krah) vom Verfassungsschutz als "Verdachtsfälle" beobachtet werden und deren Immunität aufgehoben wird. Da ist anderes erforderlich. Immerhin gab es Zeiten, in denen die SPD die Nase vorn hatte bei der Bewältigung drängender Fragen der Zeit. Beispiele: das Frauenwahlrecht, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Überwindung der deutschen Teilung.
Montag, 13. Mai 2024 - 13:24 Uhr
Nicht immer liegt die Würze in der Kürze
Nach seiner USA-Reise bewältigt Boris Pistorius seinen nächsten Termin. Auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes Tempelhof erinnert er an das Ende der Luftbrücke vor 75 Jahren (12.5:1949). Überschwänglich dankt er den westlichen Siegermächten dafür, die bedrängten Westberliner über drei Luftkorridore mit dem Notwendigen versorgt zu haben. Im Stundentakt hätten "Rosinenbomber" Heizmaterial und Lebensmittel gebracht und so das Überleben der drei westlichen Sektoren gesichert. Vor Beginn der ersten Berlin-Krise hätten "sowjetische Truppen" alle Land- und Wasserwege gesperrt. Mir ist allerdings nicht bekannt, dass die Westalliierten jemals die Probe aufs Exempel gemacht und durch die Sowjetische Besatzungszone nach Berlin vorzudringen versucht hätten. Gern wird auch verschwiegen, dass die Währungsreform (Juni 1948, Einführung der D-Mark) auch auf die drei Westsektoren Berlins ausgeweitet wurde. Warum der US-amerikanische Militärgouverneur Lucius Clay auf seine Ablösung drängte , bleibt ebenso im Dunklen. Auffällig ist hingegen, dass sich die Berlin-Blockade vortrefflich für Propagandazwecke nutzen ließ. Eindrucksvoller konnte die sowjetrussische Unmenschlichkeit nicht demonstriert werden. Berlins Bürgermeister appellierte: "Völker der Welt, schaut auf diese Stadt!" Der Kalte Krieg begann auf Hochtouren zu laufen. - Dann endlich lässt der deutsche Verteidigungsminister die Katze aus dem Sack und spricht den eigentlichen Zweck seines Besuches an. Die Dankbarkeit der Deutschen gegenüber den westlichen Besatzungsmächten müsse gegenwärtig ihre Fortsetzung finden in einer großzügigen Unterstützung der Ukraine - gleichsam als Gegenleistung für das, was die Westmächte, vor allem die Vereinigten Staaten, uns dereinst selbstlos geschenkt hätten. Knauserigkeit und erst recht Kriegsmüdigkeit seien da völlig fehl am Platze. Apropos: Kürzlich ist in Rostock ein Patriot-Flugabwehrsystem verschifft worden, und zwar in Richtung Finnland. Wie aber soll das Gerät, eigentlich für Kiew bestimmt, von Finnland in die Ukraine gebracht werden? Oder ist daran gedacht, von finnischem Boden aus russische Raketen bzw. Drohnen abzuschießen? Oder eventuell auch daran, von der Beteiligung bzw. Rolle Deutschlands abzulenken? Ist überdies denkbar, dass auch der TAURUS auf dem Umweg über Helsinki in die Ukraine gelangen könnte?
Der Umgang mit unserer Historie, wie Boris Pistorius ihn pflegt, wenn er von Berlin-Blockade und Luftbrücke redet, läuft auf Geschichtsklitterung hinaus und ist leider kein Einzelfall. Komplexe historische Prozesse dienen als Steinbruch, aus dem passende Brocken herausgehauen und für Propagandazwecke zurechtgemeißelt werden. Dabei wird auch nach Kräften verkürzt oder gestreckt. Der Verteidigungsminister verliert kein Wort über die nach 1845 lange Jahre ungelöste Deutsche Frage. Erlaubt sei noch der Hinweis auf auf ein anderes Detail. Warum ergreift am 12. Mai 2024 ausgerechnet der deutsche Verteidigungsminister das Wort? Will er uns auch aus diesem Anlass "kriegstüchtig" machen?
Pistorius ist zur Zeit nicht das einzige Regierungsmitglied, das in Sachen Ukraine agiert. Entwicklungsministerin Svenja Schulze ist in ähnlicher Mission unterwegs. Das Motto ihrer Reise in die Ukraine: "Elektriker und Ärzte sind ebenso wichtig wie Panzer." Müssen deutsche Politiker sich neuerdings entschuldigen, wenn sie keine Waffen im Reisegepäck mit sich führen? Sondern nur die unbedingt erforderliche zivile Hilfe? In der westlichen Ukraine besucht Schulze eine "Prothesenwerkstatt". Sie mag den 2. Absatz von Artikel 2 des Grundgesetzes im Sinn gehabt haben: "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit." Prothesen sind allerdings nur ein kläglicher Ersatz und werden nur entbehrlich oder überflüssig, wenn die Kriegshandlungen beendet werden. Die 50 Millionen Euro, die Svenja Schulze in Kiew zurücklässt, machen nur dann Sinn, wenn sie nicht nur für die Herstellung künstlicher Gliedmaßen verwendet werden.
Am 10 Mai wurde der russische Dissident Alexej Nawalny posthum mit dem Dresdener Friedenspreis geehrt. Diese Auszeichnung wird seit 2010 jährlich verliehen und soll an die Bombardierung Dresdens im Februar 1945 erinnern. Flugzeuge der sowjetischen Luftwaffe waren meines Wissens daran nicht beteiligt. Dass nun Nawalny nachträglich zu den Preisträgern zählt, muss auf einem Missverständnis beruhen. Nawalny war kein Pazifist, hat Wladimir Putin und dessen Herrschaftsapparat niemals in Ruhe gelassen, ohne Rücksicht auf Gesundheit und Leben. Entschieden hätte er sich gegen einen solchen "faulen Frieden" gewehrt. Einen Friedensengel namens Alexej Nawalny wäre dem russischen Diktator niemals gefährlich geworden. Ihn hätte Putin nicht einzukerkern und in Straflagern dahinsiechen zu lassen brauchen.
Die Vergabe von Friedenspreisen muss dringend und unbedingt damit verknüpft sein, dass die Ausgezeichneten ihr Lebenswerk in den Dienst am Frieden stellen bzw. gestellt haben. Sonst droht Inflation.
Wir leben in einer verrückten Welt, und das auf unsere alten Tage. Trotzdem lassen wir uns nicht eintrichtern, Krieg sei etwas Alltägliches.
Freitag, 10. Mai 2024 - 18:19 Uhr
Woher nehmen und nicht stehlen?!?
Am 6.oder 7. Mai machte Bundeskanzler Olaf Scholz drei baltischen Betschwestern seine Aufwartung. Wie schon vor Monaten sein Verteidigungsminister Pistorius sicherte nun auch der Regierungschef deutsche Unterstützung zu, und zwar in Form der dauerhaften Stationierung einer fünftausendköpfigen Bundeswehrbrigade nahe der Grenze zu Russland, dem latent aggressiven Nachbarn. Aufrechten Ganges schreitet Kanzler Scholz aus einem Radpanzer hervor und nimmt Kurs auf die Gastgeber. Die Bundesrepublik will sich die Abschreckungs-maßnahme ca. 10 Milliarden Euro kosten lassen. Zunächst bleibt unklar, woher das Geld genommen werden soll, aus dem deutschen Verteidigungsetat oder aus dem NATO-Topf. Das Schweigen hierzu hat ein gewisse Tradition. In Adenauerzeiten nannte man so etwas "Reptilienfonds". Die Ministerpräsidentinnen von Estland, Lettland und Litauen zeigen sich dankbar und gerührt, lassen aber auch wissen, dass sie das Vorhaben als überfällig und verpflichtend sähen - nicht zuletzt wegen der Deutschland zugeschriebenen "Führungsrolle".
Zur Zeit weilt Boris Pistorius in den USA, kaufte dort fast wie selbstverständlich Rüstungsmaterial ein zu einem lumpigen fünfstelligen Betrag in $ oder Euro. Natürlich erwartet man im Pentagon ein wenig mehr. Mit einigem Stolz weist Boris Pistorius darauf hin, dass die Bundesrepublik im laufenden Jahr ihr 2%-Ziel, wie 2002 auf einem NATO-Gipfel vereinbart, erreichen werde. Die deutschen Verteidigungsausgaben würden jedoch darüber hinausgehen. Die deutsche Finanzkraft sei bei Weitem noch nicht erschöpft. Wofür, zum Kuckuck noch einmal, füttern die Deutschen so viele Dukatenscheißer durch? Er, Pistorius, werde sich dafür einsetzen, dass bezüglich der Verteidigungsausgaben die "Schuldenbremse" nicht greifen werde. Der Widerstand des Finanzministers sei zu brechen. In Gesprächen mit einem demokratischen und einem republikanischen Senator sei Überzeugungsarbeit geleistet worden. Beiden Parteien sei die bundesrepublikanische Gefolgschaft zugesichert worden. Auf Deutschland sei Verlass, unabhängig vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen im November dieses Jahres.
Liebe Genossinnen und Genossen! Wenn ihr wüsstet, wie mich das alles ankotzt. Diese Kraftmeierei, diese Großmannssucht, dieses Großmachtgetue, dieser imperiale Gestus bei gleichzeitiger Anhäufung von Inkompetenz. Die Außenministerin reist in den Raum des Südpazifiks, verspricht den Bewohnern der Fidschi-Inseln deutsche Hilfe für den Fall, dass der Anstieg des Meerwasserspiegels die Überflutung ihres Wohnraums nach sich zieht. In Deutschland hingegen verhindert der zuständige Minister, dass auch im Bereich des Straßenverkehrs die Klimaziele einzuhalten sind. Volker Wissing redet vom "Klima Bla-Bla" und droht den Deutschen mit Wochenendfahrverboten. Neue Autobahnen sollen gebaut werden, ohne Rücksicht auf die Umwelt. Dass in Deutschland zahlreiche Autobahnbrücken renoviert oder repariert werden müssen, ist weniger wichtig.
Abschließend sei noch auf die Mängel im deutschen Bildungswesen verwiesen. Dieses Problem hat sich zu gedulden, ist nicht prioritär. Denn: "Ohne Sicherheit ist alles (andere) nichts." Wenn es in deutschen Klassenzimmern durchregnet, können Jugendliche wenigstens davor sicher sein, dass ihre schadhaften Gebäude von feindlichen Truppen überrannt werden.
Donnerstag, 9. Mai 2024 - 15:20 Uhr
Sachfremde Gefühligkeit im Ersten Deutschen Fernsehen
Allmählich reicht es! Das Maß ist voll. Am 7. Mai wird uns in der Tagesschau ein Israeli vorgestellt, der Schlimmes erlebt hat. Am 7.10.2023 wurde er von Hamas-Leuten in den Norden des Gaza-Streifens verschleppt und eingekerkert. Er musste Folter über sich ergehen lassen, erlitt Todesängste, wurde nach Monaten von israelischen Soldaten befreit und konnte nun von seinen Qualen berichten. Das Fernsehpublikum durfte auch mit ansehen, dass der Mann in Tränen ausbrach. Seine Leiden sollen hier wahrhaftig nicht in Abrede gestellt werden, verdienen durchaus Aufmerksamkeit und Mitgefühl. Aber warum ist keinem Fernsehjournalisten eingefallen, ähnliche Schicksale von Palästinensern zu dokumentieren? Wo bleiben in solchen Fällen Objektivität und Gerechtigkeitsgefühl? Unmittelbar danach folgte ein Bericht über den "Marsch der Lebenden" auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Ohne Zweifel eindrucksvoll, auch wenn mit keiner Silbe davon die Rede war, wer die Überlebenden befreite. Zur Zeit schickt es sich eben nicht, an gute Taten russischer Menschen zu erinnern.
Am folgenden Tag, dem 8. Mai, fand die erbärmliche Berichterstattung ihre Fortsetzung. Weitschweifig wurde uns mitgeteilt, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer das Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr wie bisher üblich am 9. Mai feiern, zusammen mit den Russinnen und Russen, sondern einen Tag früher, um die Gemeinsamkeiten mit dem Westen zu unterstreichen, gegen Russland. ARD-Journalist Vassili Golod, russisch-ukrainischer Herkunft, als Zweijähriger 1995 mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen, stellt dem Fernsehpublikum eine über neunzigjährige Ukrainerin mit ihrem Urenkelkind vor. Ihr ist noch das deutsche Bombardement aus den Tagen Nazi-Deutschlands gegenwärtig, und zur Zeit muss sie erneut Krieg erleben. Wem geht das nicht nahe? Aber selbst deutsche Tränendrüsen sind nicht grenzenlos belastbar. Dass auch Russen und Russinnen im Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren, tut momentan nichts zur Sache, sind doch die Nachbarn im Nordosten der Ukraine seit Februar 2022 rücksichts- und skrupellose Angreifer. Ob die ukrainische Greisin im dritten Kriegsjahr Trost darin finden kann, dass ihr Heimatland sich mit Hilfe westlicher Waffenlieferungen zu behaupten vermag, darf bezweifelt werden. Wenn der Westen an seinem Kurs festhält und in allererster Linie auf eine militärische Lösung des Konflikts setzt, ist es wahrscheinlicher, dass die Ukrainerin das Kriegsende nicht mehr erlebt.
Nach der Gründung der Bundesrepublik gab es Zeiten, in denen wir uns auf eine sachbezogene, objektive Unterrichtung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verlassen konnten. Dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer war das ein Dorn im Auge. Die Sendungen waren ihm zu kritisch, weshalb er auf eine Konkurrenz zum Ersten sann. Nach einem jahrelangen Hickhack erwuchs daraus das Zweite Deutsche Fernsehen, das ZDF. Zunächst schien die Rechnung aufzugehen. Inzwischen hat das Erste jedoch sein Programm grundlegend verändert und ist zu einem Medium geworden, das vor allem Unterhaltung bietet und den Regierenden nicht mehr gefährlich werden kann. Vermutlich geht diese Entwicklung auch auf das Konto der neuen Programmdirektorin Christine Strobl, einer "Medienunternehmerin" stramm christdemokratischer Prägung. Dem Vernehmen nach gibt es Bestrebungen, alle Öffentlich-Rechtlich zu einem Eintopf zusammenzurühren, der sich von den Privaten nur noch dadurch unterschiede, dass er gebührenfinanziert wäre. Man darf gespannt sein.
Montag, 6. Mai 2024 - 11:27 Uhr
Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen?
"Der Geist ist aus der Flasche." So oder ähnlich kommentierte Bundeskanzler Scholz das Erstarken der AfD und meinte damit vermutlich nicht die Geisterstunde nach Mitternacht oder den Heiligen Geist. An anderer Stelle sah er die Ursache für den Aufstieg der (extrem) rechten Parteien in der "schlechten Laune" der Wählerinnen und Wähler. Dieses Phänomen sei international zu beobachten. Wer jedoch auf ähnliche Entwicklungen in anderen Staaten wie Frankreich und Italien verweist, drückt sich vor der Aufgabe, die spezifisch deutschen Gegebenheiten zu erfragen und zu benennen. Im laufenden Jahr stehen Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg an. Umfragen ergeben, dass in den Köpfen vieler unserer ostdeutschen Landsleute die Migration an erster Stelle steht. Spätestens seit 2015 macht die SPD einen großen Bogen um dieses Problem, was sich auch darin niederschlägt, dass ihre Zustimmungswerte vielerorts unter 10 % liegen und sie als Koalitionspartner immer weniger gefragt ist. Ob die SPD auch den nächsten brandenburgischen Ministerpräsidenten stellen wird, ist mehr als fraglich.
Glückloserweise gab Saskia Esken am 3. Mai einem österreichischem Nachrichtenportal ein Interview, in dem sie gefragt wurde: "Vergleichen Sie die AfD mit Goebbels?" Ohne zu zögern, antwortete die SPD-Co-Vorsitzende: "Ja." Zunächst hätte geklärt werden müssen, was "vergleichen" bedeutet. Dabei können Gemeinsamkeiten, Schnittmengen und Unterschiede festgestellt werden. Für Frau Esken heißt "vergleichen" ausschließlich "gleichsetzen". Sie nennt die AfD eine "Nazi-Partei" und gibt damit zu erkennen, dass sie weder den Nationalsozialismus noch die AfD hinreichend kennt.
Weder Geisterbeschwörung noch die Verwechslung von NSDAP und AfD können der SPD dabei helfen, aus dem Umfragetief herauszukommen und eine gewichtige politische Kraft zu bleiben. Der SPD-Generalsekretär ruft im Verlaufe einer SPD-Veranstaltung am letzten Aprilwochenende AfD-Anhängern das russische "Guten Tag" zu, um der AfD vorzuhalten, sie arbeite dem russischen Diktator in die Hände. Was geht da eigentlich in der SPD vor? "Russlandnähe" - was immer das heißen mag - macht schon verdächtig. Ist die deutsche Sozialdemokratie so phantasie- und empathielos geworden, dass sie nicht zu begreifen vermag dass die russische Föderation die Osterweiterung der NATO als Bedrohung ihrer Sicherheitsinteressen verstand? In den USA gab und gibt es kluge Leute, die vorausgesehen haben, welche Entwicklung das in Russland auslösen würde. In Deutschland blieb ein entsprechendes Problembewusstsein aus. Die Zahl derjenigen, die zur Besonnenheit mahnen, ist überschaubar (Beispiele: Gabriele Krone-Schmalz, deren erstklassigem Vortrag wir am 20. April in Berlin zuhören konnten; Harald Kujat, der nicht müde wird, Politiker an ihre Verantwortung zu erinnern). Die Bundesrepublik beteiligte sich an Sanktionen gegen Russland, machte mit, als Russland aus dem Kreis der G 8 - Staaten ausgeschlossen wurde (2014). Die Münchner Sicherheitskonferenz entartete zu einem Forum, das Sicherheit durch Unsicherheit ersetzte und in Singapur ein Pendant fand. 2023 reiste Boris Pistorius dorthin. Und auch ein hoher Offizier der deutschen Luftwaffe schaute vorbei und führte von seinem Luxushotelzimmer aus das Aufsehen erregende Telefonat zu Einsatzmöglichkeiten von TAURUS im russisch-ukrainischen Krieg. Wenn die SPD ihren Trip in der Auseinandersetzung mit der AfD und Russland fortsetzt, wird ihr das schwer auf die Füße fallen. Auch Saskia Esken will in dem besagten Interview mit dem Journalisten Arnim Wolf ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD nicht ausschließen. Beiden kann ein größerer Gefallen kaum getan werden. Wohl bekomm´s!
Im Februar dieses Jahres kündigte Ursula von der Leyen in München an, im Falle ihrer Wiederwahl zur Kommissionspräsidentin einen Verteidigungskommissar berufen zu wollen. Die bereits bestehende "Generaldirektion Verteidigungsindustrie und Weltraum " soll also weiter aufgebläht und von einem neuen Kommissar geleitet werden. Welche Aufgaben wird er übernehmen? Die Koordination von Produktion und Auslieferung tödlicher Waffensysteme? Gibt es davon nicht schon genug? Und welche Kosten fallen damit an? Und diesen Unfug wollt ihr, liebe Genossinnen und Genossen von der SPD, mittragen und verantworten? Ein weiteres bürokratisches Monster in Brüssel, das aus den Nähten zu platzen droht.