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Politik

Mein Blog

Donnerstag, 5. Januar 2023 - 16:45 Uhr
Warum macht die SPD es ihren Gegnern so leicht?

Warum fertigt Christine Lambrecht in der Sylvesternacht ein Video und stellt es über Instagram ins Netz? Geht vom "Posten" zwecks Eigenlobs ein so unwiderstehlicher Reiz aus? Ist es so schwierig, ausnahmsweise einmal an sich und den Mund zu halten, um Peinlichkeiten zu vermeiden? Gibt es zum Jahreswechsel nicht bereits genug Verlautbarungen und Appelle? Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht wenigstens eine Politpfeife das Wort ergreift und die Luft verpestet - vorzugsweise über "social medias" wie "facebook", "twitter", "instagram" "what´s app" etc. Milliardäre wie Mark Zuckerberg und Konsorten freuen sich natürlich darüber.
Warum rennen SPD-Politiker dem US-amerikanischen Multimilliardär Elon Musk die Bude ein? Warum eilen Dietmar Woidke und Olaf Scholz nach Grünheide, um Elon Musk als den Erschaffer neuer Arbeitsplätze zu feiern? Die Tesla-Fabrik benötigt viel Wasser. Daran scheint es in Brandenburg nicht zu mangeln - auch wenn der Grundwasserspiegel sinkt. Dass für den Bau der Fabrik zahlreiche Bäume gefällt werden, ist offenbar leicht zu verschmerzen.
Sozialdemokratische Politiker und Politikerinnen hinterlassen gern und reichlich ihren CO2-Fußabdruck in der Atmosphäre. Wozu gibt es auch für die Prominenz die Flugbereitschaft? Zu den Trauerfeierlichkeiten für den Papst fliegen sie zu dritt nach Rom. Dabei entstehen auch Kondensstreifen, unzählige , Eiskristalle, die Licht- und Wärmestrahlen, die von den Ozeanen ins All reflektiert werden sollten, auf die Erde zurück gespiegelt werden und die Erderwärmung beschleunigen. Hat sich die deutsche Politikerkaste tatsächlich so weit entfernt von dem, wofür sie einmal angetreten ist?
Laut ZDF-Politbarometer verfügt die Ampel zur Zeit nicht über eine Mehrheit bei den Wählerinnen und Wählern. Die Grünen und die FDP gehen auf Distanz zu Olaf Scholz, kritisieren dessen Zögerlichkeit und verlangen "Führung" vom Kanzler. Marie Agnes Strack-Zimmermann freut sich darüber, dass Olaf Scholz endlich "sein Herz über den Zaun geworfen hat" (den Sammlern von Stilblüten schlägt da das Herz höher), also die Lieferung von Panzern an die Ukraine verspricht. Ähnliches ist von Anton Hofreiter zu hören. Die Kursänderung des Kanzlers komme allerdings viel zu spät. Warum posiert der grüne Anton nicht als Kühlerfigur auf einem Leopard 2 bei der Fahrt in die Ukraine?
Als SPD-Mitglied kann ich angesichts solcher Artigkeiten nur sagen: "Prost Neujahr!"

Freitag, 30. Dezember 2022 - 16:46 Uhr
"Vom sichern Port lässt sich´s gemächlich raten."

Diese beherzigenswerten Worte legt Friedrich Schiller in seinem "Wilhelm Tell" dem Fischer Ruodi in den Mund. Dieser Maxime folgt auch Jens Stoltenberg, der NATO-Oberpriester aus Norwegen. Bei dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine meidet er geflissentlich die unmittelbare Feindberührung ("Der Held bleibt den Kämpfen fern." , Ingeborg Bachmann.) Er weiß aber, dass der Friede nur durch vermehrte Waffenlieferungen an die Ukraine erreicht werden könne. Paradox, aber zwingend logisch. Tja, der Friede. Er brächte viele Offizielle in arge Verlegenheit, entfiele mit ihm ein wichtiger Grund für ihr unseliges Gequatsche und Getue.. Wenn im Jahre 2023 der Ort Lützerath plattgemacht wird und an Stelle des Dorfes ein riesiges Loch ausgebaggert wird, um an die Braunkohle heranzukommen ,ist daran natürlich Wladimir Putin schuld. Auch wenn die Raffinerie Schwedt Not leidet und vom Erdölnachschub abgeschnitten zu werden droht, werden keine Kosten gescheut, um den Weiterbetrieb zu sichern - ganz egal, , woher das Rohöl stammt, nur direkt aus Russland darf es nicht geliefert werden. Da ist die Rede von Importen aus Kasachstan. Zwar können solche Lieferungen nur durch russische Pipelines erfolgen, doch das ist hinnehmbar, sprudelt das schwarze Gold doch nicht aus russischen Bohrlöchern.
Auch dafür, dass die Nahrungsmittelpreise weltweit in die Höhe schnellen, ist selbstverständlich der russische Präsident verantwortlich. Dass somit auch Chiquita-Bananen aus Mittelamerika teurer werden müssen, leuchtet unmittelbar ein.
Um die deutschen Wälder steht es schlecht. Gleichwohl wird es als notwendig erachtet, Bäume zu fällen. Schließlich wird Platz gebraucht für den Bau neuer Autobahnen. Groß ist freilich das Geschrei, wenn junge Leute Baumhäuser zimmern oder sich verkehrsfeindlich auf belebten Straßen festkleben, Dass der Staat seinen Verpflichtungen aus dem Grundgesetzartikel 20a nicht im geringsten nachkommt, ist nicht weiter von Belang. Unsere Demokratie ist wehrhaft und lässt die "Baustelle" in Lützerath mit einem umfänglichen Polizeiaufgebot weiträumig vor dem Ansturm aufmüpfiger Jugendlicher schützen. Die Eindringlinge müssen beschäftigt werden, sonst könnten sie darauf verfallen, der Frage nachzugehen, wer für die enormen Schulden /Sondervermögen, Doppelwumms, round about 300 Milliarden Euro) aufkommen soll. In dem "allgemeinen Gewurschtel " unserer Tage (Friedrich Dürrenmatt) lassen sich Verantwortliche ohnehin nicht ermitteln - wie unter anderem das unrühmliche Ende der HSH-Nordbank zeigt.

Donnerstag, 8. Dezember 2022 - 17:31 Uhr
Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte

In der Ampel, die just ihr Einjähriges gefeiert und dabei nicht mit Eigenlob gespart hat, knirscht es deutlich hörbar. Freidemokraten dreschen unermüdlich auf Sozialdemokraten ein, Der Finanzminister verweigert der Verteidigungsministerin zusätzliche Mittel für die Beschaffung von Munition. Außerdem wird Christine Lambrecht Versagen bei der Abwicklung des F35-Projekts vorgeworfen. Der FDP-Mann Wolfgang Kubicki sagt dem SPD-Politiker Karl Lauterbach das baldige Ende seiner Dienstzeit als Gesundheitsminister voraus,. Über solche Zwistigkeiten können sich die Grünen nur freuen. Zwar gibt es zwischen ihnen und der FDP auch Konfliktstoff, was ihnen allerdings nicht schadet. Im Gegenteil: Im Unterschied zu den Freidemokraten die nach den Misserfolgen in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg um den Einzug in den nächsten Bundestag (2025) bangen müssen und daher profilneurotisch agieren,, können die Grünen bei den Umfragen zulegen.
Auch in der internationalen Sicherheits- und Rüstungspolitik gibt es lachende Dritte. Wie bereits in den 50er-Jahren, als der von Lockheed gebaute Starfighter gegen die europäische Konkurrenz (Frankreich mit der Mirage und England mit einem ähnlichen Kampfjet) das Rennen gewann, soll zur Zeit der europäische Tornado nicht durch ein von FCAS (Deutschland, Frankreich, Spanien) geplantes Kampfflugzeig, sondern durch den von Lockheed konstruierten Jet F35 abgelöst werden. Die europäischen Rüstungskonzerne Airbus und Dassault haben kostbare Zeit mit dem Streit um Zuständigkeiten verstreichen lassen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat offenbar schon eine Entscheidung zugunsten von Lockheed getroffen. Dem Vernehmen nach er Dutzende F35-Kampfjezs bestellt. Europa, das geopolitisch an Gewicht zunehmen soll, guckt dabei in die Röhre. Schade!

Samstag, 3. September 2022 - 15:23 Uhr
Annalena Baerbock und der Wählerwille

Wahrscheinlich hat Frau Baerbock als Abgeordnete des Deutschen Bundestags gesprochen, als sie bei einer Podiumsdiskussion in Prag äußerte, sie werde die Ukraine so lange wie nötig unterstützen, unabhängig davon, was ihre Wähler dazu meinten. Sicherlich: Wir leben in einer repräsentativen Demokratie, es gibt kein imperatives Mandat, die Mitglieder des Bundestages sind frei in ihren Debattenbeiträgen und Entscheidungen bei Abstimmungen, an Aufträge oder Weisungen nicht gebunden und nur "ihrem Gewissen unterworfen". Außerdem heißt es, sie seien "Vertreter des ganzen Volkes", also nicht nur ihrer Wählerschaft. Wie immer auch die Außenministerin ihr Mandat versteht und ihre Äußerungen verstanden wissen möchte: Ihr Statement zeugt insofern von politischer Dummheit, als es Folgendes nicht berücksichtigt: Die deutsche Unterstützung der Ukraine ist nur so lange sinnvoll, als sie von einem breiten Rückhalt in der Bevölkerung getragen wird. Wenn Frau Baerbock im September 2025 ihr Bundestagsmandat verliert, ist es für solche Erwägungen zu spät. Vermutlich freut sich die AfD über den hinzugewonnenen Sitz im Plenum.
Die Bundesregierung muss das ihr Mögliche tun, den Ukraine-Krieg in naher Zukunft zu beenden. Mit der wohlmeinenden, endlos fortgesetzten Lieferung von Waffen jeglicher Art ist dies nicht zu erreichen. An jedem neuen Kriegstag sterben Menschen. Gerade die Kämpfe um das AKW Saporischschja machen den ganzen Irrsinn dieses Krieges deutlich. Der Weltöffentlichkeit wird der Eindruck vermittelt, sie seien kriegsentscheidend. Dabei ist nicht einmal klar, wer hier schießt und was die Schießwütigen im Schilde führen. Eine Absicht zeichnet sich ab: Die gesamte Welt soll vor Russland zittern und sich auf die Seite der Ukraine schlagen. In Moskau wiederum zeigt sich die Kleinkariertheit der russischen Staatsführung. Dem letzten Präsidenten der Sowjetunion und Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow wird anlässlich seiner Beerdigung ein Staatsakt verweigert. Die abwegige Begründung: Gorbatschow habe den Zerfall der SU eingeleitet. Das Gegenteil ist der Fall. Er wollte die Sowjetunion reformieren und das von ihr retten, was noch lebensfähig war. Gegen diese Lüge kann sich der Verstorbene nicht mehr wehren. Dafür sorgt zuvörderst der Kriegsherr Wladimir Putin.

Freitag, 26. August 2022 - 16:41 Uhr
Der Kanzler turnt auf und in einem Panzer

Ist es mit uns Deutschen so weit gekommen, dass wir unser Bekenntnis zu schwerbewaffneter Wehrhaftigkeit immer wieder unter Beweis stellen müssen? Sind internationaler Druck und Zweifel an der Entschiedenheit Deutschlands, der Ukraine wirkungsvoll zur Seite zu stehen, so stark geworden, dass Deutsche auf Panzer, etwa des Typs Gepard, schwere Geschütze oder ähnliches Kriegsgerät klettern müssen, um der Weltöffentlichkeit zu demonstrieren, dass die Bundesrepublik genug für die Ukraine leistet? Völlig aus dem Blick gerät dabei, was getan werden kann und muss, um diesen entsetzlichen Krieg zu beenden. In der gegenwärtig bedrohlichen Weltlage brauchen wir keine Vorturner , sondern Vordenker, die zum Beispiel der Frage nachgehen, was zu geschehen hat, wenn die Ukraine sich anschickt, mit aus Deutschland gelieferten Waffen die Krim zurückzuerobern.
Descartes hält das Denken für den über allen Zweifel erhabenen Existenzbeweis ("Ich denke, also bin ich." . Ob Bertolt Brecht richtig liegt, wenn er seinen Galilei sagen lässt: "Das Denken gehört zu den größten Vergnügungen der menschlichen Rasse.", ob also das Denken lustbetont ist, sei dahingestellt. Wenn das Denken folgenlos bleibt, also nicht in Handeln umgesetzt wird, droht das, was Shakespeare in seinem "Hamlet" mit den Worten umschreibt: ":...von des Gedankens Blässe angekränkelt..." Wie dem auch sei: Denken und handeln gehören zusammen, bedingen einander.
Die Nachrichten der letzten Tage haben mich erschrecken lassen. Die Ukraine beging am 24. August den 31. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit, und ihr Präsident erklärte, das Ziel des Krieges sei nicht der Frieden, sondern der Sieg. Taktik oder bloßes Maulheldentum? Wie steht der Westen hierzu? Und worauf haben sich die Ukrainerinnen und Ukrainer in der nächsten Zeit einzustellen? Soll sich dieser furchtbare Krieg länger hinziehen als die beiden Weltkriege? Das wäre Wahnsinn und bar jeglicher Vernunft. "Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen!" rief Kant seinen Zeitgenossen zu. Nur dann haben die Regeln eines humanen Miteinanders eine Chance.
Als Zweiundachtzigjähriger habe ich einen dringenden Wunsch: Ich möchte noch das Ende dieses Krieges erleben, der so vielen Menschen Leid und Tod bringt. In solchem Elend noch einen Sinn zu sehen, bleibe denen vorbehalten, die in Kategorien denken wie Weltgeltung, Zugewinn und Sicherung von Macht, auch mit militärischen Mitteln, und für die dabei Menschenleben nicht zählen. Bescheidenheit war noch selten die Stärke von Potentaten. Philosophen auf dem Thron und in Chefsesseln gab es nur wenige. Zu den Ausnahmen gehören die römischen Kaiser Hadrian und Marc Aurel. Aber es gab auch Scharfmacher wie den älteren Cato, der seine Reden stets mit den Worten schloss: "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss." Ein Karthago, das Rom überhaupt nicht mehr gefährlich werden konnte. Und ein römischer Dichter entblödete sich nicht zu behaupten: "Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben."
Rücken wir ab von einer solchen Geisteshaltung. Verherrlichung von Krieg und Tod ist unsere Sache nicht. Ebenso verbietet es sich, mit Kriegsgerät so umzugehen, als sei es Spielzeug.

Samstag, 13. August 2022 - 16:51 Uhr
Die Angst des Westens vor dem Domino-Effekt

Nach den Erfahrungen des Korea-Kriegs und angesichts der heftigen Kämpfe um Dien Bien Phu (Indochina) kreierte der amerikanische Präsident Eisenhower 1954 die Domino-Theorie. Sie besagt, dass, wo immer auch eine Machtübernahme durch Kommunisten erfolge, dies eine Kettenreaktion auslösen und den Siegeszug des Kommunismus beflügeln werde mit dem Ziel einer kommunistischen Weltherrschaft. Dem musste ein Riegel vorgeschoben werden. Folgerichtig wurde im selben Jahr die SEATO gegründet. Aus ebendiesem Grund engagierten sich die USA militärisch in Vietnam. Der Domino-Theorie fiel u.a. der chilenische Präsident Salvador Allende zum Opfer. Dieser war überzeugter Sozialist, lehnte jedoch , anders als Fidel Castro - die Diktatur ab, setzte vielmehr auf die Demokratie. Doch solche feinen Unterschiede ließen die USA (Präsident Nixon und Henry Kissinger) nicht gelten. Hatte der kommunistische Umsturz auf Kuba (1958) nicht verhindert und auch nicht rückgängig gemacht werden können (gescheiterte Invasion in der Schweinebucht 1961), galt es jetzt aufzupassen und eine weitere Ausbreitung des Kommunistisch-sozialistischen Bazillus auf dem amerikanischen Kontinent abzuwenden. Auf Betreiben der Nixon-Administration wurde Allende 1973 durch einen Militärputsch gestürzt. Die Angst vor dem Kommunismus ist fest verwurzelt in der amerikanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts (Truman-Doktrin 1947; McCarthy-Ära 1947ff) und möglicherweise mit der Angst des Mannes vor der Kastration vergleichbar. Sie verfolgte den griechischen Göttervater Kronos. Dieser hatte seinen Vater Uranos entmannt, um die Herrschaft in der Götterwelt an sich reißen zu können. Ihn beseelte indessen die panische Furcht, ihm könne Gleiches widerfahren von einem seiner Kinder. Daher verschlang er diese unmittelbar nach ihrer Geburt. Als seine Frau Rhea ihm statt des neugeborenen Säuglings Zeus einen in Windeln gewickelten Findling reicht, bemerkt er den Betrug nicht und schluckt auch den Stein hinunter -- so blind macht ihn seine Angst. Die besagte Angst schränkt das Wahrnehmungsvermögen ein und führt zu Fehlschlüssen. Wer Stalin oder die gegenwärtigen Staatschefs von China und Nordkorea für Kommunisten hält, erliegt einer Täuschung. Die genannten Herren sind allenfalls fratzenhafte Zerrbilder dessen, was einen Kommunisten ausmacht.
Auch gegenwärtig macht de Angst vor dem Domino-Effekt in den Köpfen westlicher Staatenlenker die Runde. Folgende Überlegungen sind dabei denkbar: Wenn Deutschland auch künftig Erdas aus Russland importiert, kann Putin das als Schwäche des Westens bzw. als seinen Erfolg verstehen und ihn zur Fortsetzung seiner aggressiven Politik ermuntern. Schlimmer noch: Wenn die russischen Truppen den Ukraine-Krieg gewinnen, können weitere Schritte zur Wiederherstellung der alten Sowjetunion folgen, etwa im Baltikum. Ob diese Befürchtungen begründet sind, vermag ich nicht zu beurteilen. Dazu fehlt mir die notwendige Sachkenntnis. Diejenigen, die über gesicherte Informationen verfügen, kann ich nur bitten, ihr Wissen nicht für sich zu behalten, sondern es einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen, und zwar ohne propagandistische Beimischungen (bitte keine Nebelhörner!). Nur so ist ein unserer demokratischen Verfassung angemessenes Urteil möglich.

Mittwoch, 10. August 2022 - 15:24 Uhr
Wolodymyr Selenskyjs wahnwitziger Traum von einem Endsieg der Ukraine

Als schlichter Bürger der Bundesrepublik Deutschland erwarte ich von der Bundesregierung, dass sie sich mit den westlichen Verbündeten unverzüglich abstimmt und den ukrainischen Präsidenten zurückpfeift. Noch vor Kurzem hat Selenskyj erklärt, er strebe ein Kriegsende noch im Herbst dieses Jahres an, heute jedoch lässt er wissen, dass die Ukraine die Krim zurückerobern wolle. Wenn der Westen dabei Waffenhilfe leistet, kann der Krieg Jahre dauern und in einen Weltenbrand münden. Gibt es nicht schon genug Elend und Unfrieden in der Welt?
Ganz unabhängig davon, was sich gestern und heute auf der Krim zugetragen hat: Wenn das der Auftakt sein soll zu einer Offensive gegen die russischer Besatzer in der Ostukraine, droht höchste Gefahr. Der Erste Weltkrieg begann mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien, der Kriegserklärungen zwischen den fünf europäischen Großmächten folgten. Am Anfang des Zweiten Weltkriegs stand der deutsche Überfall auf Polen. Kaum absehbar sind die Konsequenzen, die sich ergäben, wenn sich das Kriegsgeschehen in Richtung Osten verlagerte und russisches Territorium erfasste. Wie würde sich dies auf die Haltung Putins gegenüber der NATO auswirken? Die westlichen Verbündeten betonen zwar, sie seien keine Kriegspartei. Doch wie lange hält ein solches offizielles Diktum, wenn der Westen die Ukraine weiterhin mit schweren Waffen unterstützt und diese auf russischem Gebiet eingesetzt würden? Fragen, die auf Antworten warten und dabei keinen Aufschub dulden. Es gilt, Maß zu halten. Viel wäre bereits gewonnen, wenn der russische Vormarsch aufgehalten und nicht auch noch Gebiete westlich des Donbass erfasste.

Dienstag, 9. August 2022 - 16:57 Uhr
Frieren für die Ukraine - eine patriotische Pflicht?

Noch ist es zu früh, darüber zu befinden, ob es ein gravierender Fehler war, die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 an die Bedingung zu knüpfen, dass Russland nicht die Ukraine angreift. Zum ersten Mal ist diese Bedingung ausdrücklich von Joe Biden formuliert worden bei dem letzten Besuch des deutschen Bundeskanzlers in Washington (Februar 2022). Nicht der amerikanische Präsident sitzt jetzt in der Falle, sondern die Bundesregierung, die sich noch abhängiger gemacht hat von russischen Gaslieferungen per Nord stream 1. Jetzt, da diese vertragswidrig reduziert wurden, ist guter Rat teuer. Die Suche nach alternativen Energiequellen ist in vollem Gange und verursacht zusätzliche Kosten. Sollte es im Herbst in der Bundesrepublik zu einer Zwangsbewirtschaftung des Gasverbrauchs kommen, wird sich in der Bevölkerung heftiger Widerstand regen. Welcher deutsche Haushalt wird sich schon vorschreiben lassen, welche Räume bis zu welcher Temperatur beheizt werden dürfen. Der absehbare Unmut bzw. Protest wird auch der Solidarität mit der Ukraine schaden.
All dies richtet sich nicht gegen vernünftige Appelle zum Energiesparen. Problematisch ist allerdings, dass sie festgemacht werden an dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, weniger mit notwendigen Maßnahmen zum Klimaschutz begründet werden. Unverzichtbar ist ein deutliches Wort des Kanzlers, der seiner SPD einen schlechten Dienst erweist, wenn er die Dinge einfach vor sich hintreiben lässt. Es fehlt zum Beispiel eine entschiedene Stellungnahme zu der Diskussion um die Laufzeitverlängerung für die letzten drei Atomkraftwerke.
Lange Zeit war die Bundesregierung darum bemüht, anderen Staaten zu erklären, dass und warum Deutschland auf Erdgasimporte aus Russland angewiesen ist - so wie Frankreich zugestanden wurde, neue Atomkraftwerke zu bauen. Gilt das alles nun nicht mehr? Ist es verwerflich, die Pipeline Nord Stream 2 in Betrieb gehen zu lassen, wenigstens für eine Übergangszeit? Lastet auf dem deutschen Volk so schwere Schuld, dass Deutschland sich des Vorwurfs nicht erwehren kann, es finanziere durch seine Gaseinfuhren aus Russland Putins brutalen Krieg gegen die Ukraine? Ein Mehr an Selbstbewusstsein könnte hier Abhilfe schaffen.
Mit großen Ärger beobachte ich, dass den russischen Autokraten Putin diese ganzen Querelen nicht anfechten - im Gegenteil: Es freut ihn, Tag für Tag zu sehen, wie die deutsche Position zunehmend schwächer wird.

Mittwoch, 3. August 2022 - 16:57 Uhr
"... und führe uns nicht in Versuchung..."

Schon diese Bitte der Christenheit an ihren Gott offenbart eine fundamentale Schwäche menschlichen Seins: die Neigung, sich einem höheren Wesen zu unterwerfen, diesem zu opfern, im Extremfall auch die eigene Existenz, Verantwortung abzugeben, auf eigenverantwortliches, selbständiges Denken zu verzichten und nicht selbst zu erkennen, dass und wann Versuchungen die Rechte von Mitmenschen verletzen, und dementsprechend zu handeln. Diese Schwäche ist ein gefundenes Fressen für staatlich organisierte und forcierte Propaganda und arbeitet offizieller Verdummung in die Hände. Was ist es anderes als dumm, wenn Chinesinnen und Chinesen sich von ihrer autokratischen Regierung einreden lassen, der Besuch Nancy Pelosis in Taipeh (Taiwan) verletze vitale Interessen der Volksrepublik, und sich darüber zu empören. Das Nazi-Regime sprach in solchen Fällen vom "gerechten Völkszorn" . Verfängt solcher Quatsch immer noch?
Wenigstens in der westlichen Welt sollten sich Reste der europäischen Aufklärung erhalten haben. Politische Vernunft ist gefragt. Auch die Bundesregierung zappelt in dem Gestrüpp eigener oder aufgezwungener Doktrinen. Ist es vernünftig, die Einhaltung von Sanktionen gegen Russland über die ausreichende Gasversorgung der Bundesbevölkerung zu stellen? Ist das eigene nationale Interesse so wenig wert? Gern wird von russischen Erpressungsversuchen gesprochen. Doch wie anders sind die Sanktionen seitens des Westens zu benennen? Und was hat dies alles noch mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu schaffen?
Bundeskanzler Olaf Scholz reist, um ein Beispiel zu nennen, nach Mühlheim, nimmt eine In Kanada gewartete Gasturbine, die nach Russland weitertransportiert werden soll, in Augenschein und betont, diese Turbine sei technisch einwandfrei, ausschließlich politische Motive stünden der Weitergabe an Gazprom im Wege. Russland wolle nur die Sanktionen unterlaufen. Glaubt denn irgendein politisch Verantwortlicher in Berlin, dieses bürokratische Geplänkel interessiere jemanden, der höhere Heizkosten auf sich zukommen sieht und auch andere Preissteigerungen zu verkraften hat? Es müssen pragmatische Lösungen her! Sonst könnte uns ein heißer Herbst bevorstehen. Olaf Scholz hat auf den sozialen Sprengstoff hingewiesen, der in der gegenwärtigen Entwicklung steckt. Wenn die westliche Welt weiterhin und ohne Gegenwehr dem monströsen Götzen des Weltmarktes mit seinen horrenden Energiepreisen huldigt, kann dies gefährlich werden für die Stabilität der westlichen Demokratien. Warum wehrt sich die FDP so vehement dagegen, "Übergewinne" großer Mineralölkonzerne wie BP oder Shell abzuschöpfen, um Härten der Inflation finanziell abzufedern? Weitere Faktoren könnten eskalierend wirken. Was würden etwa deutsche Steuerzahler dazu sagen, wenn die Ukraine Mittel aus dem Bundeshaushalt dafür verwendete, Gebiete in der Ostukraine von Russland zurückzuerobern?
So weh es tun mag: Die westliche Welt wird auf längere Sicht mit dem über Leichen gehenden Diktator Wladimir Putin leben und auskommen müssen. Sie sollte sich darauf konzentrieren, sich innerlich zu festigen. Die Europäische Union hat zum Beispiel genug damit zu tun. dem ungarischen Despoten Viktor Orban die Stirn zu bieten. Er sieht sich als Herrscher einer "illiberalen Demokratie" und gesellt sich derzeit in Texas zu den Anhängern des Ex-Präsidenten Donald Trump, der von seiner Rückkehr ins Weiße Haus träumt.

Samstag, 30. Juli 2022 - 16:38 Uhr
Die Suche nach Schuldigen - zum Vorteil Putins

Schon bald nach dem Regierungswechsel in Berlin (Dezember 2021) war Angela Merkels Schonzeit abgelaufen. Von verschiedenen Seiten erfolgten Schuldzuweisungen: Während ihrer sechzehnjährigen Kanzlerschaft sei sie zu nachsichtig mit Putin umgegangen, habe Nord Stream 2 zugelassen und damit Deutschlands Abhängigkeit von russischen Energieimporten gefördert, statt den Ausbau von erneuerbarer Energie voranzutreiben. Im Berliner Ensemble stellte Frau Merkel sich kritischen Fragen und wies die Vorwürfe zurück. Niemals habe sie etwas getan, was den russischen Präsidenten hätte dazu veranlassen können, die Ukraine anzugreifen.
Auch dafür, dass russische Truppen einen Großteil der Ostukraine besetzen konnten, wurden Schuldige gesucht und schnell gefunden. Vor allem der Bundeskanzler und seine SPD hätten Waffenlieferungen an die Ukraine viel zu lange verzögert. SPD-Politiker wie Rolf Mützenich und Ralf Stegner hätten sich dabei hervorgetan. Selbst der Koalitionspartner FDP macht sich solche Vorhaltungen zu eigen (Marie-Agnes Strack-Zimmermann). Wohl auch deshalb hat sich Olaf Scholz dafür stark gemacht, ein "Sondervermögen" von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr einzurichten.
Die eifrige Suche nach Schuldigen kann den russischen Präsidenten nur erfreuen und amüsieren. Putin treibt nicht nur die Bundesrepublik, sondern die Gesamtheit der westlichen Staaten - unablässig betonen diese ihre "Werte" und ihre Geschlossenheit - vor sich her wie einen aufgescheuchten Hühnerhaufen und sucht den Schulterschluss mit anderen Autokraten. Diese Entwicklung ist alles andere als geeignet, den Weltfriesen zu erhalten und zu stabilisieren. Es gibt wahrlich andere, drängendere Aufgaben, als die Blöcke der Groß- und Weltmächte hochzurüsten und dafür Unsummen zu verschwenden.
Der amerikanische Präsident Ronald Reagan bezeichnete einst die von Moskau regierte Sowjetunion als "Reich des Bösen". Sollte sich diese Einschätzung bewahrheiten? Jedenfalls handelt der russische Präsident nicht selten in diesem Sinne, zuletzt durch deb Krieg gegen die Ukraine und die mit ihm begangenen Kriegsverbrechen. Putin hat offenbar auch nichts dagegen, dass Schurken jedweder Art, denen das Pflaster in der westlichen Welt zu heiß geworden ist, in Russland Unterschlupf suchen und finden. Ein prominentes Beispiel: der auf der Flucht befindliche Spitzenmanager von Wirecard (Jan Marsalek). Auch der DDR war es keineswegs unangenehm, dass hier in den 70er und 80er Jahren RAF-Terroristen Schutz vor Verfolgung durch die Justiz suchten. Wer zu solchen Praktiken greift, verkennt leicht, dass er destruktive Kräfte unterstützt. Die Befolgung des Wahlspruchs "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" endet nicht selten in der Selbstzerstörung.

Freitag, 15. Juli 2022 - 16:11 Uhr
Phrasenhafte Flucht vor unbequemen Realitäten

Offenbar ist schier übermenschlicher Mut dazu erforderlich, Sachverhalte auszusprechen, die sich nicht mehr lange unter Verschluss halten lassen. Wie oft war der Satz zu hören: "Putin darf diesen Krieg nicht gewinnen!" Unausgesprochen blieb dabei, unter welchen Voraussetzungen bzw. bei welchem Stand der Kampfhandlungen Putin den Krieg gegen die Ukraine gewonnen hätte. Wäre dies bereits der Fall, wenn die Ukraine die Krim an Russland abträte? Oder welches andere Kriterium wäre hier maßgeblich? Die Ukraine wird die russischen Truppen nicht besiegen und gänzlich von ukrainischem Boden vertreiben können. Wer aber traut sich, dies laut auszusprechen, ohne als Verräter an der ukrainischen Sache gebrandmarkt zu werden? Gebietsverluste sind zweifellos schmerzlich. Die Schwierigkeit, sich mit ihnen abzufinden, kennen die Deutschen nur zu gut, Auch das Bewusstsein, dass 1933 in Deutschland die Nationalsozialisten die Macht ergriffen und 1939 den Zweiten Weltkrieg entfesselten, machte es nicht unbedingt leichter, das dadurch entstandene "deutsche Dilemma" zu akzeptieren: Gebietsverluste im Osten, die Teilung Deutschlands, Deutschland im Spannungsfeld der Weltpolitik (der "Kalte Krieg" .
Ungleich schmerzlicher und unerträglicher sind jedoch die Verluste von Menschenleben. Kein Staat hat das Recht, politischen Zweckmäßigkeiten und Zielsetzungen das Leben seiner Bürger und Bürgerinnen zu opfern. Dass Russland solches tut, hat als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" zu gelten. Die ukrainische Regierung sollte es ihm nicht gleichtun. Die Landesverteidigung findet da ihre Grenzen, wo nicht sichergestellt ist, dass ein Maximum der Bevölkerung diesen Kampf überlebt. Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes haben dies beherzigt und als ersten Teil der Verfassung festgelegt: "Die Grundrechte". Vornehmste Pflicht des Staates ist es, diese Rechte "zu achten und zu schützen".
Auch Robert Habeck kommt nicht ohne Phrasen aus. Er schwärmt von einer "Energiepartnerschaft" mit Staaten am Persischen Golf. "Vorübergehend" ( wie lange mag dies dauern?) müssten die ansonsten verpönten Kohlekraftwerke reaktiviert werden. "Gas ist ein knappes Gut", erfahren wir. Doch wie es dazu gekommen ist, wird nicht laut gesagt. Seit Jahren schon kämpfen die Grünen gegen Nord Stream 2. Jetzt, wo auch die Gaszufuhr durch Nordstream 1 von Russland zurückgefahren wird, ist das Gejammer groß. Dabei war abzusehen, dass Putin den Spieß umdrehen würde. In aller Öffentlichkeit und lautstark rechnete die deutsche Regierung den Russen vor, wann und um wieviel Prozent sie die Energieimporte aus Russland reduzieren würde. Putin kontert und lässt die Deutschen wissen: Nun ja, wir kommen euch auf diesem Wege ein Stück entgegen und drosseln von uns aus die Lieferungen. Wie realistisch waren die Mutmaßungen, man könne Russland durch einen Stopp der Gasimporte in die Knie zwingen? Stärker als der Realitätssinn war die Furcht davor, die Bundesrepublik könne vor alle Welt beschuldigt werden, Putins Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat gemäß seinem Amtseid verbindlich erklärt, Deutschland werde die Sanktionen so lange mittragen, als sichergestellt sei, dass sie Russland mehr schadeten als der Bundesrepublik. Hiermit hat der deutsche Regierungschef eine gewaltige Verantwortung auf sich genommen. Denn es wird schwierig sein, den Punkt auszumachen und festzulegen, an dem das Pendel zu Ungunsten Deutschlands ausschlägt. Die "Gasumlage", mit der ab Oktober zu rechnen ist, wird die deutschen Haushalte mit jeweils etwa 500 Euro belasten. Wie sollen diese Mehrkosten begründet und aufgebracht werden? Bereits dieses Beispiel zeigt, wie vertrackt sich die Sachlage darstellt. Wenn die Worte des Kanzlers nicht ins Phrasenhafte abgleiten sollen, müssen Fakten auf den Tisch und Antworten gefunden werden. Denn auf breiter Front steigen die Preise, was meist mit dem Ukraine-Krieg rein gar nichts zu tun hat.
In der Ukraine steckt die Demokratie noch in den Kinderschuhen und braucht sicher noch Jahre des Reifens und der Festigung. Die westliche Welt sollte sich in diesen Prozess nicht einmischen. Auch demokratische Staaten sind nicht dagegen gefeit, imperialistische Machtpolitik zu betreiben. Das klassische Athen der Antike ist hierfür ein frühes, warnendes Beispiel (Peloponnesischer Krieg). Das kostbare Gut der Demokratie darf nicht für imperialistische Zwecke instrumentalisiert werden. Derzeit erlebt das Blockdenken eine Renaissance. Dies darf nicht auf dem Rücken und auf Kosten der Ukraine ausgetragen werden. Der gegenwärtige Krieg ist furchtbar genug und scheint nicht so hald enden zu wollen. Dabei wäre ein Frieden für alle Beteiligten dringend erfoderlich.,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,

Freitag, 13. Mai 2022 - 16:15 Uhr
Ermutigende, friedenstaugliche Worte des Bundeskanzlers

Am 8. Mai 2022 hielt Bundeskanzler Olaf Scholz eine Fernsehansprache, aus der hier zwei Forderungen herausgegriffen seien:
1) Es dürfe bei dem Ukraine-Krieg keinen "Diktatfrieden"
geben.
2) Die Ukraine müsse "bestehen" bleiben. dürfe also nicht
Teil Russlands werden.
Beide Postulate sind insofern interessant, als sie einen Rahmen abstecken, innerhalb dessen Friedensverhandlungen geführt werden können mit dem Ergebnis, dass Russland und die Ukraine ohne totalen Gesichtsverlust den unheilvollen Krieg beenden können.
Diktatfriedensschlüsse erzeugen Unfrieden. Zwei Beispiele: Im Frankfurter Frieden (1871) setzte die militärische Führung gegen Bismarcks Bedenken die Abtretung von Elsass-Lothringen durch, was in Frankreich ein dauerhaftes Bedürfnis nach Revanche zur Folge hatte. Die französische Regierung suchte hierfür nach Verbündeten, die es in Russland (1892/94) und England (1904) fand. Die deutsche Regierung warf den Ententemächten vor, sie wollten das Deutsche Reich "einkreisen", und verstand den Ausbruch des Ersten Weltkriegs (deutsche Kriegserklärungen an Frankreich und Russland) auch als Versuch, diesen Kreis zu durchbrechen. Im Versailler Vertrag (1919) erzwang Frankreich seinerseits die Abtretung Elsass-Lothringens und den Kriegsschuldartikel. Dies wiederum erzeugte in Deutschland böses Blut und machte es Kriegstrommlern leicht.
1940 marschierten deutsche Truppen in Frankreich ein. Erneut wechselten die Vogesenlande den "Besitzer", allerdings nur für wenige Jahre, nämlich bis zur bedingungslosen Kapitulation Deutschlands im Mai 1945. Tomi Ungerer kommentierte dieses Hin und Her mit der Bemerkung, das Elsass sei "immer besetzt" gewesen.
Die Friedensschlüsse von Frankfurt und Versailles zeigen deutlich, was kluge Politik auf jeden Fall zu vermeiden hat, wenn sie den Frieden sichern will. Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik muss darauf bedacht sein, durch militärische Unterstützung in der Ukraine keinesfalls die Illusion zu nähren, es könne im Verteidigungskrieg gegen Russland ein Zurück zum Status quo von 2013 geben, also zu dem Zustand vor der russischen "Annexion" der Krim. Der Willkürakt des Ukrainers Nikita Chruschtschow von 1954 muss revidierbar sein. Andernfalls droht der Krieg endlos zu werden.
Siegesgewisse Kriegführende neigen dazu, Erwünschtes erzwingen zu wollen. Mäßigung ist hingegen erforderlich. Weder darf es von russischer Seite ein "Vae victis!" ("Wehe den Besiegten!" geben, noch kann die Ukraine sich in allen Punkten durchsetzen wollen. Es müssen endlich realistische Kriegsziele benannt und Friedensverhandlungen eingeleitet werden. Völkerrechtlich Verbindliches muss an die Stelle wechselseitigen Vernichtungswillens treten. Weichen und Ansätze hierzu werden in den Worten des Bundeskanzlers aufgezeigt.

Freitag, 6. Mai 2022 - 17:27 Uhr
Wann hört dieser Wahnsinn endlich auf ?!?

Am 24. Februar 2022 eröffnete der russische Präsident Putin den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Seither ist wenig geschehen, um diesen Krieg möglichst rasch wieder zu beenden. Viel ist hingegen unternommen worden, was diesen Krieg zu einem dauerhaften werden zu lassen droht. Und hierfür trägt auch der politische Westen erhebliche Mitverantwortung.
Auf den Prüfstand zu stellen ist die Behauptung, in der Ukraine würden Demokratie und Freiheit der gesamten westlichen Welt verteidigt. Neben demokratischen Strukturen weist die Ukraine auch Merkmale eines plutokratischen Systems auf. In diesem Land tummeln sich Oligarchen, die mit ihrem Reichtum geizen. Für Verteidigung und Wiederaufbau lassen sie gern auch andere aufkommen, zum Beispiel Deutschland. Die Bundesrepublik stellt eine Milliarde Euro für den Kauf schlagkräftigen Kriegsgerätes zur Verfügung, was nur bescheidenen Dank erntet. Die Wortführer des Dogmas, in der Ukraine stehe das Überleben der freien Welt auf dem Spiel - allen voran die Vereinigten Staaten -, sollten bedenken, dass die Maxime ihres Tuns den Krieg in der Ukraine ideologisch überhöht und zu verstetigen droht. Außerdem zeigt sich hier ein gehöriges Maß an Unredlichkeit. Die US-amerikanischen Aktivitäten in den Bananenrepubliken Mittelamerikas sowie die Kuba- und Chile-Politik des 20. Jahrhunderts lassen Zweifel daran zu, dass die Vereinigten Staaten immer und überall als Protagonisten der Demokratie aktiv waren. Dies zeigen auch die Schicksale der Politiker Mohammad Mossadegh (Iran) und Patrice Lumumba (Kongo). Die US-amerikanische Urangst vor dem Kommunismus nahm denn auch Gründung und Bestand von Diktaturen in Kauf. -
Auf den Prüfstand zu stellen ist ebenfalls die Befürchtung, ein russischer Erfolg in der Ukraine könne Putin dazu ermuntern, auch andere ehemalige Mitgliedsstaaten der Sowjetunion anzugreifen und zu unterwerfen. Beides, die These, in der Ukraine werde die Freiheit des Westens verteidigt, und die Angst vor einem Domino-Effekt in Osteuropa, verstellt den Blick darauf, dass es Putin vorrangig um die Sicherung russischer Machtinteressen im Schwarzmeerraum geht. Die NATO hat einiges dazu beigetragen, die russische Sorge zu nähren, Russland solle als Weltmacht ausgeschaltet werden. Ausgesprochen unklug ist es meines Erachtens, dass die NATO bereits vor einem halben Jahr damit begonnen hat, ein Manöver in Finnland, das noch nicht (!) zur NATO gehört, vorzubereiten. Wenn die Ukraine schon 2008 NATO-Mitglied geworden wäre, hätte Russland sich darauf einstellen müssen, dass auf der Krim NATO-Raketenbasen eingerichtet würden - eine grauenhafte Vorstellung für einen russischen Machtpolitiker. Aus russischer Sicht einzuräumen ist ferner, dass die NATO sich von ihren Ursprüngen weit entfernt hat: Sie wurde gegründet als Nord-Atlantik-Pakt.
Der Ukraine-Krieg hat zahlreiche Trittbrettfahrer und Nutznießer. Von einem Mangel an fossilen Brennstoffen kann überhaupt nicht die Rede sein. Trotzdem schnellen die Öl- und Gaspreise in die Höhe. Die Märkte reagieren eben "nervös". Das haben alle Betroffenen hinzunehmen. Die Politik darf dann durch einen Griff ins Steuersäckel die schlimmsten Folgen abmildern.
Die Unterstützung des freien Westens darf nicht dazu führen, dass die ukrainische Regierung sich Verhandlungen mit Russland verweigert. Und die westliche Politik sollte sich abgewöhnen, die Doktrin nachzubeten, jeder Zentimeter ukrainischen Bodens müsse verteidigt werden. Wohin soll das führen? Aufgabe der SPD ist es, darauf hinzuwirken, dass Augenmaß, Besonnenheit und politische Vernunft Einzug halten in die Köpfe derjenigen, die sich zu Beratungen und Verhandlungen bereit machen. Die Zeit drängt! Hiervon sollte sich die deutsche Regierung leiten lassen - nicht von Preistreibern. Kompetente Wirtschaftswissenschaftler wie Marcel Fratzscher warnen davor, alles dem freien Markt zu überlassen. Wenn dieser uneingeschränkt herrscht, bleibt auch der Klima- und Umweltschutz auf der Strecke.

Montag, 25. April 2022 - 16:52 Uhr
Gerhard Löwenthal feiert in Theo Koll seine Wiedergeburt

Das Zweite Deutsche Fernsehen, 1960 von Konrad Adenauer als Konkurrenz zum Ersten Fernsehen aus der Taufe gehoben und 1963 erstmals ausgestrahlt, steht ganz im Sinne seines Schöpfers der CDU nahe und ist allem Sozialdemokratischen abhold. So fand denn auch Gerhard Löwenthal in dieser Rundfunkanstalt seine politische Heimat. Hier leitete und moderierte er alle vierzehn Tage das ZDF-Magazin. Von Mainz aus trug er dem Fernsehvolk unermüdlich den Kalten Krieg ins Wohnzimmer. Besonders die neue Ostpolitik der sozialliberalen Koalition war ihm ein Dorn im Auge. Unterschwellig wurde suggeriert, diese Politik sei "undeutsch", laufe deutschen Interessen zuwider. Dass die Sozialdemokraten von der Gänsefüßchen-Praxis abrückten, nicht mehr von der "sogenannten DDR" sprachen und bei der Nennung dieses zweiten deutschen Staates die Anführungszeichen wegließen, dann 1972 auch noch den Grundlagenvertrag mit der DDR abschlossen, wurde der SPD nicht verziehen, war ständiger Stein des Anstoßes.
Dass das ZDF politischen Giftmischern vom Schlage eines Gerhard Löwenthals, zumal wenn sie gegen die Sozialdemokraten vom Leder ziehen, ein ideales Betätigungsfeld bietet, weiß auch Theo Koll. Ein rotes Tuch ist für ihn insbesondere Olaf Scholz, der vierte sozialdemokratische Bundeskanzler. Dieser sei die eigentliche Schwachstelle in der Ampelregierung, zu zögerlich, zu russlandfreundlich. Unverständlicherweise schiebe er die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine hinaus, rufe bei Bündnispartnern Kopfschütteln hervor. Doch auch andere SPD-Politiker wie Rolf Mützenich und Ralf Stegner sind bei Theo Koll übel dran. An ihnen zeige sich der traditionelle Webfehler der deutschen Sozialdemokratie: die Nähe zu Russland samt der damit verbundenen Unzuverlässigkeit im westlichen Bündnis. Diese Faktoren hätten möglicherweise Putin dazu ermuntert, in die Ukraine einzumarschieren. Ein besser bewaffnetes Deutschland und ein forscheres Auftreten gegenüber Russland hätten das eventuell verhindert.
Aus den Reihen der Ampelkoalition sucht sich Theo Koll gezielt solche Leute heraus, deren Äußerungen ihm zupass kommen. Dabei spielt er auch gern den Vizekanzler gegen den Kanzler aus. Robert Habeck, von Koll zu einem klaren Bekenntnis zur Lieferung schwerer Waffen gedrängt, versichert eilfertig, die deutsche Regierung unternehme bereits derartige Schritte, und zwar durch einen Ringtausch über Slowenien. Die Ukraine kämpfe nicht nur gegen Russland, sondern auch für die westlichen Demokratien. Erstaunlicherweise bedankt sich Habeck auch noch dafür, Vom ZDF-Journalisten angehört worden zu sein. Wagt es überhaupt noch jemand aus dem politischen Establishment, sich bei den Medien unbeliebt zu machen?
An Corona erkrankt und aus den USA zugeschaltet, beteuert Christian Lindner anlässlich des FDP-Parteitages, Olaf Scholz genieße das Vertrauen der Freien Demokraten, auch das der gesamten FDP-Bundestagsfraktion. Allzu sicher soll sich der Bundeskanzler aber auch nicht fühlen. Dafür sorgen Wolfgang Kubicki und Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Auch diese stramme Freidemokratin kommt bei Theo Koll ausführlichst zu Wort.
Zu den Leidtragenden dieser Tage gehört auch Manuela Schwesig. Ihr wird verübelt, dass sie eine Koalition mit der Linken gebildet hat. Dass sie sich vehement für die Fertigstellung von Nord Stream 2 eingesetzt hat, betrachtet sie im Nachhinein als Fehler. Trotzdem fordert die CDU ihren Rücktritt. Es erweist sich eben als verhängnisvoll, wenn man sich auf ein Spiel mit dem Teufel einlässt.
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, setzt euch entschieden und deutlich vernehmbar zur Wehr, zeigt , was in Euch steckt! Ihr dürft auch gern daran erinnern, dass ohne die neue Ostpolitik Willy Brandts und Egon Bahrs die deutsche Wiedervereinigung nicht möglich geworden wäre.

Montag, 18. April 2022 - 16:45 Uhr
Ostermärsche sind nicht "aus der Zeit gefallen"

Nicht nur Pazifisten haben zur Zeit einen schweren Stand. Auch diejenigen, die auf Abschreckung setzen und in einem Gleichgewicht des Schreckens den Garanten für einen dauerhaften Frieden sehen, schauen ziemlich ratlos drein, scheinen am Ende ihres Lateins angekommen. Alle Drohungen mit Konsequenzen und beispiellosen Sanktionen haben Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht verhindern können. Trotzdem werden Leute, die für den Frieden demonstrieren, als wirklichkeitsfremd verspottet. Der Einsatz schwerer Waffen sei das Gebot der Stunde. Aber nur auf den ersten Blick lassen sich Kriegsgegner bzw. Friedensfreunde als Spinner abtun. Vielmehr sehen sie in aller Klarheit, was Kriege anrichten: Entmenschlichung und Zerstörung. Dass sie zu ihren Lebzeiten unterlagen und auch heute das Nachsehen haben,, liegt nicht daran, dass sie die Lage falsch einschätzten, sondern daran, dass andere Kräfte die Oberhand gewannen. Die Kriegsfolgen geben den Kriegstreibern auch nachträglich nicht recht. Nicht nur der Erste Weltkrieg zeigt dies in aller Deutlichkeit., Am 15. März 1915 veröffentlichte der französische Schriftsteller und Pazifist Romain Rolland im "Journal de Geneve" den Leitartikel "Unser Nächster, der Feind!" Dass sein Appell, das unselige Freund-Feind-Denken zu überwinden, nicht erfolgreich war, lag nicht an ihm, sondern an der Taubheit und Verranntheit der Kriegführenden. Zuvor schon, am 31. Juli 1914, also unmittelbar vor Ausbruch des Krieges, war Jean Jaures von einem fanatisierten französischen Nationalisten ermordet worden, der nur die Revanche für 1870/71 im Sinne hatte und den Kriegsgegner Jaures mehr hasste als die Deutschen. Dass der Attentäter 1919 freigesprochen wurde und die Witwe des Opfers die Prozesskosten zu tragen hatte, gehört zu den Barbareien, die Kriege nach sich ziehen.
Haben wir denn so wenig aus der Vergangenheit gelernt? Auch gegenwärtig wird allenthalben der Ruf nach noch mörderischeren Waffen laut. Und Olaf Scholz wird heftig dafür kritisiert, dass er bei der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine zögert. Abgeordnete der Ampelkoalition und Politpfeifen wie Anton Hofreiter und Marie-Agnes Strack-Zimmermann tun sich dabei besonders hervor. Schwere Waffen machen jedoch nur Sinn, wenn sie ein rasches Kriegsende herbeiführen. Davon sind wir aber auf absehbare Zeit weit entfernt. Statt den ukrainischen Präsidenten dabei zu unterstützen, den Krieg gegen den Eindringling Russland noch erbitterter fortzusetzen, sollte der Westen Herrn Selenskyj dazu drängen, mit Wladimir Putin Waffenstillstandsverhandlungen aufzunehmen und auszuloten, unter welchen Voraussetzungen eine friedliche Ko-Existenz gesichert werden kann. Um Zugeständnisse an Russland wird die ukrainische Regierung nicht herumkommen, auch wenn dies schmerzhaft ist. Ostermärsche werden, dadurch nicht überflüssig, aber es gäbe einen Grund weniger, sie dem Spott auszusetzen.

Donnerstag, 14. April 2022 - 16:56 Uhr
Theo Koll feuert Breitseiten gegen die Ampel-Regierung

Tatort: ein ZDF-Studio. Titel der Sendung: "Berlin direkt". Tatzeit: 10. April, 19.10 bis 19.30 Uhr. Als roter Faden durch die Sendung zieht sich die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energieimporten. Die Suche nach einem Kronzeugen aus den Reihen der Ampelparteien war bald erfolgreich. Anton Hofreiter heißt das gefundene Fressen und wettert mit bitterer Miene gegen die Regierung Scholz. Besseres als die Forderung nach "einer anderen Politik" kommt ihm dabei jedoch letztlich nicht über die Lippen. Bereits üblich geworden ist der Vorwurf, Deutschland fülle durch die Bezahlung seiner Öl- Und Erdgasimporte Putins Kriegskasse. Und Bundespolitiker und -politikerinnen senken beschämt die Köpfe und geloben Reue. Es fehlt nur noch die Anschuldigung, ohne die deutschen Energieimporte aus Russland hätte Putin den Angriffskrieg gegen die Ukraine gar nicht erst begonnen. Dies ist zwar expressis verbis noch nicht behauptet worden. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Und hoffentlich setzt die Bundesregierung sich kräftig und selbstbewusst zur Wehr. Die Abfeuerung von Breitseiten setzt geschickte Seemanöver des Angreifers voraus. Gegenmanöver sind das Gebot der Stunde. Es kommt darauf an, dem Gegner gar nicht erst die Breitseite zu bieten.
Der deutsche Bundespräsident hat vor Kurzem Fehler bei seiner Russlandpolitik eingeräumt - wenn es denn solche waren. Die ukrainische Regierung ergriff diese Gelegenheit beim Schopf, legte dies als Zeichen von Schwäche und Verwundbarkeit aus, hackte zu und lud Frank Walter Steinmeier wieder aus. Was als good-will-Geste des Bundespräsidenten gedacht war, geriet zum Flop. Olaf Scholz zeigte sich "irritiert". Zu ebenso brüskem Gegenwind reichte die Kraft offenbar nicht. Dem Bundeskanzler und der gesamten SPD wünsche ich, dass sie den vielfach erhobenen Vorwürfen standhalten. Auch in der Ampelkoalition zeigen sich Risse und häufen sich Kommentare, die in Olaf Scholz den Bremser und die offenkundige Schwachstelle ausmachen. Dem ist entgegenzuhalten. Nach wie vor ist Deutschland bereit, der Ukraine auch schwere Waffen zu liefern. Wenn dabei zu Umsicht ermahnt wird, hat das gute Gründe. Schließlich tragen gerade schwere Waffen zur Verlängerung des entsetzlichen Kriegselends bei. Was wollen wir Deutsche uns eigentlich noch alles gefallen lassen? Wann endlich benennen die Kriegsparteien ihre Kriegsziele? Wann endlich werden ernsthafte Verhandlungen zur Beendigung der Kampfhandlungen geführt? Es kann doch nicht dabei bleiben, Fluchtkorridore zu vereinbaren.

Dienstag, 5. April 2022 - 17:34 Uhr
Die Unverschämtheiten des Andrij Melnyk

Bei Wikipedia findet sich unter dem Stichwort "Diplomatie" folgender Versuch einer Definition: "Jede Diplomatie funktioniert auf der Basis des verbalen Taktgefühls, welches gewährleistet, dass sachlich über Fakten diskutiert werden kann." Ein solches Taktgefühl lässt Andrij Melnyk Tag für Tag vermissen. Unablässig polemisiert er gegen die deutsche Regierung und den Bundespräsidenten. Was Deutschland auch tut, um der Ukraine beizustehen - es reicht hinten und vorne nicht. Aus guten Gründen genießen Botschafter diplomatische Immunität. Dieser Status soll sie gegen Anfeindungen schützen, wenn sie legitime Interessen ihres Landes im Gastgeberland vertreten. So sollen sie etwa vor Strafverfolgung sicher sein. Doch Botschafter Melnyk reizt seine Privilegien in unerträglichem Maße aus. Daher empfehle ich ihm dringend die Lektüre des "Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen" (1961). Hiernach ist jeder Botschafter gehalten, sich nicht in die inneren Angelegenheiten des "Empfängerstaates" einzumischen. Genau dies aber tut Andrij Melnyk, wenn er über Fernsehkanäle und Printmedien die öffentliche Meinung massiv zu beeinflussen versucht und dadurch Druck auf die zuständigen deutschen Politiker ausübt. Und dieses Vorgehen zeigt Wirkung. Der Reihe nach knickt deutsche Politprominenz ein und bekennt, Fehler gemacht zu haben. Manuela Schwesig bedauert, am Bau von Nord Stream 2 festgehalten zu haben. Immerhin aber habe Putin an dieser Pipeline nicht verdient, folglich habe sie sich eine Finanzierung von Putins Krieg gegen die Ukraine nicht zuschulden kommen lassen - ein Vorwurf, der zur Zeit häufig gegen Deutschland erhoben wird und Schuldgefühle auslösen soll. Die Bundesrepublik habe sich erpressbar gemacht. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob Russland seine Gaslieferungen jemals als Druckmittel benutzt hat. - Auch der Bundespräsident bleibt nicht ungeschoren. Dieser beteuert wenig später reumütig, in seiner Russland-Politik Fehler begangen zu haben. Der ukrainische Botschafter kartet unverzüglich nach. Endlich habe nun auch das deutsche Staatsoberhaupt seine Irrtümer eingesehen. Ein beachtlicher Lernerfolg, vor allem für den Bundespräsidenten. Dieser hätte auch darauf hinweisen können, dass in der Zeit, als er politische Verantwortung trug, parallel zur Pflege eines gutnachbarschaftlichen Verhältnisses mit Russland die Osterweiterung der NATO fortgesetzt wurde, und zwar bis an die Westgrenze Russlands, und er an den Russlandsanktionen von 2014 mitgewirkt hat. Woher rührt eine solche Rückgratschwäche? Lastet auf deutschen Politikern und Politikerinnen immer noch und unausgesetzt die deutsche Schuld? Und soll eine solche Schuld nun beglichen werden durch Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine? Die ukrainische Führung sollte sich fragen, ob es Sinn macht, den Krieg gegen die russischen Invasoren, nun auch mit noch schwereren Waffen, so lange weiterzuführen, bis Russland sich geschlagen gibt und sich aus allen besetzten Gebieten in der Ostukraine zurückzieht. Einsichtsfähigkeit, realistische Einschätzung des Möglichen sollte eines Besseren belehren. Dieser Krieg muss so schnell wie möglich beendet werden. Jeder bzw. jede weitere Tote ist einer bzw. eine zu viel.
Völlig fehl am Platz sind Postulate wie
"Putin darf diesen Krieg nicht gewinnen!"
oder
"Die Ukraine darf diesen Krieg nicht verlieren!"
Wer soll über Zeitpunkt und Bedingungen eines Kriegsendes entscheiden? Während solche Maximalforderungen vollmundig über die Lippen gebracht werden, sterben in der Ukraine Menschen. Empathie ist gefragt. Friedenswillige, nicht Klugscheißer sollten die Themen setzen uind den Ton angeben.

Dienstag, 22. März 2022 - 17:05 Uhr
Der kollektive Rückfall in archaische, verhängnisvolle Denk- uind Handlungsmuster

Kriege gibt es seit eh und je, haben in unzähligen literarischen Werken ihren Niederschlag gefunden. Angesichts der Gräuel des Dreißigjährigen Krieges schrieb Andreas Gryphius in seinem Sonett "Thränen des Vaterlandes" die Verse: "Wir sind doch nunmehr gantz, ja mehr denn gantz verheeret" (1636). Etwa140 Jahre später klagte Matthias Claudius in seinem "Kriegslied":
´s ist Krieg! ´s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
und rede du darein!
Doch wenn Gott und Engel erwidern: "Ihr könnt uns mal! Ebenbilder Gottes können wir in euch beim besten Willen nicht erkennen. Seht gefälligst zu, wie ihr selbst mit dem von euch angerichteten Gemetzel zurecht kommt! Wir sind nicht zuständig und lassen nicht zu, dass ihr euren Mist bei uns abladet! Vielleicht versucht ihr´s mal beim Teufel." Irdischer und realitätsnäher lässt sich Ingeborg Bachmann in ihrem Gedicht "Alle Tage" vernehmen:
Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.
Eindringlich fordert die Lyrikerin alle am Krieg Beteiligten dazu auf, sich dem Grauen zu verweigern; auf das Verhalten jedes Einzelnen komme es dabei an; nur dann sei noch Hoffnung möglich.
Der preußische Militärtheoretiker Carl von Clausewitz hinterließ das Werk "Vom Kriege" und kam darin zu der Definition: "Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln." Krieg war also legitim, notfalls sogar geboten. Dieses Denken war weit verbreitet. Und so konnte der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck in einer Rede behaupten: "... nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden - das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen - , sondern durch Eisen und Blut." Für die damalige Zeit mag dies zutreffend gewesen sein. Schließlich wurden im Vorfeld der Reichsgründung von 1871 drei Kriege geführt. Doch gab es auch andere Stimmen, Zum Beispiel die Bertha von Suttners: "Die Waffen nieder!" (1889). Die rastlose Pazifistin erhielt 1905 den ersten Friedensnobelpreis. Aber die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war noch von zwei fürchterlichen Weltkriegen geprägt, bevor 1945 die UNO entstand und in ihrer Charta das Ziel eines dauerhaften Weltfriedens festschrieb. Allerdings konnten weitere Kriege nicht verhindert werden, auch wenn sie sich nicht zu Weltkriegen ausweiteten. Gegenwärtig führt Russland einen brutalen, menschenverachtenden Krieg gegen die Ukraine. Auch hier ist man um Lokalisierung des Konflikts bemüht. Dieser Krieg lässt alle Begleiterscheinungen militärischer Auseinandersetzungen wieder aufleben. Lange Zeit Totgesagtes rückt erneut ins Rampenlicht:
- ein ausgeprägter Heldenkult, auch wenn es sich um bloßes
Maulheldentum handelt
- Durchhalteparolen (kämpfen "bis zum letzten Mann"
notfalls bis zum letzten Tropfen Blu)t
- die schwer zu überwindende Eigendynamik des Krieges.
Wenn die Kriegsparteien sich überhaupt zu Verhandlungen
über die Beendigung des Krieges zusammensetzen, zieht
sich dies in die Länge - nicht zuletzt zur Wahrung des
Gesichts. Es fällt schwer, Zugeständnisse zu machen. Dies
könnte als Zeichen von Schwäche ausgelegt werden.
Während solcher Gespräche wird unvermindert weiter-
gekämpft - ohne Rücksicht auf die vom Krieg unmittelbar
Betroffenen, die in ihrer großen Mehrheit den Krieg nicht
gewollt haben.
- der allenthalben und lauthals erhobene Ruf nach "Führung",
als hätten wir mit Führern nicht schon schlimme
Erfahrungen gemacht. Fernsehjournalistinnen wie
Shakuntala Banerjee vermissen auch bei Olaf Scholz
Führungsstärke, ergehen sich, Flintenweibern nicht
unähnlich, in militaristischen Kategorien und stellen
ernsthaft die Frage in den Raum, ob nicht eine militärische
Intervention des Westens an der Seite der Ukrainer
angezeigt sei. Vom Völkerrecht sei ein solches Vorgehen
gedeckt.
- die Forderung nach höheren Verteidigungsausgaben
Gar nicht erst gestellt wird die Frage, ob eine stärker
aufgerüstete NATO den russischen Angriff auf die
Ukraine hätte verhindern können. Unschwer
lässt sich erraten, wer sich über das geplante
"Sondervermögen" von 100 Milliarden Euro für die
Bundeswehr am meisten freut.
Auch das zuletzt Ausgeführte offenbart die Absurditäten des derzeitigen Weltgeschehens. Die prononcierte Geschlossenheit des politischen Westens trifft auf die Allianz der autokratischen Mächte. Dabei werden für das Überleben der Menschheit wichtigere Probleme an den Rand gedrängt: Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung, Bekämpfung der Armut, Maßnahmen gegen den Klimawandel usw. Die westlichen Industrienationen sind mit sich selbst beschäftigt, zum Beispiel mit ihrem zunehmenden Energiebedarf. Um sich von russischen Gaslieferungen langfristig unabhängig zu machen, will Deutschland Flüssiggas aus dem Nahen Osten einführen. Dabei weiß jeder, dass dieses Gas mit großem Energieaufwand auf seinen flüssigen Aggregatzustand heruntergekühlt und dann in dafür zu bauenden Terminals an Elb-und Nordseehäfen mit ebenfalls hohem Aufwand wieder zu brauchbarem Gas erwärmt werden muss. Russisches Erdgas ist da leichter und billiger zu bekommen. Deutschland findet sich ohnehin auf der Anklagebank wieder. Es wird auch hierzulande behauptet, es finanziere durch seine Gasimporte Putins Krieg in der Ukraine. Bei Verzicht auf diese Moralkeule könnte es auch heißen, Deutschland bezahle korrekt seine Gaseinfuhren aus Russland. Aber in aufgeregten Zeiten ist das wohl schwer zu vermitteln. Von der Bundesrepublik wird generell viel erwartet. Sie soll sich musterknabenhaft verhalten, auch als Sündenbock herhalten und ist begehrtes Ausbeutungsobjekt. Wie ist solches Anspruchsdenken begründet?Woher nimmt Herr Selenskij das Recht, das Plenum des Deutschen Bundestages, das sich ihm zu Ehren von den Plätzen erhebt, mit Vorwürfen zu überhäufen, wofür ihm auch noch applaudiert wird? Der Bevölkerung Deutschlands mit seinen Institutionen wünsche ich mehr Selbstbewusstsein und den Mut zur Wehrhaftigkeit gegen maßlose Ansprüche. Diese lassen sich nicht immer noch und fast ausschließlich aus der deutschen Nazi-Vergangenheit herleiten. Deutschland kommt seinen internationalen Verpflichtungen zur Genüge nach, auch aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke, die wohl respektiert wird, aber auch Neider findet.
Apropos: Wahrscheinlich amüsiert es den russischen Präsidenten Wladimir Putin, wie schwer der Westen sich damit tut, den Gesetzmäßigkeiten der freien Marktwirtschaft nicht selbst zum Opfer zu fallen. Fossile Energieträger gibt es auf unserem Planeten in ausreichenden Mengen. Aber die Mineralölkonzerne - und der Gaspreis orientiert sich am Ölpreis - nutzen den Ukraine-Krieg samt der damit angeblich einhergehenden Knappheit der Ressourcen weidlich aus, um kräftige Gewinne einzufahren. Und die Regierungen und Parlamente schauen diesem Treiben scheinbar hilflos zu und greifen tief in die Staatssäckel, um die Kosten erträglich zu halten. Die Gesamtheit der Steuerzahler hat letztlich dafür aufzukommen. Begründung: Das ist eben der (bittere) Preis der Freiheit.

Freitag, 11. März 2022 - 11:15 Uhr
Bakunin - Lenin - Stalin - Jelzin - Putin

Bakunin gilt als einer der bedeutendsten Vertreter und Theoretiker des Anarchismus. Anarchie ist ein Zustand völliger Herrschaftslosigkeit, denn jegliche Form von Herrschaft schränkt die Freiheit der Individuen in unerträglichem Maße ein. Nur die "natürlichen Gesetze" werden als Einschränkung der menschlichen Freiheit anerkannt. Doch wie soll dieser Zustand erreicht werden? Ohne gewaltsamen Umsturz, ohne Revolution - so Bakunin - wird es nicht gehen. "Die Lust der Zerstörung ist zugleich eine schaffende Lust." - "Wer nicht das Unmögliche wagt, wird das Mögliche niemals erreichen." Sein unstetes Leben führte Bakunin mehrfach an Orte, an denen Revolutionen unternommen wurden, zum Beispiel nach Deutschland und Italien. Aber der Sieg der "alten Mächte" ließ ihn resignieren. Die Verwirklichung des Idealzustands wurde in die Zukunft verschoben.
Ganz anders ging Lenin das Problem an. Er war Voluntarist, wollte unbedingt zu seinen Lebzeiten den Umsturz herbeiführen. Dafür nutzte er den Marxismus, bog ihn jedoch für seine Zwecke zurecht. Russland steckte bei der Industrialisierung in den Anfängen. Gerade einmal fünf Prozent der Bevölkerung machte das Proletariat aus. Lenin ersann die Imperialismustheorie ("Der Imperialismus als höchste Stufe des Kapitalismus" und das "Klassenbündnis" zwischen Arbeitern und Bauern. Im Herbst 1917 hatten die Bolschewiki, die sich zu Unrecht die "Mehrheitler" nannten, nur in zwei Sowjets eine Mehrheit: in Moskau und in St. Petersburg, zu der Zeit Petrograd. Was Lenin von Demokratie hielt, zeigte sich spätestens bei der Niederschlagung des Kronstädter Matrosenaufstands, der sich gegen die Diktatur der Kommunistischen Partei richtete ("Alle Macht den Räten - Keine Macht der Partei"; 1921): Zuvor schon war die gewählte Verfassunggebende Nationalversammlung, kaum zusammengetreten, gewaltsam wieder aufgelöst worden. !922 wurde die Sowjetunion proklamiert, die spätere Führungsmacht des gesamten Ostblocks ( nach dem Zweiten Weltkrieg).
Mit Stalin begann die Zeit des Staatsterrors: innerparteiliche "Säuberungen", Forcierung der Industrialisierung, Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft, Hungersnöte, Millionen von Toten,. Den Pakt mit Hitler und den Zweiten Weltkrieg nutzte der russische Diktator für eine Erweiterung und Stabilisierung der Sowjetunion.
Boris Jelzin kann beileibe nicht mit Stalin verglichen werden. Er öffnete Russland für den Kapitalismus, schuf für die Oligarchen enormen Reichtum, konnte sich als erster gewählter russischer Präsident allerdings nur mit Hilfe des Militärs an der Macht halten, als der Kongress der Volksdeputierten sich seinem wirtschaftspolitischen Kurs widersetzte und ihn kurzerhand absetzte. Per Dekret verfügte er die Auflösung der KPdSU und das Ende der Sowjetunion.
Sein von ihm selbst ins Amt gehievter Nachfolger Wladimir Putin betrachtet dies als schweren Fehler. Ihm wird nachgesagt, er beabsichtige eine Renaissance der Sowjetunion. Dafür spricht, dass er zur Zeit der Ukraine das Recht auf Eigenstaatlichkeit abspricht und dieses Land mit militärischen Mitteln zugrunde zu richten und gefügig zu machen versucht.
Die Abfolge der in der Überschrift genannten Persönlichkeiten lässt einen erschreckenden geistigen Niedergang erkennen. Zwischen Bakunin und Putin liegen intellektuelle Welten. Die Theorie, das Denken, sofern überhaupt noch erachtenswert und von Relevanz, wird dem politisch Zweckmäßigen untergeordnet und bestenfalls nachgereicht, Geschichtsfälschungen eingeschlossen. Es geht nur noch darum, an die Macht zu kommen und an der Macht zu bleiben, und zwar mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Der Politik wird der Geist ausgetrieben.

Donnerstag, 10. März 2022 - 17:55 Uhr
Bakunin - Lenin - Stalin - Jelzin - Putin

Bakunin gilt als einer der bedeutendsten Vertreter und Theoretiker des Anarchismus. Anarchie ist ein Zustand völliger Herrschaftslosigkeit, denn jegliche Form von Herrschaft schränkt die Freiheit der Individuen in unerträglichem Maße ein. Nur die "natürlichen Gesetze" werden als Einschränkung der menschlichen Freiheit anerkannt. Doch wie soll dieser Zustand erreicht werden? Ohne gewaltsamen Umsturz, ohne Revolution - so Bakunin - wird es nicht gehen. "Die Lust der Zerstörung ist zugleich eine schaffende Lust." - "Wer nicht das Unmögliche wagt, wird das Mögliche niemals erreichen." Sein unstetes Leben führte Bakunin mehrfach an Orte, an denen Revolutionen unternommen wurden, zum Beispiel nach Deutschland und Italien. Aber der Sieg der "alten Mächte" ließ ihn resignieren. Die Verwirklichung des Idealzustands wurde in die Zukunft verschoben.
Ganz anders ging Lenin das Problem an. Er war Voluntarist, wollte unbedingt zu seinen Lebzeiten den Umsturz herbeiführen. Dafür nutzte er den Marxismus, bog ihn jedoch für seine Zwecke zurecht. Russland steckte bei der Industrialisierung in den Anfängen. Gerade einmal fünf Prozent der Bevölkerung machte das Proletariat aus. Lenin ersann die Imperialismustheorie ("Der Imperialismus als höchste Stufe des Kapitalismus" und das "Klassenbündnis" zwischen Arbeitern und Bauern. Im Herbst 1917 hatten die Bolschewiki, die sich zu Unrecht die "Mehrheitler" nannten, nur in zwei Sowjets eine Mehrheit: in Moskau und in St. Petersburg, zu der Zeit Petrograd. Was Lenin von Demokratie hielt, zeigte sich spätestens bei der Niederschlagung des Kronstädter Matrosenaufstands, der sich gegen die Diktatur der Kommunistischen Partei richtete ("Alle Macht den Räten - Keine Macht der Partei"; 1921): Zuvor schon war die gewählte Verfassunggebende Nationalversammlung, kaum zusammengetreten, gewaltsam wieder aufgelöst worden. !922 wurde die Sowjetunion proklamiert, die spätere Führungsmacht des gesamten Ostblocks ( nach dem Zweiten Weltkrieg).
Mit Stalin begann die Zeit des Staatsterrors: innerparteiliche "Säuberungen", Forcierung der Industrialisierung, Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft. Den Pakt mit Hitler und den Zweiten Weltkrieg nutzte der russische Diktator für eine Erweiterung und Stabilisierung der Sowjetunion.
Boris Jelzin kann beileibe nicht mit Stalin verglichen werden. Er öffnete Russland für den Kapitalismus, schuf für die Oligarchen enormen Reichtum, konnte sich als erster gewählter russischer Präsident allerdings nur mit Hilfe des Militärs an der Macht halten, als der Kongress der Volksdeputierten sich seinem wirtschaftspolitischen Kurs widersetzte und ihn kurzerhand absetzte. Per Dekret verfügte er die Auflösung der KPdSU und das Ende der Sowjetunion.
Sein Nachfolger Wladimir Putin betrachtet dies als schweren Fehler. Ihm wird nachgesagt, er beabsichtige eine Renaissance der Sowjetunion. Dafür spricht, dass er zur Zeit der Ukraine das Recht auf Eigenstaatlichkeit abspricht und dieses Land mit militärischen Mitteln zugrunde zu richten und gefügig zu machen versucht.
Die Abfolge der in der Überschrift genannten Persönlichkeiten lässt einen erschreckenden geistigen Niedergang erkennen. Zwischen Bakunin und Putin liegen intellektuelle Welten. Die Theorie, das Denken, sofern überhaupt noch erachtenswert und von Relevanz, wird dem politisch Zweckmäßigen untergeordnet und bestenfalls nachgereicht. Es geht nur noch darum, an die Macht zu kommen und an der Macht zu bleiben, und zwar mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Der Politik wird der Geist ausgetrieben.

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