Politik
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Dienstag, 25. April 2023 - 18:16 Uhr
Womit wollen Sie bezahlen, Herr Melnyk?
Was die deutsch-ukrainischen Beziehungen angeht, treibt Andrij Melnyk es am schlimmsten. Schon vor Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine holte er zu gewaltigen Schlägen auf Personen und Institutionen der Bundesrepublik aus. Als der Marine-Inspekteur Kay-Achim Schönbach am 23. Januar 2022 in Indien unvorsichtigerweise geäußert hatte, der Krim wegen werde es keinen großen Krieg geben ("Die Krim ist weg." Damit müsse sich die Ukraine abfinden. ), tobte Botschafter Melnyk. Durch solche herablassenden Worte fühle sich das ukrainische Volk "unbewusst an Nazi-Gräuel erinnert". Deutsche hätten Ukrainer "wie Untermenschen" behandelt. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten. Mit gewohnter Gelenkigkeit ging das regierungsamtliche Berlin in die Knie. Schönbachs Bemerkungen entsprächen nicht der "offiziellen Linie" der Bundesregierung. Das Entlassungsgesuch des Vizeadmirals kam nicht ungelegen. Die Verteidigungsministerin und der Bundespräsident erledigten die Formalitäten. Schönbach wurde in den "einstweiligen Ruhestand " verabschiedet - natürlich ohne Großen Zapfenstreich. Nur Harald Kujat, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, wunderte sich über einen solchen Abgang. Die "offizielle Linie" der Bundesregierung in der Krim-Frage kenne er gar nicht. Präsident Biden jedenfalls habe erklärt, die USA würden sich nicht auf einen Atomkrieg gegen Russland einlassen, auch nicht der Krim halber.
Nach Beginn des Krieges wurden die ukrainischen Töne noch erheblich fordernder und unverschämter. Die Bundesregierung antwortete weniger mit Gegenwehr, sondern mit der Erfüllung der ukrainischen Wünsche. Die Waffenlieferungen nahmen an Quantität und Qualität zu. Andrij Melnyk wurde im Herbst 2022 aus Berlin abberufen und rückte in Kiew zum Vizeaußenminister der Ukraine auf, was er zutiefst bedauerte, hatte er doch in Berlin erfolgreich für sein Heimatland getrommelt. Infolge seiner agitatorischen Arbeit habe die Bundesregierung es "sich gar nicht leisten können", die Hilferufe aus der Ukraine zu ignorieren. Als er von dem Vorhaben "Manifest für Frieden" erfuhr, beschimpfte er Sahra Wagenknecht als "widerliche Hexe". Auch der deutsche Regierungschef wurde nicht verschont und als "beleidigte Leberwurst" tituliert. Sämtliche Appelle zur Aufnahme von Verhandlungen mit Russland wies er zurück, verwarf sie als untauglich und für die Ukraine unzumutbar. Erst müssten mit westlicher Hilfe die besetzten Gebiete "befreit", sprich "zurückerobert" werden. Zwar hätten die westlichen Verbündeten Waffenhilfen von ca. 50 bis 55 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt. Das reiche jedoch bei weitem nicht aus. Eine "Verzehnfachung " sei erforderlich. Die Staaten des politischen Westens sollten 1 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes an die Ukraine abführen. Für Deutschland wären das rund 35 Milliarden Euro. Dies alles wird mit einer verblüffenden Selbstverständlichkeit vorgebracht, als könne die Ukraine frei über alle Finanzmittel der Welt verfügen und sei jeglicher Verantwortung für sich selbst enthoben. Die genannten Beträge seien "verglichen mit dem Zweiten Weltkrieg gering" (22.4.2023). Ist dies so zu verstehen, dass Andrij Melnyk den russisch-ukrainischen Konflikt globalisieren, also die Ukraine und deren Verbündete auf einen Dritten Weltkrieg vorbereiten möchte?
Zu all dem schweigt die Bundesregierung. Aus dem Munde des Kanzlers kein klärendes Wort. Scheinbar ist die Ministerriege hinter den deutschen Waffenlieferungen in Deckung gegangen und meint, damit ihr Möglichstes getan zu haben. Fortsetzung folgt. Ein Ende des Schreckens nicht in Sicht. Olaf Scholz, der selbst einmal Bundesfinanzminister war und sich folglich mit Zahlen auskennt, ist offensichtlich nicht bereit und willens zur Offenlegung der Kosten, die jeder weitere Tag des Krieges verursacht. Er sollte die Verpflichtungen, die sein Amtseid ihm auferlegt, ernster nehmen. Wann endlich erfolgt eine Klarstellung, welches Ziel mit den Waffenlieferungen angestrebt wird. Soll mit ihnen ein weiteres Vordringen russischer Truppen aufgehalten und auf der Basis des Status quo sowie in Anbetracht der Unmöglichkeit eines "Siegfriedens" Verhandlungen vorbereitet werden?
Annalena Baerbock erklärte zum 24. Februar 2022: "Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht." Dem kann ich nicht zustimmen. Der Zerfall des Vielvölkerstaates Jugoslawien mit all seinen Gewalttaten sowie der Kosovo-Krieg liegen noch nicht allzu weit zurück. Und vom Weltfrieden sind wir noch weit entfernt. Einen Krieg anzuzetteln, ist wesentlich einfacher, als die Waffen wieder schweigen zu lassen. Es verbietet sich also, die Bereitschaft zu Waffenstillstandsverhandlungen zu diffamieren, als Zeichen von Schwäche und Indiz von Unterwürfigkeit zu bewerten. Sie ist nicht gleichbedeutend mit Kapitulation. Deutschland hat damit seine eigenen Erfahrungen. Im Sommer 1917 begannen die Vorbereitungen für die Friedensresolution des Reichstags. Am 6,Juli brachte Zentrums-politiker Matthias Erzberger einen entsprechenden Entwurf ein. Die (dritte) Oberste Heeresleitung (Hindenburg/Ludendorff) bekam bereits vorher Wind davon und überwarf sich darüber mit dem Reichskanzler. "Bethmann muss weg", hieß es. Der OHL war von Bethmann-Hollweg zu schlapp und kompromissbereit. Sie beharrte auf einem "Siegfrieden" und setzte sich beim Kaiser durch. Am 13, Juli wurde der Kanzler entlassen. Sechs Tage später, also am 19.7., nahm der Reichstag die Resolution an, was allerdings folgenlos blieb. Amtsnachfolger Michaelis behandelte die Sache dilatorisch und ließ sie im Sande verlaufen. - Im Frühherbst 1918 war die OHL jedoch am Ende ihres Lateins und forderte die Reichsregierung (es war erneut zu einem Wechsel Im Kanzleramt gekommen) dazu auf, unverzüglich Verhandlungen mit den Siegermächten aufzunehmen. Dies müsse geschehen, bevor feindliche Truppen deutschen Boden beträten. Die militärische Lage sei aussichtslos. Aus der Traum! Die Vertragsbedingungen fielen erheblich härter aus als das, was in der Friedensresolution 1917 stand. Ein Verständigungsfrieden lag jetzt in weiter Ferne. Und wiederum gelang es der militärischen Führung, die Verantwortung auf andere abzuwälzen. Die Dolchstoßlegende wurde geboren. Allerdings war der Zusammenbruch des Kaiserreichs weniger verheerend als das, was 1945 zu verkraften war: die bedingungslose Kapitulation.
Samstag, 22. April 2023 - 15:17 Uhr
Die deutdche Außenpolitik im Spannungsfeld zwischen Unverstand und Ohnmacht
Die Bundesrepublik Deutschland hat zur Zeit eine Außenministerin, die mit einer großen Maschine der Flugbereitschaft gewaltige Strecken zurücklegt, zum Beispiel nach China und Japan, und zwischendurch kaum noch Zeit findet, sich von ihrer Visagistin hochpreisig aufhübschen zu lassen. Meist kehrt sie frustriert nach Berlin zurück und macht dort ihrem Unmut Luft. Aus Peking bringt sie die Erkenntnis mit, dass die Volksrepublik "immer mehr ein systemischer Rivale" geworden sei. Was sie dort erlebt habe, sei "schockierend". Nun gibt es in fast allen Krankenhäusern einen Schockraum, aber auch dafür hat die Ministerin keine Zeit. Die Weltlage ist momentan wahrlich vertrackt und gefährlich. In Europa tobt der Ukraine-Krieg, und in Fernost droht ein Konflikt zwischen Festlandchina und Taiwan zu eskalieren. Die Situation des Inselstaates ist mehr als kompliziert. 1971 verlor er durch eine Resolution der UNO-Generalversammlung seinen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat an Festland-China und ist seitdem nicht mehr bei den Vereinten Nationen vertreten. Die von den Vereinigten Staaten proklamierte "Ein-China-Politik" ist zur Doktrin geronnen und hatte zur Folge, dass auch die Bundesrepublik keine diplomatischen Beziehungen zu Taipeh unterhält. Den Weg in dieses Dilemma haben die USA freigemacht, deren Präsident derzeit darum bemüht ist, NATO-Staaten als Verbündete für eine militärische Auseinandersetzung mit dem "kommunistischen" Regime in Peking zu gewinnen. Sein Besuch in Irland hatte sicherlich nicht nur privat-familiäre Gründe. Dass E. Macron Frankreich da heraushalten möchte, ist durchaus nachvollziehbar. Schließlich will er dem "Front National" nicht den Weg in den Elysee-Palast ebnen. Jede Nation hat das Recht auf eine eigene Staatsräson. Wenn Lula da Silva es versäumt, die Interessen Brasiliens zu vertreten, und sich nicht gegen China in Stellung bringen lassen will, weiß er nur zu genau, dass andernfalls Jair Bolsonaro wieder die Macht übernimmt.
Der preußische Offizier und Militärtheoretiker Carl von Clausewitz hinterließ das mehrbändige Werk "Vom Kriege", das auch heute noch zur Pflichtlektüre jedes Offiziersanwärters gehört. Einige Zitate: "Der ganze Krieg setzt menschliche Schwäche voraus, und gegen sie ist er gerichtet." - "Die Politik hat den Krieg erzeugt; sie ist die Intelligenz, der Krieg aber bloß das Instrument und nicht umgekehrt." - "Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln." Was geschieht jedoch, wenn diese Mittel sich verselbständigen und die Oberhand gewinnen? Die zitierten Thesen wollte der preußische Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke nicht gelten lassen. Er steht für eine Kehrtwende im strategischen Denken. So setzte er durch, dass die militärische Führung den politisch verantwortlichen Kriegsminister umgehen und ihre Befehle direkt vom König entgegennehmen konnte. Der bzw. das Primat der Politik wurde ausgeschaltet. Moltke führte den Krieg nicht auf "menschliche Schwäche" zurück, sondern betrachtete ihn als "Element der von Gott eingerichteten Ordnung." Erst im Krieg zeigten sich die wahren menschlichen Tugenden. Ohne den Krieg versinke die Menschheit in "Materialismus" und "Fäulnis". Otto von Bismarck hatte seine liebe Mühe damit, den Vorrang der Politik durchzusetzen. Der preußische König wäre nach der Entscheidungsschlacht von Königgrätz (1866) am liebsten weiter nach Wien gezogen, was der preußische Ministerpräsident unbedingt verhindern wollte und dabei auch vor drastischen Mitteln nicht zurückschreckte - mit Erfolg. Wilhelm I. hat bei Konflikten auch später nachgegeben: "Bismarck ist wichtiger als ich." Sein Enkel Wilhelm II. sah das anders. Wie stark militärisches Denken die Politik beeinflusste, wurde in der Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs deutlich. Es gab lediglich einen Plan für den großen europäischen Krieg. Gemäß dem Schlieffen Plan erklärte das Kaiserreich Anfang August 1914 zuerst Frankreich den Krieg, ohne aktuellen Anlass. Der Kaiser verabschiedete die deutschen Truppen mit den Worten: "Wenn die Blätter fallen, sehen wir uns wieder." Damit meinte er den Herbst 1914. Es dauerte dann allerdings länger.
In Anbetracht des gegenwärtigen Ukraine-Kriegs stellt sich erneut die Frage nach dem Verhältnis von Politik und Militär. Bezeichnenderweise sind es heute hohe Bundeswehroffiziere, die darauf hinweisen, dass die Politik in der Pflicht steht und die Verantwortung nicht auf die Bundeswehr abwälzen darf. Um einige Namen zu nennen: Erich Vad, Harald Kujat, Eberhard Zorn, Wolfgang Richter. Sicherlich gibt es noch mehr. Nicht Drückebergerei bewegt sie zu dieser Haltung. Allerdings nehmen sie es ernst, das Leitbild "Staatsbürger in Uniform". Und sie lassen es die Politiker wissen: Dieser Krieg kann nicht militärisch entschieden und beendet werden. Politik und Diplomatie sind gefragt. Die Bundeswehr stellt wohl mit den Maschinen der Flugbereitschaft die erforderlichen Transportmittel bereit, wie sie es auch im September 1971 mit Bundeskanzler Willy Brandt getan hat, als der sich auf der Krim mit Leonid Breschnew treffen wollte. Aber in politischen Dingen übte sie verfassungskonform Zurückhaltung.
Die Zeit drängt. Wenn bei den Präsidentschaftswahlen im Spätherbst 2024 die Republikaner siegen, ziehen sich die USA möglicherweise aus dem Kriegsgeschehen zurück, weil sie nach den Desastern im dritten Golfkrieg (gegen den Irak) und in Afghanistan sich nicht in dauerhafte neue Risiken verstricken wollen. Dann fiele die ganze Last auf Europa zurück - mit ungewissen Aussichten. Fatalerweise hat Jens Stoltenberg es vor wenigen Tagen für richtig gehalten, der Ukraine den baldigen Beitritt zur NATO in Aussicht zu stellen. Wann tritt dieser verhinderte Kriegsheld endlich von der politischen Bühne ab? Leider findet er vielerorts Gesinnungsgenossen, zum Beispiel bei Norbert Röttgen. In den geostrategischen Planspielen dieser Leute hat eines gar keinen Platz : der Erhalt von Menschenleben.
Montag, 17. April 2023 - 15:56 Uhr
Die Ukraine braucht dreierlei: Waffen, Waffen und noch einmal Waffen
Und die Waffenlieferungen liefen an. Zunächst noch zaghaft und in kleinen Schritten. Dann folgte eine immer drastischere Eskalation bis hin zur Lieferung schwerer Kampfpanzer. Rheinmetall kündigte an, in der Ukraine eine Fabrik für die Produktion eines neuen Panzertyps namens Panther bauen zu wollen. Der Ukraine genügte das alles nicht. Sie forderte Kampfjets. Der Bundeskanzler ließ sich auf solches nicht ein, vorerst jedenfalls. Dann jedoch beschloss die Bundesregierung, Polen die Überlassung von 5 MiG 29 aus Altbeständen der DDR zu genehmigen. Nach der Auflösung der Nationalen Volksarmee (NVA) im Zuge der Wiedervereinigung verfügte die Luftwaffe der Bundeswehr über 24 MiG 29 aus sowjetischer Produktion. Ab 2003 wurden diese durch die neueren Eurofighter ersetzt und zu dem "symbolischen Preis" von 1,. Euro an Polen verkauft. Kürzlich nun die bereits erwähnte Genehmigung von Seiten Deutschlands. Inzwischen sind die Maschinen freilich über 30 Jahre alt und bedürfen aufwändiger Wartung. Wo indessen finden sich die dafür erforderlichen Techniker? Die Slowakei stand vor ähnlichen Problemen, musterte eine stattliche Zahl von MiG 29 aus und übergab sie der benachbarten Ukraine. Doch auf die NATO-Mitglieder Polen und Slowakei kommt jetzt die Frage zu, wie und wodurch die großzügigen Spenden ersetzt werden sollen. Schließlich liegt das Geld nicht auf der Straße. Wahrscheinlich wollen die beiden Staaten ihre Luftwaffe mit Zuwendungen aus den Kassen von EU und NATO modernisieren. Nicht nur die Ukraine träumt von den neuesten F16 aus dem Hause Lockheed-Martin. Der amerikanische Rüstungskonzern hat sich schon mit Aufträgen seitens der US-Administration versorgt. Die europäischen Waffenproduzenten werden wohl wieder einmal das Nachsehen haben. Die Zukunft von FCAS liegt noch in den Sternen, verliert auch dadurch an Gewicht, dass Verteidigungsministerin Lambrecht einen knapp 10 Milliarden schweren Auftrag an Lockheed/Martin vergeben hat (F35).
Die Bundesregierung bewegt sich auf dünnem Eis und bietet etliche Angriffsflächen für gegnerische Propaganda. Die Bundesrepublik bestritt 2021 mit 25,1 Milliarden Euro den weitaus größten Beitrag zum EU-Haushalt. Polen hingegen bezog aus Brüssel 11,8 Milliarden mehr, als es eingezahlt hatte, wurde so der größte Nettoempfänger und lässt gegenwärtig von US-Unternehmen neue Kernkraftwerke bauen. Mit den üppigen Zahlungen aus EU-Töpfen kann es sich so manches leisten. spart andererseits nicht mit Kritik an Deutschland. Im nächsten Jahr (2024) stehen die nächsten Europawahlen an, bei denen die europäischen Sozialdemokraten hoffentlich besser abschneiden werden als 2019. Hierzu bedarf es selbstbewussten Kampfgeistes, der sich gegen unqualifizierte Anwürfe zu wehren weiß. Harald Kujat hat jüngst darauf hingewiesen. dass Deutschland mit Hilfsleistungen für die Ukraine in Höhe von ca. 14 Milliarden Euro sich durchaus sehen lassen kann. Manchen unserer Nachbarn, zum Beispiel Polen, reicht das nicht. Mit welchem Recht?
Die Bundesregierung ist durch den Amtseid ihrer Mitglieder dazu verpflichtet, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Gleiches gilt für die Wehrbeauftragte Eva Högl. Folglich ist alles zu unterlassen und zu verhindern, was eine Entwicklung begünstigt, die darin gipfeln könnte, dass Luftschlachten zwischen der Ukraine und Russland sich auch auf den Luftraum über Deutschland ausweiten könnten
Die SPD hat nichts zu verschenken und sollte bedenken, dass sie Ihren Wahlsieg von 2021 nicht zuletzt der damaligen Misere der CDU zu verdanken hat. Die Christdemokraten haben sich jedoch erholt und verzeichnen Erfolge. Sonderbarerweise bedienen sie sich dabei der Praktiken, auf die auch die SPD gebaut hat (Regionalkonferenzen, Mitgliederbefragungen etc). Seid auf der Hut, Genossinnen und Genossen!
Samstag, 15. April 2023 - 17:11 Uhr
"Die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn (zuvor)."
Im Spätmittelalter (14. Jahrhundert) machte der Ritter Eppelein von Gailingen die Gegend um Nürnberg unsicher. Mit seinen Spießgesellen überfiel er Konvois von Handelswagen und raubte sie aus. Sehr zum Ärger der Nürnberger Kaufleute, die sich zu wehren begannen. Die Reichsstadt Nürnberg erwirkte die Reichsacht gegen den Raubritter, setzte ihn fest, machte ihm den Prozess und verurteilte ihn zum Tod durch den Strang. Doch Eppelein entwischte dem Magistrat, ehe das Todesurteil vollstreckt werden konnte. Vermutlich geschah solches nicht zum ersten Mal und trug dem Nürnberger Rat den Spott der Bürger ein.
Nach dem Ende des Zweien Weltkriegs war Nürnberg erneut Schauplatz von Prozessen. Die Hauptkriegsverbrecher wurden hier von den Siegermächten angeklagt und verurteilt, in den schweren Fällen zum Tod durch Erhängen. 1946 gab es für sie keine Möglichkeit, durch Flucht zu entkommen, wenn nicht durch Selbstmord wie im Fall Hermann Görings, dem eine Zyankalikapsel zugesteckt wurde. Der Tod durch rasch wirkendes Gift war für ihn weniger schlimm als das Ende mit dem Strick um den Hals.
Am 17. März 2023 erließ der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl gegen Wladimir Putin. Vielerorts wurde dies begrüßt, auch in Deutschland. Wie jedoch wird man des russischen Diktators habhaft? Und warum beschränkt sich die Anklage auf die Entführung ukrainischer Kinder nach Russland? Es gibt doch noch schwerer wiegende Kriegsverbrechen. Hieran zeigt sich ein großes Dilemma des politischen Westens. Mit Wirtschaftssanktionen (inzwischen gibt es es davon bereits zehn Pakete) und Mitteln der Justiz glaubt man Putin in die Knie zwingen zu können. Mit mäßigem Erfolg. Entsetzt habe ich Robert Habeck gestern sagen hören, Putin könne "nur auf dem Schlachtfeld" besiegt werden. Gleichzeitig wird konstant behauptet und versichert, die NATO-Staaten, unter ihnen die Bundesrepublik, seien nicht Kriegspartei. Welch ein Wahnsinn herrscht in den maßgeblichen Köpfen? Sind zwei Weltkriege noch nicht genug? Der Historiker Gerhard Ritter hat ein dreibändiges Werk verfasst mit dem Titel "Staatskunst und Kriegshandwerk", worin er den Siegeszug des Militarismus über die Staatsräson darlegt, wie er sich im Erstarken der Obersten Heeresleitung unter dem Gespann Hindenburg/Ludendorff zeigte, also in der Entwicklung des Kaiserreichs zur Militärdiktatur. Soll es in unseren Tagen wieder zu einem Versagen von Politik und Diplomatie kommen?
Gegenwärtig stolpert die deutsche Politik von Misserfolg zu Misserfolg. Was geht im Kopf von Annalena Baerbock vor, wenn sie verkündet: "Wir führen einen Krieg gegen Russland (Putin), nicht gegen einander." Ausgesprochen albern und töricht ist es, wenn deutsche Außenpolitik sich darin erschöpft, in der Welt umherzufliegen, am Ukraine-Krieg noch unbeteiligte Staaten abzuklappern, deren Regierungen dazu bringen zu wollen, sich hinter Deutschland zu versammeln und sich gegen Putin zu positionieren, sich dabei einen Korb nach dem anderen zu holen und anschließend schwere Enttäuschung kundzutun, liegt der Schluss nahe, dass es an Klugheit und politischem Geschick mangelt. Dass der französische Präsident Macron auch aus innenpolitischen Gründen dringend davon abrät, sich in einen Krieg zwischen den USA und China hineinziehen zu lassen, sollte auch Deutschlands politischen Köpfen einsichtig sein. Es bleibt zu hoffen, dass Rolf Mütznich nicht der einzige SPD-Politiker bleibt, der für Macrons Haltung Verständnis äußert. Die AfD wartet nur darauf, frisches propagandistisches Futter zu ergattern, neue Wähler und Wählerinnen zu gewinnen.
Samstag, 8. April 2023 - 18:20 Uhr
Die Bundesrepublik Deutschland und ihre Bundeswehr
Bei der Gründung der Bundeswehr im Jahre 1956 hat das Leitbild "Staatsbürger in Uniform" Pate gestanden (Friedrich Beermann). Die Wiederbewaffnung Westdeutschlands war in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg heftig umstritten, sowohl in der bundesdeutschen Bevölkerung als auch bei den Nachbarstaaten. Spätestens nach Beginn des Koreakriegs (1950) zeigte die Besatzungsmacht USA Interesse an einem westdeutschen Beitrag zur Verteidigung Westeuropas. Der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer beauftragte seinen Sicherheitsberater Gerhard Graf von Schwerin mit der Aufgabe, entsprechende Gespräche aufzunehmen. Der weltkriegserfahrene Adlige forderte allerdings zu viel, nämlich die Gleichberechtigung der deutschen Streitkräfte. Als der Graf dann auch noch gegenüber Journalisten unvorsichtigerweise ausplauderte, die Bundesregierung bereite ein "Wehrpflichtgesetz" vor, ließ Adenauer ihn fallen und ersetzte ihn durch Theo Blank, der später der erste Verteidigungsminister wurde.
Der "Staatsbürger in Uniform" sollte sich grundlegend unterscheiden von dem Soldaten von Reichswehr (1921-1935)und Wehrmacht (1935-1945). Die Wehrmachtsangehörigen wurden auf den Führer Adolf Hitler vereidigt und zum Wehrdienst (Kriegsdienst) gezwungen. Verweigerer wurden als Deserteure betrachtet und schwer bestraft, meistens zum Tode. Die Personalisierung hatte ihre Wurzeln allerdings bereits in der Reichswehr, deren Chef (von Seeckt) die ihm Untergebenen vor einer Infektion mit dem Bazillus der Demokratie zu schützen trachtete. Die Reichswehr sollte "unpolitisch" sein und die alten Werte der Kaiserzeit für bessere Zeiten nach dem Ende der ungeliebten Weimarer Republik am Leben erhalten. So wurde sie zu einem "Staat im Staate", mit weitreichenden Folgen, wie sich im Krisenjahr 1923 zeigte. Von Politikern gefragt, wo denn die Reichswehr stehe, antwortete von Seeckt: "Sie steht hinter mir." Ob denn auf die Reichswehr Verlass sei gegen Feinde der Demokratie, erklärte von Seeckt, ob die Reichswehr zuverlässig sei, könne er nicht sagen, aber "Mir gehorcht sie." Bezeichnenderweise marschierte die Reichswehr unter swe Reichskriegsflagge mit den Farben Schwarz-Weiß-Rot, der Fahne des Kaiserreichs. In einem kleinen Rechteck oben links zeigen sich verschämt die Farben Schwarz-Rot-Gold, gemäß der Reichsverfassung seit 1919.
Im Jahre 1955 wurde die Bundesrepublik Deutschland in die NATO aufgenommen. Um die Sollstärke von bis zu 500.000 Mann garantieren zu können, führte die CDU-geführte Koalition die allgemeine Wehrpflicht ein . Vor allem die SPD stimmte dagegen, weil sie von NATO-Mitgliedschaft und Heeresstärke eine Vertiefung der deutschen Spaltung mit der Gefahr eines
Bürgerkrieges in Deutschland befürchtete. Für sie sollte das Heer kleiner sein, etwa die Größe der ostdeutschen Volkspolizei haben und aus Freiwilligen bestehen.
Das Leitbild des "Staatsbürgers in Uniform " wollten nicht alle Bundeswehrgeneräle verinnerlichen. Als Verteidigungsminister Helmut Schmidt dies gewahr wurde, schickte er solche Offiziere in den vorzeitigen Ruhestand. Außerdem gründete er In Hamburg und München Bundeswehrhochschulen. Sie sollten Offiziersanwärtern eine umfassende Bildung ermöglichen. Wie der "Staatsbürger in Uniform" gelebt werden kann, zeigen beispielhaft Generäle wie Erich Vad und Harald Kujat. Bei Andre Wüstner, dem Vorsitzenden des Bundeswehrverbands, habe ich den Eindruck gewonnen, dass er vor allem die Uniform im Blick hat. Uniformen sind mir nicht fremd. Als Beamter im Justizvollzug zog mein Vater vor Dienstbeginn seine Uniform an und legte sie wieder ab, sobald er seinen Dienst beendet hatte und ins Privatleben zurückgekehrt war. Mag sein, dass die Bundeswehr zur Zeit einen Nachholbedarf hat und den gebührenden Respekt einfordern und zurückgewinnen möchte. Ob das indessen durch demonstratives Tragen von Uniformen, zum Beispiel bei Talkshows, gelingen kann, wage ich zu bezweifeln.
Mittwoch, 5. April 2023 - 18:22 Uhr
Der Nordatlantik-Pakt, also die NATO feiert sich
Anders als immer wieder behauptet, ist die NATO primär nicht ein militärisches, sondern ein politisches Bündnis mit der Verpflichtung, für den Fall, dass einer der Mitgliedsstaaten von einem Drittstaat angegriffen wird, dem Angegriffenen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln beizustehen. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit kann diese Hilfe auch militärischer Natur sein. Hierzu hat sich die NATO auch eigene militärische Strukturen geschaffen. Diese Unterscheidung und Gewichtung zeigte sich in den Jahren 1966/67. Präsident Charles de Gaulle erklärte und vollzog den Rückzug aus der militärischen Integration. Frankreich blieb jedoch NATO-Mitglied, das NATO-Hauptquartier wurde indessen von Paris nach Brüssel verlegt.
Das Bündnis wurde 1949 gegründet, bezog sich in der Präambel des Vertrages auf den Artikel 51 der UNO-Charta (Recht auf Selbstverteidigung) und bekannte sich zu Frieden, Demokratie, Freiheit und Herrschaft des Rechts ("Wertegemeinschaft" . Die Gründung der Allianz war Folge der zunehmenden Entfremdung zwischen den USA und der Sowjetunion Der amerikanische Präsident proklamierte 1947 die "Truman-Doktrin". der Kalte Krieg nahm Fahrt auf; ließ den Warschauer Pakt (Ostblock) entstehen. Kalt- und Warmzeiten wechselten sich ab: Entstalinisierung, Tauwetterperiode, Berlin-Krise, neue Ostpolitik, der sozialliberalen Koalition Nachrüstung etc. 1991 löste sich der Ostblock auf, die NATO blieb am Leben und suchte neue Tätigkeitsfelder. Der Nordatlantik mit seinen Anrainerstaaten war im Wesentlichen befriedet, was der NATO die Existenzgrundlage zu entziehen drohte. 1992 wurden "Out-of-Area"-Einsätze ermöglicht und praktiziert, zum Beispiel in der Bekämpfung des "internationalen Terrorismus". 2001 folgte Kanzler Gerhard Schröder den Vereinigten Staaten in den Afghanistan-Krieg. Erstmals in der Geschichte der NATO wurde nicht ein feindlicher Staat bekämpft, sondern eine diffuse Personengruppe, die Washington in Afghanistan vermutete. Osama Bin Laden wurde allerdings im benachbarten Pakistan aufgespürt und "eliminiert". 2003 lief es dann für den amerikanischen Präsidenten George W. Bush nicht mehr so rund. Die Mehrheit der NATO-Mitglieder verweigerte ihm im Vorfeld und nach Eröffnung des Irak-Krieges die Gefolgschaft. Vergeblich hatte Bush sich um ein UNO-Mandat bemüht. Der Sicherheitsrat sperrte sich, und Bundeskanzler Schröder bezog verbale Prügel aus Washington. Bush warf ihm Wortbruch vor. Zurück nach Europa. Im Jahr 2000 löste Wladimir Putin den russischen Präsidenten Boris Jelzin ab, der 1991 Michail Gorbatschow entmachtet hatte. Zunächst stand Putins Präsidentschaft noch im Zeichen der Entspannung zwischen Ost und West (2002 Bildung des NATO-Russland-Rates), was so manchen westlichen Politiker zu der Fehleinschätzung verleitete, es bei den russischen Präsidenten mit leicht zu handhabenden Weicheiern zu tun zu haben. Boris Jelzin hatte sich unter den Augen eines erfahrenen, hochqualifizierten amerikanischen Kardiologen einer komplizierten Herzoperation unterzogen. Putins Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz (2008) ließ aufhorchen, stellte er doch die Führungsrolle der USA in sämtlichen Bereichen der Weltpolitik in Frage. Das war unerhört und ließ vermuten, der russische Bär zeige jetzt sein wahres Gesicht und gehe zum Angriff über.
Die NATO hatte inzwischen damit begonnen, das in Ost- und Südosteuropa entstandene Machtvakuum aufzufüllen und die ehemaligen Staaten des Ostblocks zu NATO-Beitrittsgesprächen einzuladen. Mit beachtlichem Erfolg. Mit einem pompösen Festakt in Brüssel wurde Anfang April 2023 die Aufnahme Finnlands zelebriert. Die NATO sei noch stärker geworden. Das sei aber keineswegs gegen Russland gerichtet, wie man im NATO-Hauptquartier im Brustton der Überzeugung versicherte. Das Putin-Regime wird das nicht überzeugen. - An der russischen Westgrenze tat sich jedoch noch eine Lücke auf: Moldau (Moldawien) und die Ukraine. Lohnende Ziele zur Abrundung der Osterweiterung der NATO. Eilfertige Vorarbeiten setzten ein. Um zu verhindern, dass Russland den Stützpunkt seiner Schwarzmeerflotte (Sewastopol) verlor, ließ Putin 2014 die Krim besetzen. Sanktionen gegen Russland waren die Antwort des politischen Westens. Ideologische Grundlage dieses Vorgehens: die gemeinsamen Werte wie Demokratie, Freiheit, Selbstbestimmungsrecht der Völker. Zweifelsfrei kommt diesen Werten die allerhöchste Achtung zu. Problematisch, ja gefährlich wird es dann, wenn sie als Exportschlager mit dem Ziel der Weltmarktbeherrschung dienen oder gar missbraucht werden sollen - um alle Völker der Welt mit ihnen zu "beglücken".
Im Juni 2022 versammelten sich in Madrid die Staats- und Regierungschefs der NATO-Länder, um angesichts des Ukraine-Krieges eine neue Strategie zu erörtern und zu beschließen. Das Novum: Die Volksrepublik China gerät ins Visier der NATO. Es gelte die Freiheit der Weltmeere und der Seehandelsstraßen sicherzustellen. Deutsche Kriegsschiffe und Kampfjets sind bereits in den "indopazifischen Raum" aufgebrochen, zu "Freundschaftsbesuchen", wie es heißt. Es kann nicht im Interesse der Bundesrepublik liegen, sich erneut vor den Karren US-amerikanischer Interessen spannen zu lassen und die Beteiligung Deutschlands an einem militärischen Konflikt in Fernost zu riskieren. US-amerikanische Generäle rechnen mit einem Krieg gegen Festland-China in den nächsten zwei Jahren wegen der Absicht Pekings, die "abtrünnige Provinz" Taiwan "heimzuholen". Ein verantwortungsbewusster deutscher Bundeskanzler bewahre uns davor!
Montag, 3. April 2023 - 12:54 Uhr
Der Kanzler und die Pythia
Es wird höchste Zeit, das dumpfe, mehrdeutige Geraune hinter sich zu lassen und
- entweder den Mund zu halten - mit dem Hinweis auf
laufende vertrauliche Gespräche -
- oder Klartext zu reden und mögliche Wege zur Beendigung
des entsetzlichen Krieges in der Ukraine aufzuzeigen.
Der Altkanzlerin Angela Merkel wurde nicht nur einmal vorgeworfen, sie betreibe eine "Schlaftablettenpolitik". Was jedoch macht die Ampel anders? Zwar kauert Olaf Scholz nicht im Untergeschoss eines Tempels über einer Felsspalte und atmet betäubende Dämpfe ein. Doch seine Verlautbarungen bleiben ähnlich nebulös, wenn er beispielsweiseverkündet, "mit der Waffe an der Schläfe" könne man nicht verhandeln. Bisher aber habe ich noch keinen ukrainischen Politiker in einer solchen Situation gesehen. Herr Selenskji und seine Regierung überlassen das lieber der schuldlosen Bevölkerung. Deren verzweifelte Hilferufe verhallen ungehört.
Gern wird auch behauptet, Deutschland im Verbund mit "der ganzen Welt" (A. Baerbock) werde die Ukraine "so lange wie nötig" auch mit Waffenlieferungen unterstützen. Was jedoch heißt das, bitte schön? Will der "politische Westen" in der Ukraine die Hoffnung nähren, auch die Krim zurückgewinnen zu können? Soll sich der Westen auf die noch zu schaffende "Kriegsmentalität" (J. Borrell) einstellen, also moralisch auf-rüsten? Der deutsche Bundeskanzler stemmt sich leider solchem Irrsinn nicht entschieden entgegen und wirkt daran mit, ein Klima zu erzeugen, in dem jeder, der mit guten Argumenten zu Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen aufruft, an den Pranger gestellt und verdächtigt wird, mit Wladimir Putin zu sympathisieren und dessen Krieg gutzuheißen. Statt zunächst nach Kiew zu reisen und erst danach im Kreml vorzusprechen, wäre die umgekehrte Reihenfolge sinnvoller gewesen. Denn in Moskau wurden die Karten gemischt, die Würfel geworfen. Willy Brandt und Egon Bahr wussten dies, sonst wäre die neue Ostpolitik gescheitert, ehe sie ins Werk gesetzt werden konnte. In zähen. langwierigen Unterredungen (vom Herbst 1969 bis August 1970) wurde der Moskauer Vertrag ausgehandelt. Egon Bahr wusste genau, was er der Sowjetunion zumuten konnte und was nicht. Die deutsche Frage blieb fürs erste ausgeklammert, obwohl gerade deren Lösung als Fernziel niemals aus den Augen verloren wurde - gemäß dem Wiedervereinigungsgebot in der Präambel unseres Grundgesetzes. CDU und CSU liefen Sturm gegen die sozialliberale Ostpolitik und riefen das Bundesverfassungsgericht an - glücklicherweise ohne den gewünschten Erfolg. Die Ironie der Geschichte wollte es, dass ausgerechnet der CDU-Kanzler Kohl die Früchte der neuen Ostpolitik ernten konnte.
Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth formulierte den Appell: "Wir dürfen uns nicht hinter Willy Brandt verstecken." Darauf ist zu erwidern: Im Unterschied zu Helmut Kohl verfügte Willy Brandt nicht über eine körperliche Fülle, aufgrund deren er sich als Sichtschutz geeignet hätte. Roths törichter Satz legt lediglich Zeugnis ab von der Einfallslosigkeit so mancher SPD-Politiker . Willy Brandt war alles andere als ein Traumtänzer.
Zur Zeit wird der Bundesregierung von vielen Verbündeten eine Führungsrolle auferlegt. Letztere darf sich freilich nicht darauf beschränken, der Ukraine die meisten Waffen zu liefern. Michael Roth kann auch in der Lieferung von Kampfjets keine "rote Linie" erkennen. Nun denn, soll er sich doch zum Kampfpiloten ausbilden lassen! Mit Anton Hofreiter als Kühlerfigur auf dem neuesten Kampfpanzer namens Panther gäbe er ein treffliches und wohl auch treffsicheres Gespann ab. Wenn Scharfmacher wie Jens Stoltenberg und Konsorten sich zu Wort melden, muss man, wenn auch ungläubig, den Weckruf vernehmen, doch ja nicht nachzulassen in der militärischen Unterstützung der Ukraine. Dieser Krieg sei noch längst nicht entschieden. Die Ukraine dürfe die Hoffnung auf einen Sieg über die russischen Streitkräfte nicht verlieren. Politiker dieses Schlages sind es auch, die lauthals die Behauptung verbreiten, in der Ukraine werde um die Freiheit der ganzen Menschheit gekämpft. Welch eine Vermessenheit! Um den Weltfrieden wird mir dabei angst und bange. Ich hegte die Zuversicht, die Welt habe aus dem Afghanistan-Debakel gelernt.
Gespannt bin ich darauf, wie lange die deutsche Bevölkerung es sich ohne Murren und widerstandslos noch gefallen lässt, dass Regierung und Parlament großzügig und hemmungslos mit Steuergeldern und Schulden umspringen. Wenn man sich anhört. wofür Wirtschaftsminister Robert Habeck im Zuge seiner Ukraine-Reise die Bundesrepublik haften und Garantien geben lassen will, muss man annehmen. in seiner Phantasie gebe es riesige Stallungen mit Dukatenscheißern. Leichter kann man es der AfD nun wirklich nicht mehr machen.
Donnerstag, 23. März 2023 - 19:54 Uhr
Maischberger - Lafontaine - Kiesewetter
Selbst nach etwa vier Wochen ist es immer noch nicht bei allen angekommen. Hartnäckig hält sich das Gerücht, Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht hätten in ihrem "Manifest für Frieden" den Stopp aller Waffenlieferungen an die Ukraine gefordert. Auch Sandra Maischberger bemühte am 21. März in ihrer Talkshow zunächst diese Falschinformation. Oskar Lafontaine versuchte richtigzustellen. Ob dies gelungen ist, wage ich zu bezweifeln. Zu schwierig scheint es zu sein, den offenkundigen Unterschied zwischen einem generellen Stopp der Waffenlieferungen und dem Stopp der "Eskalation der Waffenlieferungen" gelten zu lassen. Schnell gerät in den Verdacht, mit Wladimir Putin zu sympathisieren oder ihm sogar in die Hände zu arbeiten, wenn man auch nur laut darüber nachdenkt, dass nur Waffenstillstandsverhandlungen zu einem Ende des Blutvergießens und der Zerstörung führen könnten. Damit räume man die eigene Schwäche ein und ermuntere den russischen Präsidenten zum Weitermachen. Die nächsten Opfer des russischen "Imperialismus" stünden bereits fest. Folglich müsse die Ukraine auch weiterhin militärisch unterstützt werden - "so lange wie nötig". An Verhandlungen sei erst zu denken, wenn Russland seine Truppen aus allen ukrainischen Gebieten einschließlich der Krim abziehe. Im Endeffekt läuft eine solche Doktrin darauf hinaus, in der Ukraine das gesamte Waffenarsenal der NATO-Staaten konzentrieren zu wollen, damit Putin einlenkt und den Rückzug antritt. Dabei wird gar nicht bedacht, dass Russland, ohnehin zu einer ""Regionalmacht" minimiert, seine Verhandlungsbasis aufgäbe und ruhig mit ansehen müsste, wie die siegreiche Ukraine in die NATO aufgenommen würde. Wie vernagelt muss man eigentlich sein, um nicht zu erkennen, wie aussichts- und chancenlos derartiges Denken und Handeln wäre?
Oskar Lafontaine wies darauf hin, wie wenig Rücksicht die NATO auf Russlands Sicherheitsinteresse genommen habe. Zum Beispiel durch die Stationierung von US-amerikanischen Raketen in Rumänien und Polen, also nahe der russischen Grenze. Roderich Kiesewetter wandte ein, diese Waffen seien rein defensiv und nicht gegen Russland gerichtet, sondern gegen den Iran. Lafontaines Zweifel an dieser Mär teile ich uneingeschränkt. Gleiches gilt für die Bedenken hinsichtlich der Osterweiterung der NATO. Die Integration der osteuropäischen Länder in das westliche Lager hätte auch so geregelt werden können, dass Russlands Groß- und Weltmachtstellung nicht von diesem Prozess berührt worden wäre. 2008 wurde der Ukraine der Status eines NATO-Beitrittskandidaten zuerkannt. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel zweimal die Vollmitgliedschaft verhinderte, war dies nicht eine Großtat zur Bewahrung des Weltfriedens, desgleichen keine freundlich entgegenkommende Geste gegenüber Putin - wie Oberst Kiesewetter meint -, sondern das zu erwartende Mindestmaß politischer Vernunft. Im Februar 2022 war der Status der Ukraine immer noch nicht geklärt, was der russische Präsident so verstehen konnte: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Um zu retten, was schwerlich noch zu retten war, versuchte Kanzler Scholz zu beschwichtigen: Die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine stehe "gar nicht auf der Tagesordnung".
Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht mir nicht darum, die Bedrohlichkeit des russischen Diktators zu unterschätzen und die russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine klein zu reden. Vielmehr kommt es darauf an, Möglichkeiten auszuloten, wie das Ende des Blutvergießens und der Zerstörung erreicht werden kann. Von dem Besuch des chinesischen Präsidenten in Moskau zu erhoffen, dass dieser mäßigend auf Putin einwirken und ihn dazu bewegen könne den Ukraine-Krieg von sich aus ohne Gegenleistungen zu beenden, zeugt von grenzenloser Naivität. Nur Verhandlungsbereitschaft hilft hier weiter. Mit einem üblen Beigeschmack von Enthusiasmus wird allenthalben gefordert , die Ukraine mit Lieferungen von Waffen und Munition zu unterstützen - bis zum Sieg. Damit wird das politische Klima weiter aufgeheizt und eine Ausweitung des Krieges wahrscheinlicher. Thomas Manns Roman "Der Zauberberg" endet mit den Kapiteln "Die große Gereiztheit" und "Der Donnerschlag". Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs sprengt die internationale Gemeinschaft von Lungenkranken auseinander - von der neutralen Schweiz zurück in die Heimatländer. Dort werden die hochgradig Ungesunden gebraucht - für Kriegszwecke. Es wurde dann mehr als der Auftakt zu einem Gewitter. So empfanden es damals viele - als Entladung unerträglich gewordener Spannung.
Sandra Maischberger fragte Oskar Lafontaine, ob denn die vermeintliche Schwächung Russlands auf dem internationalen Parkett etwa den Angriffskrieg auf die Ukraine rechtfertigen könne. Lafontaine war so klug, diese Frage nicht so zu beantworten, wie die Interviewerin es gern gehört hätte. Die suggestive Frage war nichts anderes als eine Provokation, eine Falle, um den Mitbegründer der LINKEN bloßzustellen.
Montag, 20. März 2023 - 17:33 Uhr
DIE LINKE - leider nur noch ein Jammerlappen
Am 17. März debattierte und beschloss eine Reform des Wahlrechts. Diese war vom Bundesverfassungsgericht angemahnt und ein ganzes Jahrzehnt verschleppt worden, vor allem von der CSU. Von Alexander Dobrindt war nichts anderes zu erwarten. Er hatte seinem Heimatland Bayern systematisch so manches zugeschustert und malte nun am 17. März das Horrorszenario an die Wand, nach dem neuen Wahlrecht werde ermöglicht, dass die CSU 2025 im neuen Bundestag mit gar keinem direkt gewählten Abgeordneten mehr vertreten sei. Dem entgegenzuhalten wäre, dass dem Freistaat insgesamt nur so viele Bundestagsmandate zustehen, wie es seinem Anteil an der deutschen Gesamtbevölkerung entspricht. Das jedoch ist dem CSU-Landesverbandsvorsitzenden nicht genug. Er besteht auf einer bayrischen Extrawurst und nennt das neue Wahlrecht ein "Schurkenstück", als dessen "geistigen Vater" er die AfD ausmacht. Diese argumentative Primitivität spricht für sich. Was dann aber der LINKEN-Abgeordnete Jan Korte von sich gab, disqualifizierte ihn als ernstzunehmenden Politiker. Das neue Wahlgesetz sei "hingerotzt", ein "Anschlag auf die Demokratie" und opfere die neuen Bundesländer der AfD. Ja wer hat denn die Schaffung "sicherer Fluchtwege nach Europa" für wichtiger gehalten als die Belange der Stammwählerschaft von PDS und KLINKEN? Wer hat so die Migration in den Arbeitsmarkt in Kauf genommen - auf Kosten von Arbeitnehmerinnen und -nehmern in den östlichen Bundesländern. Das hat doch das Erstarken der AfD im Osten gefördert. Wer hat denn gegen Oskar Lafontaine ein Parteiausschlussverfahren anstrengen wollen? Das Gleiche drohte Sahra Wagenknecht im Zusammenhang mit dem Erscheinen ihres Buches "Die Selbstgerechten.". Eine Partei, die Intelligenz und Sachverstand nicht erträgt, befördert sich selbst ins politische Abseits. Die Landtagswahlen im Saarland (2022) zeigen dies deutlich. Der Absturz der LINKEN war absehbar. Geht es demnächst Gregor Gysi ans Leder? - Bei den Bundestagswahlen 2017 konnte DIE LINKE noch stolze 9,2% für sich verbuchen und lag noch knapp vor den Grünen. 2017 waren es nicht einmal mehr volle 5%. Nur die "Grundmandatsklausel" bewahrte die Partei vor dem Rausschmiss aus dem Parlament. DIE LINKE muss sich einiges einfallen lassen, um auf diese Ausnahmeregelung nicht mehr angewiesen zu sein. Die Beschäftigung mit den Schriften linker Vordenker wie Joseph Schumpeter und Karl Kautsky wäre geeignet, Sinne und Verstand zu schulen. Auch der Italiener Antonio Gramsci hat immer noch etwas zu sagen im anspruchsvollen politischen Diskurs.
Jan Kortes "hingerotzt" hat Dietmar Bartsch säuerlich und gequält lächeln lassen. Recht so, es war "unter aller Sau".
DIE LINKE hat ihre einstige Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht bei der Vorbereitung der Demonstration "Aufstand für Frieden " (25.2.23)im Regen stehen lassen. Sie habe sich nicht klar genug von den Rechtsextremen distanziert. Wird DIE LINKE neuerdings von der Angst vor rechts gepeinigt? Die Ankündigung, wegen des neuen Wahlrechts gemeinsam mit der CSU vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, eröffnet andere Perspektiven. Hat DIE LINKE am 15. Januar 2023 darauf verzichtet, an den Gräbern Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts an deren Ermordung zu erinnern? Und wenn ja: Warum? Ist "links sein" nicht mehr opportun, sogar in Verruf geraten?
Montag, 20. März 2023 - 15:04 Uhr
Wenn Politiker sich auf historisches Glatteis wagen
Was am vergangenen Wochenende (17./18.3.) zum Gedenken an die Märzereignisse des Jahres 1848 der Öffentlichkeit unterbreitet wurde, war eine einzige Peinlichkeit. Auch das deutsche Staatsoberhaupt meldete sich zu Wort und betrieb dabei leider Geschichtsklitterung. Die Aussagen zur Rolle des preußischen Königs, zu den Barrikadenkämpfen in Berlin, zur Bedeutung der teilnehmenden Frauen, zur Symbolik der Farben Schwarz-Rot-Gold waren stark verkürzt und daher irreführend. Jeder Abiturprüfling wäre damit durchgefallen. Note: ungenügend (6). Niemand verlangt vom Bundespräsidenten, über alles Bescheid zu wissen. Aber gab es im Präsidialamt niemanden, der seinen Dienstherrn hätte davor bewahren können, sich zu blamieren? Der spätantike bzw. frühmittelalterliche Schriftsteller Boethius (er hinterließ eine Schrift mit dem Titel "Der Trost der Philosophie" soll den Satz geprägt haben: "Si tacuisses, philosophus mansisses." Nun ist nicht von jedermann zu erwarten, ständig philosophisches Format zu beweisen. Unser politisches Spitzenpersonal sollte sich indessen davor hüten, auf das Niveau inkompetenter Plaudertaschen zu sinken. Sind Politikerinnen und Politiker der Zwangsvorstellung erlegen, Woche für Woche Blättern wie Bild am Sonntag Interviews geben zu müssen? Wer kann schon jederzeit Gescheites von sich geben? Eben deshalb empfiehlt es sich, zu gegebener Zeit einfach den Mund zu halten. Was sollen wir uns unter "feministischer Außenpolitik" vorstellen? Es gibt nur gute Außenpolitik, von Frauen und/oder Männern gemacht, gemäß Artikel 3, Satz 2 unseres Grundgesetzes. Außenpolitik ist nicht geschlechtsspezifisch und kann nicht Domäne von Frauen werden. Annalena Baerbock kann von ihrer Kabinettskollegin Svenja Schulze einiges lernen. Was die beiden Politikerinnen zum Weltfrauentag gleichsam synchron äußerten, ließ einen deutlichen Qualitätsunterschied erkennen.
Mittwoch, 15. März 2023 - 11:54 Uhr
Eva Högl und Andre Wüstner - zwei Herzen im Dreivierteltakt
Am 14. März war zunächst Eva Högl an der Reihe. In einer Plenarsitzung des Deutschen Bundestags stellte sie den Wehrbericht für das Jahr 2022 vor. Es war ein Klagegesang mit sämtlichen Registern. "Der Bundeswehr fehlt es an allem." Die Beschaffungsprozesse dauerten "viel zu lange". Das Personal sei zu knapp. Die meisten Kasernen befänden sich "in einem erbärmlichen Zustand". Auch als Arbeitgeber müsse die Bundeswehr attraktiver werden. Wer wolle schon zur Bundeswehr gehen, wenn nicht in jeder Kaserne flächendeckend WLAN verfügbar sei und die Kachelwände in Bad bzw. Dusche Schimmel ansetzten. Die 100 Milliarden Sondervermögen, mit einer Zweidrittelmehrheit vom Bundestag beschlossen, reichten bei Weitem nicht aus. Eher habe man sich auf eine Summe von 300 Milliarden Euro einzustellen. Deutschland stünden gewaltige Anstrengungen bevor. Erst um das Jahr 2030 werde Deutschland seinen Verpflichtungen zur Landes- und Bündnisverteidigung nachkommen können. Ich kann nur hoffen, dass Wladimir Putin diese Prognose nicht als Ermunterung versteht, noch vorher zuzuschlagen und deutsche Gebiete zu okkupieren. Sicherlich hat Frau Högl das Land schon bereist und vor Ort die zahlreichen Mängel in Augenschein genommen. Als Helmut Schmidt das Verteidigungsministerium übernahm, veranlasste er eine Generalinventur. und machte eine solche Bestandsaufnahme zur Grundlage von Reformmaßnahmen. Wenn Eva Högl gemeinsam mit Boris Pistorius sich von dem Zustand der Kasernen überzeugte, käme vielleicht heraus, dass die fraglichen Gebäude gar nicht mehr als Unterkünfte für Soldatinnen und Soldaten dienen, sondern anderweitig genutzt werden mit der Folge, dass es gar nicht so leicht ist, das Personal von Heer und Marine aufzustocken und unterzubringen.
Am 14. März nahm Andre Wüstner, derzeit stets adrett uniformierter Dauergast in Talkshows, an der Phoenix-Runde teil und bestätigte die Klagen der Wehrbeauftragten. Noch kein einziger Cent des Sondervermögens sei bisher bei der Truppe angekommen. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes ließ sich bereits mehrfach in Tagesschau und Tagesthemen vernehmen. Der Grundtenor war stets der gleiche. Die Bundeswehr leide Not. "Wir brauchen das Geld." In eigenem Interesse müsse Deutschland den Wehretat erhöhen. Anders lasse sich die Sicherheit nicht gewährleisten. Immerhin nimmt Oberst Wüstner das Wort "Kriegswirtschaft" nicht mehr so süffig in den Mund. Neuerdings zieht er die Formulierung "eine Art Kriegswirtschaft" vor in dem Irrglauben, dadurch dem Wortungeheuer "Kriegswirtschaft" die Brisanz zu nehmen. Wer´s glaubt, wird selig.
Viele verteidigungspolitische Stellungnahmen erwecken den Eindruck, es komme vor allem darauf an, viel Geld in die Hand zu nehmen. Zweitrangig ist offenbar, wofür das Geld sinnvollerweise ausgegeben wird. Die wahllose Aufnahme weiterer Schulden ist gegenüber künftigen Generationen nicht zu verantworten. Allgemeine Aufgeregtheit bis hin zur Hysterie muss politischer Vernunft weichen. Wann endlich bringt ein deutscher Spitzenpolitiker den Mut auf, überzogenen ukrainischen Begehrlichkeiten entgegenzutreten und zu erklären: Für eine Rückeroberung der Krim steht die Bundesrepublik nicht zur Verfügung. Schon gar nicht besteht eine "moralische" Verpflichtung Deutschlands, alle Wünsche seiner Nachbarn zu erfüllen. Die Praxis, Deutschland eine "historische Schuld " anzulasten und daraus Kapital zu schlagen, muss ein Ende finden. Allen Beteiligten sollte zu denken geben, dass die Zahl der AfD-Wählerinnen und Wähler zunimmt. In aktuellen Umfragen liegt diese Partei bei mehr als 14%. Auch die Rechtsextremen werfen dem Bundeskanzler vor, sich nicht an seinen Amtseid zu halten, nämlich Schaden vom deutschen Völk abzuwenden.
Rechtsextremistische Organisationen wie die Reichsbürgerszene, die "Patriotische Union" (Heinrich Prinz Reuß oder "Combat 18" ziehen viel Aufmerksamkeit auf sich und werden nach meiner Einschätzung hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit überschätzt. Im Dezember 2022 wurde eine Verschwörung gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung aufgedeckt und strafrechtlich verfolgt. Die Katastrophe wurde abgewendet und blieb aus. Die Bundesrepublik überlebte den Umsturzversuch - aufgrund ihrer verfassungsrechtlich gebotenen "Wehrhaftigkeit". Viel zu wenig beachtet wird die Bedrohung aus der "bürgerlichen Mitte" heraus. Solange ein Bundesminister wie Volker Wissing die Sorgen vornehmlich jüngerer Bürgerinnen und Bürger unwidersprochen als "Klima-Blabla" abtun kann, solange Konzerne wie RWE mit Hilfe von Steuergeldern Milliardengewinne einfahren und die FDP eine "Übergewinnsteuer" verhindert, solange Wirtschaftsminister Robert Habeck in den vorderen Orient und nach Südamerika reist, um dort fossile Brennstoffe einzukaufen, ist es schlecht bestellt um die deutsche Umweltpolitik. Und dann wundert es so manchen, dass Klimaaktivisten sich auf belebten Straßen festkleben, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Sicherlich sind solche Aktionen gesetzwidrig und strafbar. Das wissen auch die Akteure selbst. Cem Özdemir hält ihnen entgegen: für den Klimaschutz gebe es Mehrheiten, für illegales Handeln nicht. Doch wo finden sich diese Mehrheiten und werden aktiv? Erstaunlich viele politisch Verantwortliche fliegen sowohl im Inland als auch in der weiten Welt umher, hinterlassen dabei gewaltige Mengen von klimaschädlichen Gasen. Dass an den Polen das Eis schmilzt und der Meeresspiegel steigt - was interessiert es sie? In Brasilien verkündet Habeck, Deutschland unterstütze dort Projekte zur Erzeugung grünen Wasserstoffs. Wie aber kommt dieser wichtige Energieträger nach Europa, nach Deutschland? Sollen Pipelines gebaut oder der verflüssigte Wasserstoff in riesigen Tanks über den Atlantik verschifft werden? "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut" ruft vielerorts die Bewegung "Fridays for future" . Doch wer hört da noch hin und nimmt diese Klagen ernst? Wichtiger ist es offenbar, pünktlich mit Verbrennermotor zur Arbeit zu kommen.
Freitag, 10. März 2023 - 18:38 Uhr
Friedrich Merz - Shooting Star im ARD-Mittagsmagazin
Eines muss man ihm lassen: Er weiß sich telegen in Szene zu setzen. Im heutigen ARD-Mittagsmagazin folgte dem ersten Blog, einer Reportage über die entsetzlichen Ereignisse in Hamburg-Alsterdorf, ein ausführlicher Bericht über die CDU-Regionalkonferenz im schwäbischen Pforzheim am Donnerstagabend. Zentrale Kultfigur: der CDU-Vorsitzende aus dem Sauerland. Der Zufall wollte es, dass Ann-Cathrin Müller, Leiterin der Realschule Pfronstetten (Neuffen), dabei gezeigt wurde, wie sie in Begleitung ihres Gemahls Gerd den Weg von Reutlingen nach Pforzheim auf sich nahm, um ihrem Idol nahe zu sein. Hinter dem Paar saß in dem geräumigen Auto rein zufällig ein ARD-Reporterteam, um mit Kamera und Mikrophon der Dame die Gelegenheit zu geben, ihr Anliegen wortreich darzulegen. Zauberhaft waren auch die Ausblicke auf die noch intakte Natur an beiden Seiten der Straße.
In Pforzheim angekommen, erlebte Frau Müller, stellvertretende Vorsitzende des CDU-Kreisverbands und in der Frauenunion aktiv, das verspätete Eintreffen des CDU-Chefs, der auf dem Weg zur Tribüne auch geküsst haben soll. Merz hob hervor, welche immense Bedeutung Frauen in der Union hätten. Es gelte diejenigen zurückzuholen, die 2021 nicht die CDU gewählt hätten. Die CDU- Spitzengremien wollten "die Basis einbeziehen". Man wolle alle Mitglieder "digital erfassen", auf sie "zugreifen" können, auch erfahren, welchen Beruf sie ausübten, um so zu wissen, wo der Schuh drücke. Ein neues
"Grundsatzprogramm" werde erarbeitet, mit den alten CDU-Werten und Antworten auf die drängenden Fragen der Gegenwart. Die Veranstaltung schloss damit, dass die Anwesenden feierlich und aus voller Kehle die deutsche Nationalhymne anstimmten. Ann-Cathrin Müller fühlte sich verstanden und zeigte sich optimistisch: "Wir schaffen das."
Susann Reichenbach bedauerte, Friedrich Merz nicht noch am 9. März interviewt zu haben, präsentierte jedoch nachträglich ein Gespräch mit Merz vor wenigen Tagen.
Wie konnte es zu diesem Spektakel kommen, das nichts anderes war als Parteiwerbung für die CDU? Und das auch noch kostenlos. Wie war es möglich, dass Susann Reichenbach und Aimen Abdulaziz Said sich für Parteiwerbung benutzen ließen? In dem Roman "Käsebier erobert den Kurfürstendamm" wird die Hauptperson Georg mit allen verfügbaren Mitteln der Medienwelt in ungeahnte Höhen emporgejubelt, bis er am Ende ebenso jäh wieder abstürzt. Er hat sich bezahlt gemacht, seinen Zweck erfüllt, kann fallen gelassen werden.
Vom Kurfürstendamm ist es nicht weit bis zur ehemaligen Prachtstraße Unter den Linden, Hier hat sich das ZDF-Hauptstadtstudio eingerichtet, geleitet von Theo Koll. Aus diesem Studio wird auch das Mittagsmagazin des Ersten Deutschen Fernsehens gesendet. Die Grenzen zwischen den beiden Rundfunkanstalten sind fließend, durchlässig. Entert das Zweite Deutsche Fernsehen die traditionellen Domänen der ARD? Steht uns ein ZDF-dominierter Einheitsbrei bevor? Wer schreibt die Texte, die in den Nachrichtensendungen, offenbar auswendig gelernt, stereotyp gleichlautend im Stundentakt dem Fernsehvolk verabreicht werden? Dagmar Berghoff und Karl-Heinz Köpcke lasen die Texte von DINA4-Seiten ab - wirklichkeitsnäher und dabei keineswegs weniger informativ.
Wann wacht die SPD auf? Die CDU feuert, von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unterstützt, aus allen Rohren. Die Attacken zielen auf die Ampel als Ganzes. Markus Söder bezeichnet sie als die "schlechteste Regierung", die Deutschland jemals hatte. Der Beschuss richtet sich aber vornehmlich auf den Bundeskanzler. Er wäre nicht der erste SPD-Regierungschef, der zu Fall gebracht werden soll. Norbert Röttgen wirft ihm vor, für das Munitionsdesaster in der Ukraine verantwortlich zu sein. Dieser Mangel sei viel zu spät bemerkt worden. Dringend sei Abhilfe erforderlich - wenn es dafür nicht bereits zu spät sei. Das Wohl der westlichen Welt und ihrer Werte stehe auf dem Spiel. Eine Katastrophe sei nur mit der Rückkehr der CDU ins Kanzleramt abzuwenden.
Donnerstag, 9. März 2023 - 16:53 Uhr
Ungeheuerliches bereitet sich da vor - zum Beispiel in Stockholm
Überraschend kommen sie nicht, die Empfehlungen, auf die sich die Verteidigungsminister von EU und NATO am 8. März in Stockholm geeinigt haben. Sicherlich war es kein Zufall, dass man sich in der schwedischen Hauptstadt traf. Schweden soll NATO-Mitglied werden, was noch in Ungarn und der Türkei auf Widerstand stößt. Das soll sich aber bald ändern. Zumindest wurden in Stockholm erst einmal Entschlossenheit und Stärke der westlichen Welt demonstriert. Entsetzt war ich allerdings, als Josep Borrell, EU-Außenbeauftragter, den Mund auftat und das Wort ergriff. Es sei notwendig, dass im Westen eine "Kriegsmentalität" entstehe. Ist der Spanier noch ganz dicht? Nach der "Kriegswirtschaft", propagiert von Andre Wüstner, dem Vorsitzenden des Bundeswehrverbands, und Rob Bauer, einem niederländischen Admiral, der zugleich dem NATO-Militärausschuss vorsitzt, folglich kein Leichtgewicht darstellt, nun auch noch die Heranzüchtung einer "Kriegsmentalität" mittels Gehirnwäsche!? Und Leute dieses Schlages werden von EU und NATO finanziell abgesichert!? Zur Unterfütterung dieser martialischen Gesinnung stellt Josep Borrell der Ukraine weitere Munitionslieferungen in Aussicht - im Wert von etwa einer Milliarde Euro aus EU-Geldtöpfen. Woher nimmt Herr Borrell das Recht, so großzügig mit öffentlichen, also auch Steuermitteln zu verfahren und die Kriegsgräuel anzuheizen? Politakteure solchen Kalibers sollten sich auf ihren Geisteszustand hin untersuchen lassen. Kennen sie denn gar keine Rücksicht auf Menschenleben und den Erhalt des europäischen Kontinents?
Die baltischen Staaten und Polen lassen sich ihre Angst vor den Russen teuer vergüten. Da genügt es auch nicht, dass Joe Biden den osteuropäischen Ländern weitere Unterstützung zusichert und der deutsche Verteidigungsminister betont, die Verteidigungslinie der NATO habe sich nach Osten hin verschoben und auch die Bundeswehr sehe ihre Aufgabe darin, die NATO-Ostflanke zu sichern. Dies zeige sich auch an der deutschen Beteiligung an Militärübungen in Litauen. Aber die Regierung in Vilnius fordert mehr und möchte ein zusätzliches Bataillon dauerhaft an der Grenze zu Russland stationiert wissen. Den Unterhalt der deutschen Truppen soll selbstverständlich die Bundesrepublik finanzieren. Die Regierungen im Baltikum und in Polen reißen den Mund weit auf und brüsten sich ihrer militärischen Hilfen für die Ukraine. Gern wüsste ich jedoch, wie viele polnische Leopard 2-Panzer bisher in der Ukraine zum Einsatz gekommen sind.
Das Geschrei nach Rüstungsgütern ertönt allenthalben. Viel zu wenig Gehör finden indessen Stimmen, die auf ein rasches Ende des Krieges drängen. Dabei sind sie äußerst wichtig. Denn der militaristische Bardengesang zielt auf eine Katastrophe enormen Ausmaßes. Immer noch wird behauptet, Alice Schwarzers und Sahra Wagenknechts "Manifest für Frieden" fordere ein Ende der Waffenlieferungen und spreche der Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung ab. Alle, die bereit sind, genau hinzuschauen, und ihre Ohren offen halten, können sich davon überzeugen, dass die beiden Frauen und ihre beiden männlichen Mitstreiter dazu aufrufen, die sinn- und ziellose "Eskalation" der Waffenlieferungen zu beenden und den Weg für Waffenstillstandsverhandlungen frei zu machen. Damit sei nicht eine "Kapitulation" vor Russland gemeint. Was eine "bedingungslose Kapitulation" bedeutet, haben die Deutschen 1945 erlebt. So weit darf und soll es nicht wieder kommen.
Mittwoch, 8. März 2023 - 17:39 Uhr
"Equal Pay Day", "Work Life Balance" and so on
Auch der Bundeskanzler reitet auf dieser Welle mit und verkündet: "You never walk alone." Dabei kann Olaf Scholz nur darauf hoffen, dass nicht alle In Deutschland Lebenden ihn beim Wort nehmen. Sonst könnte es ungemütlich werden. Wir feiern heute den Weltfrauentag und vernehmen, Frauen-"Power" mache "happy". All dies wird nur noch übertroffen von Heinrich Lübkes unsterblicher Ankündigung "Equal goes it loose" beim Empfang der englischen Königin im Jahre 1965.
Der Slogan "Equal Pay Day" kommt ohne die Wörter Frau und Mann aus, obwohl diese von zentraler Bedeutung sind. Schließlich geht es um gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit bei Männern und Frauen. Ähnlich verhält es sich mit der Formulierung "Work Life Balance", denn sie suggeriert, Arbeit sei nicht Teil des Lebens. Bei der Bemängelung solcher Sprüche geht es mir nicht um sprachlichen Purismus. Wenn Fremdwörter der präzisen Benennung komplexer Sachverhalte dienen, sind sie unentbehrlich. Ärgerlich ist nur, dass die "User" obengenannter "Headlines" den Eindruck erwecken, dass die deutsche Sprache ungeeignet sei, präzise das in Worte zu fassen, was gemeint ist, und ihr Unvermögen damit kaschieren, dass sie missverständliche, modische Anglizismen verwenden. Was treibt einen Teppichverkäufer dazu, seine Ware als "Eye Catcher" anzupreisen? Gehört das zum gängigen "Life Style"? Dürfen es nur noch "Highlights" sein? Werden diejenigen, die sich in dieser Beziehung verständlichkeits- und genauigkeitshalber zurückhalten. zu "Misfits" degradiert?
Annalena Baerbock ist zur Zeit im Irak zu Gast, nicht zufällig am Weltfrauentag. Wie lange wird dieses Wort sich noch halten können? Bald wird es wohl durch ein anglo-amerikanisches Modewort ersetzt, auf Kosten der Genauigkeit und der begrifflichen Schärfe. Die deutsche Außenministerin betonte die Wichtigkeit der Beteiligung von Frauen in der Politik. Diese sei ein Beitrag zur Sicherung des Weltfriedens, denn Frauen hätten ein besseres Gespür für den Schutz des Lebens. Verhaltensforscher haben in der Tat herausgefunden, dass Männer bei drohender Gefahr instinktiv die Flucht ergreifen, während Frauen, ebenso instinktiv, bei ihren Kindern ausharren, um das Leben, das sie neun Monate lang in sich haben heranwachsen fühlen, zu bewahren - Glucken nicht unähnlich, die ihre Küken bei Gefahr um oder unter sich versammeln und so deren Überleben sichern. Wenn ich mir allerdings das Gebaren von Spitzenpolitikerinnen, zum Beispiel Ministerpräsidentinnen, anschaue, nehme ich eine Tendenz wahr, es ihren männlichen Kollegen gleichzutun, um sich gegen sie zu behaupten, nicht als weichlich bzw. feminin zu gelten. Die Umkehr dieses Trends wäre ein Gewinn.
Montag, 6. März 2023 - 12:50 Uhr
Die Bundesrepublik Deutschland : Ein begehrter, lukrativer Prügelknabe und Sündenbock
Gestern Abend hatte Anne Will wieder einmal Gäste. Und wieder einmal war der Ukraine-Krieg das beherrschende Thema. Etwa 20 Minuten lang habe ich es ausgehalten, dann waren meine Aufnahmebereitschaft und Geduld erschöpft. Allzu tendenziös waren die Einlassungen der Ukrainerin Liudmyla Melnyk und der Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland namens Annette Kurschus. Was Christoph Heusgen zu der Diskussion beitragen würde, war absehbar - nach seinen Erklärungen während und nach der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2023. Melnyk beklagte den Mangel an deutscher Solidarität mit der Ukraine. Dies machte sie fest an dem "Manifest für Frieden" und der Demonstration "Aufstand für (den) Frieden" am 25. Februar in Berlin. Diese Aktionen hätten in der deutschen Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit gefunden als die Kundgebungen für die Ukraine in deren Kampf gegen den russischen Angriffskrieg. Anne Will widersprach sehr behutsam, was jedoch Frau Melnyk nicht daran hinderte, gegen Deutschland zu polemisieren. Ganz offenbar kennt sie das Manifest gar nicht und hatte die Solidaritäts-bekundungen um den 24 Februar herum überhaupt nicht wahrgenommen. Desgleichen nicht die Beflaggung des Reichstagsgebäudes und die Veranstaltung des Bundespräsidenten im Schloss Bellevue. Frank Walter Steinmeier, Kummer mit der Ukraine gewohnt - schließlich hatte die ukrainische Regierung ihn am 12. April 2022 wissen lassen, er sei in Kiew "momentan nicht willkommen" - hatte in seine Residenz eingeladen. Ebenfalls entgangen war der Ukrainern, dass Alice Schwarzers und Sahra Wagenknechts "Manifest für Frieden" sowie die Demonstration am 25. Februar auf breiter Front niedergemacht wurden, sowohl im Bundestag (2. 3.) als auch in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und in den meisten Presseorganen. Aus Melnyks Mund kam kein anerkennendes Wort über die Aufnahme von mehr als einer Million Kriegsflüchtlingen in Deutschland. Auch die bereits erfolgten Leistungen Deutschlands für die Ukraine waren nicht erwähnenswert. Dabei hatte die Bundesregierung bereits vor Monaten eine Liste mit deutschen Hilfsmaßnahmen ins Netz gestellt. Ebenfalls von Übel ist der permanente und penetrante Hinweis auf die Verantwortung Deutschlands für die Verbrechen der Nazi-Zeit. Wann hört das endlich auf, dass auf Deutschland eingedroschen wird zu dem Zweck, die Bundesrepublik zu noch mehr Hilfeleistungen zu nötigen? Hat die AfD nicht schon genug Zulauf? Vorsichtig fragte Anne Will, warum sie, Frau Melnyk, ihrer Großmutter nicht mitteile, dass laut einer Umfrage (Deutschland-Trend) die Zustimmung der Deutschen zu Waffenlieferungen an die Ukraine abzunehmen beginnt. Die Antwort der Enkelin: Dies sei ihrer Großmutter nicht zumutbar, weil die alte Dame sich noch erinnere an die Nazi-Gräuel des Zweiten Weltkriegs. Die Verpflichtung Deutschlands dauere an, und zwar wegen der historischen Schuld des deutschen Volkes.
Frau Kurschus spricht sich zwar grundsätzlich gegen Waffengewalt aus, aber die aktuelle Situation zwinge zum Umdenken; es drohe die "Vernichtung einer Nation und Kultur": diese müsse verhindert werden. Was ist, bitte schön, Frau Kurschus, die ukrainische Nation? Welche Ethnien gehören dazu? Und was soll man mit der ukrainischen Kultur assoziieren? Im 19, und 20. Jahrhundert, also auch zu Zaren- und Sowjetzeiten, war diese Kultur sehr lebendig und vielfältig. Um einige Namen zu nennen: Joseph Roth, David und Igor Oistrach, Lew Kopelew und andere. Weite Teile der heutigen Ukraine wurden von Wien aus regiert und "Galizien" genannt mit den Städten Czernowitz und Lemberg. Diese alte Kultur muss nicht mit Waffengewalt vor den Russen gerettet werden. Sie wird sicherlich überleben - wenn dieser furchtbare Krieg beendet wird. Andernfalls wird der ukrainische Mutterboden so mit Metallresten gespickt sein, dass weder an Aussaat noch an Ernte zu denken ist. Ganz zu schweigen von den Kriegstoten und den noch lebenden Ukrainerinnen und Ukrainern, sie sich nichts sehnlicher wünschen als das Ende des Blutvergießens und der Zerstörung. Nehmt endlich das Leid und die Hilferufe dieser Menschen zur Kenntnis, statt Konferenzen einzuberufen und zu reden, zu reden und zu reden ... Was sind das für Zeiten, in denen die Dokumentation von Kriegsverbrechen offenkundig wichtiger wird als die Anstrengungen, den Krieg schnellstmöglich zu beenden. - Wenn Frau Kurschus meint die Ukraine mit Waffengewalt befreien zu müssen, sollte sie als Repräsentantin der Kirche bedenken, dass noch im Ersten Weltkrieg der "Waffensegen" zum kirchlichen Repertoire gehörte. Für Gott und Vaterland. -
Bei Anne Will saß gestern Abend auch Kevin Kühnert, von dem ich schon Besseres vernommen habe. Er stand unter Druck, sah sich in der Defensive gegen Vorwürfe, denen die deutsche Sozialdemokratie gegenwärtig ausgesetzt ist. Er machte geltend, dass die Ukraine auch durch deutsche Waffenlieferungen in der Lage sei, der russischen Invasion standzuhalten. Das Anliegen Alice Schwarzers und Sahra Wagenknechts zu würdigen, wagte er nicht.
Donnerstag, 2. März 2023 - 18:17 Uhr
Der 2.März 2023: ein schwarzer Tag für den deutschen Parlamentarismus
Im Anschluss an eine Regierungserklärung des Bundeskanzlers nimmt sich der Deutsche Bundestag 68 Minuten Zeit für eine Debatte über den Antrag der LINKEN-Fraktion "Diplomatie statt Panzer". Das Plenum, nicht einmal mit einem Viertel seiner Mitglieder anwesend und offenbar doch beschlussfähig, wird Zeuge von Redebeiträgen sehr unterschiedlichen Niveaus. Dabei häufen sich auch Peinlichkeiten. Britta Häßelmann entstellt den Titel des LINKEN-Antrags. Bei ihr heißt es dann "Diplomatie statt Waffen", als wären Kampfpanzer die einzigen Waffen, als sei dem ukrainischen Volk mit einer Steigerung der Waffenlieferungen in Menge und Qualität auch nur im Geringsten geholfen. Gregor Gysi trägt eine besonnene, kluge Stellungnahme bei. Was dann folgt, ist schier unglaublich. Immerhin billigt Ralf Stegner seinem Vorredner einige intellektuelle Fähigkeiten zu, missbilligt jedoch den Inhalt des Redebeitrags. Dabei wird deutlich, dass es ihm um mehr als den LINKEN-Antrag geht. Diesen reiht er ein in jüngste Geschehnisse wie das "Manifest für Frieden" und die Demonstration "Aufstand für (den) Frieden" (25,Februar). Stegner spricht vom "Demo-Tandem Schwarzer-Wagenknecht" (geht es nicht noch verächtlicher?), übergeht die Ansprachen zweier Männer, nämlich eines Teilnehmers der Friedensbewegung der achtziger Jahre und des Brigadegenerals a.D. Erich Vad, teilt gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten vom 25. Februar aus und wirft diesen vor, mit den Rechten wie Reichsbürgern und AfD-Sympathisanten gemeinsame Sache zu machen. Ähnliches habe ich bereits von Jürgen Trittin gehört, der auch zu den Politikern zählt, die unsere Demokratie in Misskredit bringen . Von Ralf Stegner habe ich einmal den Satz vernommen: "Die SPD ist eine linke Volkspartei." Sollte ich mich da verhört haben? Einen achtbaren, promovierten Sozialdemokraten so viel dummes Zeug ohne hinreichende Sachkenntnis sprechen zu hören, tut weh und ist leider in sozialdemokratischen Kreisen kein Einzelfall. Billige Polemik als Ersatz für sachliche Auseinandersetzung? Auch der Hinweis darauf, selbst an Friedensdemonstrationen teilgenommen zu haben, kann das nicht wettmachen.
Der Bundestag lehnte den Antrag der LINKEN schließlich ab - "mit breiter Mehrheit", wie es hieß. Was war auch anderes zu erwarten von einer großen Koalition der Parteien, die für sich in Anspruch nehmen, die "bürgerliche Mitte" zu repräsentieren: CDU, Bündnis 90/Die Grünen. die FDP und die SPD - in trauter Einigkeit. Wohlgenährt, behäbig und selbstzufrieden sitzen sie da auf ihren Sesseln oder treten ans Rednerpult. Ihnen ist nicht anzumerken, dass sie das unsägliche Leid weiter Teile des ukrainischen Volks überhaupt interessiert. Lieber jubeln sie dem ukrainischen Botschafter zu oder lauschen dem zugeschalteten Präsidenten der Ukraine, der nicht müde wird, seinen westlichen Verbündeten für deren Waffenlieferungen zu danken, diese indessen regelmäßig für unzureichend erklärt. Erwünscht sind nun auch Kampfjets. Die Auswahl ist stattlich: Eurofighter, Tornados, F16 usw.
Katastrophal ist, dass die begründete Kritik an solcher Sicherheitspolitik der LINKEN und der AfD überlassen wird. Die LINKE sollte sich nicht diskreditieren und einschüchtern lassen von denen, die ihr vorwerfen, sich nicht deutlich genug von der politischen Rechten zu distanzieren. Wenn diese Masche zieht, ist bald gar keine Kritik mehr möglich.
Das politische Schmierentheater seit dem 24. Februar 2022 sowie der Zeit davor hat bei mir dazu geführt, dass ich diejenigen, die ihren Protest laut werden lassen oder sich gar radikalisieren, besser verstehe - und das in meinem 83. Lebensjahr. In dieser Hinsicht hat sich also die Altersweisheit noch nicht einstellen wollen. Warten wir auf bessere Zeiten mit einer besseren Politik.
Joseph Goebbels fragte am 18.2.1943 im Sportpalast die Anwesenden suggestiv und mit rhetorischer Raffinesse: "Wollt ihr den totalen Krieg?" Ich möchte nicht erleben, dass noch einmal eine Menschenmenge in zustimmendes, affirmatives Gejohle ausbricht. Weder die Niederschlagung des Volksaufstades in der DDR (Juni 1953) noch die sowjetische Unterwerfung Ungarns (1956) noch das gewaltsame Ende des Prager Frühlings (August 1968) hatte das Potenzial, einen großen Krieg auszulösen. Das hatte nicht zuletzt seinen Grund darin, dass die Groß- und Weltmächte den jeweiligen Interessenbereich des Gegners respektierten. Hoffen wir, dass es so bleibt. Außenpolitik mit missionarischem Eifer zu betreiben, birgt Gefahren für den Weltfrieden.
Dienstag, 28. Februar 2023 - 13:41 Uhr
Andre Wüstner, der Bundesblechtrommler
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes ist unermüdlich im Einsatz. Schließlich ist er der Cheflobbyist der Bundeswehr und gibt häufig Interviews, auch in der Tagesschau. Im Herbst 2022 mahnte er einen notwendigen "Paradigmenwechsel" an. Die Deutschen seien "alle aufgewacht". Die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft müssten jetzt einen "Kaltstart" hinlegen und darauf hinwirken, dass "wichtige Rüstungsprojekte endlich nach vorn gebracht" (16.1.23)würden. "Mehr Tempo und Lösungskompetenz" seien erforderlich (6,12,22). Fortsetzung folgt mit Sicherheit Die Werbetrommel wird nicht verstummen.
Wenn Oskar Matzerath trommelt, ist dies über Jahre hin Ausdruck kindlichen Protests. Er bleibt kleinwüchsig. will sich nicht von den Erwachsenen vereinnahmen lassen, wird Zeuge davon, wie in seiner kleinbürgerlichen Großfamilie eifrig und rücksichtslos auch außerehelich gevögelt wird und die Welt der Erwachsenen sich fast unmerklich dem Nationalsozialismus öffnet. Bei einer Großveranstaltung bringt Oskar - sein Vater ist gerade in die NSDAP eingetreten - im Walzertakt trommelnd, die Musikkapelle gehörig aus dem Konzept und sorgt dafür, dass die Anwesenden sich programmwidrig im Dreiviertelrhythmus drehen.
Wenn Andre Wüstner die Werbetrommel rührt und dabei auch nicht das Trommelfell schont, geschieht dies ebenfalls aus Protest. Es ist ein einziges Aufbegehren gegen das zögerliche, zeitraubende Vorgehen. Von den 100 Milliarden des "Sondervermögens" sei bisher viel zu wenig ausgegeben. Die Rüstungsindustrie lechze nach Aufträgen. Die Truppe sei nach wie vor zu langsam und schlecht ausgestattet. In diesem Punkt ist er wohl eines Sinnes mit Jens Stoltenberg. Der NATO-Generalsekretär hat heute verkündet, dass die Ukraine "langfristig" mit der Aufnahme in die "Allianz" ("our alliance" rechnen könne. Immerhin will Stoltenberg damit bis Zum Ende des Krieges warten. Dann aber sei es Zeit, um die Ukraine vor einem neuerlichen russischen Angriff zu schützen. Wie das doch die um den Frieden besorgten Kritiker eines internationalen Wettrüstens beruhigt, Putin beeindruckt und zum baldigen Rückzug aus der Ukraine zwingt!!! Sicherlich steht noch das eine oder andere Ölfass bereit, damit dem Feuer die "Nahrung" nicht ausgeht.
Sonntag, 26. Februar 2023 - 15:52 Uhr
Hoppla, Herr Trittin! Ich glaub, mich tritt ein Pferd.
Es ist erstaunlich, was in Jürgen Trittins Hirn begrifflich bzw. semantisch durcheinander gerät. In einem Gespräch, geführt bei dem Netzwerk "t-online", zu seiner Einschätzung des "Manifests für Frieden" sowie der Demonstration am Brandenburger Tor (25.2.23) gefragt, unterstellt er den Initiatorinnen Bösartiges. Von "Nationalbolschewismus" ist da die Rede. "Das ist eine unselige Tradition in Deutschland." Auch die Demonstranten und Demonstrantinnen werden übelst getadelt: "Wer mit Faschisten auf die Straße geht", heißt es weiter, habe aus der deutschen Geschichte nichts gelernt. Tja, bei wem ist denn Herr Trittin in die Schule gegangen? Was da an politischen Kampfwörtern durcheinander gerührt wird, lässt auf Mangel an Bildung schließen. Dieser verquaste Mix von Nationalismus, Bolschewismus , Faschismus ... Weitere Zutaten gefällig? Wahrscheinlich geht es über Trittins Kräfte, sich selbst aus diesem ideologischen Sumpf herauszuziehen. Wie mag es um seine "Tassen im Schrank" stehen? Wie wäre es mit der These, Politiker seiner Couleur seien "grüne Faschisten"? Sich von solchen Leuten vertreten zu sehen und sie an den Hebeln der Macht 7u wissen, ist schlafraubend.
1995 mit Sitz in Berlin gegründet, bietet "t-online" eine breite Palette an. Auch die ARD-Tagesschau ist dort zu finden. Was alles unter dem Titel "Tagesschau" zusammengebraut in den Äther ausgestoßen wird, erstaunt und verblüfft nicht wenig. Ein gewaltiges Medienimperium ist da zusammengewachsen und erstrebt Monopolstellung. Alfred Hugenberg, einer der Steigbügelhalter des Hitlerregimes, hätte seine Freude daran gehabt oder wäre vor Neid erblasst. Hugenberg nannte die Hälfte der Printmedien sein eigen und stieg auch in die noch junge Filmwirtschaft ein (Akquisition der "UFA" Solcher Erfolge konnte "Die Weltbühne" sich nicht erfreuen. Sie wurde von den Nazis verboten und musste ihr Erscheinen im März 1933 einstellen. Selbst der Medienmogul Axel Springer könnte von Hugenberg noch lernen. Weit ist die Konzentration der Konzerne gediehen, die sich als Meinungsmacher in der Medienwelt tummeln. Der für die Demokratie unverzichtbare Pluralismus ist ernstlich in Gefahr.
Samstag, 25. Februar 2023 - 14:02 Uhr
Dreiste, unverhohlene Irreführung durch die ARD - Oder ist es nur geballte Dummheit?
Was da im Ersten Deutschen Fernsehen abläuft: Ich kann es kaum fassen. Gestern Abend und heute Vormittag über das "Manifest für Frieden" und die für heute Nachmittag geplante Demonstration am Brandenburger Tor ("Aufstand für den Frieden" berichtet wurde, verzerrt die Wirklichkeit, setzt manipulativ sowie parteiisch Akzente und führt extremen Parteien wie der AfD neue Wähler zu ("Lügenpresse"
. Robert Habecks Kritik an Schwarzers und Wagenknechts Vorhaben und Anliegen kommt ausführlich zum Zuge, als sei sie wie ein päpstliches Dekret ex cathedra" verkündet und somit "unfehlbar". Der Vizekanzler wirft den Verfasserinnen des "Manifests für Frieden" vor, sie betrieben federführend und demagogisch Putins Spiel, und erlägen mit ihrem Vorhaben einer "Chimäre", Aus den Reihen der Erstunterzeichner des Manifests wird niemand vorgestellt oder um eine Stellungnahme gebeten. Kritischer Journalismus: Fehlanzeige.
In der Mitte seiner dritten Kanzlerschaft (etwa 1959) sann Konrad Adenauer darauf, ein Gegengewicht zur ARD zu schaffen. Das Ergebnis solchen Strebens: die Gründung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF). Dessen Programm sollte obrigkeitsstaatlich, zumindest regierungsfreundlicher ausgerichtet sein. Zunächst war an einen privatwirtschaftlichen Sender gedacht, an eine GmbH. Proteste gegen dieses Projekt bewirkten dann, dass die Konkurrenz zur ARD den Status einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt erhielt. Die jüngste Entwicklung des Ersten lässt darauf schließen, dass die ARD in die Fußstapfen des ZDF treten und wenigstens unpolitischer werden soll. Ein Blick in das Programm lässt die Tendenz erkennen: ein gerüttelt Maß an Seifenopern, mehr als genug Sportschauen, Unterhaltung pur, begleitet von Werbespots ("Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie usw." . Nur bitte kein Störfeuer in die biedermeierliche Behaglichkeit und politische Genügsamkeit!
Stehen ARD und ZDF kurz vor der Fusion? Vielleicht ist auch nur Konfusion im Spiel. Eine nicht ganz ernstgemeinte Anregung:
Wie wäre es mit einer Neuauflage von Gerhard Löwenthals "Magazin" mit einem festen Platz im Programm des Ersten Deutschen Fernsehens? Geeignete Scharfmacher werden sich doch noch finden lassen!
Freitag, 24. Februar 2023 - 11:15 Uhr
Bismarck dreht sich im Grabe um. Der Grund dieser Umwälzung: der dauerhafte Dilettantismus der Annalena Baerbock
Die deutsche Außenministerin ist viel auf Reisen und hinterlässt dabei einen ansehnlichen CO2-Fußabdruck in der Atmosphäre. Jüngst flog sie nach New York, um in der UNO-Vollversammlung für eine breite Zustimmung zur neuen UN-Resolution zu werben. In diesem Dokument sollen Vorschläge und Bedingungen festgeschrieben werden, wie der Ukraine-Krieg beendet werden könne. Nach Deutschland zurückgekehrt, wiederholte sie in den Tagesthemen gegenüber Caren Miosga ihre Positionen bezüglich der Friedensresolution. "Sehr, sehr viele Staaten" seien gewonnen worden, um eine "gerechte und nachhaltige Friedensordnung" herzustellen. Von der Moderatorin gefragt, welche konkreten Bedingungen sie im Auge habe, wich Baerbock weitschweifig aus. Doch Caren Miosga ließ nicht locker und wollte wissen, ob die Außenministerin sich dafür entscheiden werde, die westliche militärische Hilfe so lange fortzusetzen, bis die ukrainischen Streitkräfte auch die Krim zurückerobert hätten, schwieg Baerbock ein Weilchen und erklärte dann, dies müsse durch Verhandlungen geklärt werden; die westlichen Verbündeten würden sich zurückhalten und keinen Druck auf die ukrainische Regierung ausüben. Nun also doch Verhandlungen? Aber mit wem und worüber? Hält Baerbock den russischen Präsidenten für so dämlich, dass er nicht genau weiß, ohne militärische Unterstützung des Westens werde die Ukraine gar nicht in der Lage sein, die Halbinsel zurückgewinnen. Dann also doch eine Ausweitung des Krieges? Otto von Bismarck, stockkonservativer Verfechter der Monarchie, hatte zumindest präzise Vorstellungen davon, wie der Ausbruch eines Krieges zwischen den europäischen Großmächten verhindert werden konnte. Deutlich wurde das auf dem Berliner Kongress 1878. Als "ehrlicher Makler" brachte er Vereinbarungen zustande, die für Jahrzehnte den europäischen Frieden sicherten. Bismarck hätte sich lieber auf die Zunge gebissen, ehe er solch unausgegorenes Zeug , wie es sich in Annalena Baerbocks Äußerungen abzeichnet, von sich gegeben hätte. Politik wird gern als Kunst des Möglichen verstanden. dazu bedarf es gründlicher Sachkenntnis, gedanklicher Reife, diplomatischen Geschicks und feinen Fingerspitzengefühls.
Sollen und allen Ernstes dumpfer Patriotismus und verklärender Militarismus über Besonnenheit und Staatsräson triumphieren? Werden schon für den 24. Februar 2024 Gedenk-veranstaltungeen geplant? Möglicherweise auch wieder im Schloss Bellevue? Soll mit überschwänglichem Pathos erneut versichert werden: "Auf Deutschland ist Verlass!"? Wenn ich die vielen Gedenkreden Revue passieren lasse, verschaffen sich da viel Friedensmüdigkeit, opportunistisches Mitläufertum und bedenkliche Unkenntnis Gehör. 1908 versicherte der deutsche Reichskanzler Bernhard von Bülow der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn der "Nibelungentreue", um sicherzustellen, dass Deutschland im Kriegsfall nicht ganz allein auf weiter Flur sein würde. Das Ende des "Nibelungenlieds ist bekannt ("der nibelunge not" . !911 veröffentlichte Friedrich von Bernhardi sein Buch "Deutschland und der nächste Krieg". Im selben Jahr noch verfasste, Verhängnisvolles ahnend, Georg Heym das Gedicht "Der Krieg" ("Aufgestanden ist er, welcher lange schlief ..."
. Nach zwei Kriegen im Südosten Europas (Balkankriege 1912/13)war es dann so weit. "Die Welt von gestern" (Stefan Zweig) zerbrach.