Politik
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Samstag, 22. Juli 2023 - 18:24 Uhr
Werte als Waffen
"Gegen Demokraten
helfen nur Soldaten."
So reimte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. im März 1848 in einem Brief an Ernst Moritz Arndt. Diese Maxime hatte sich für ihn bereits im Spätherbst des Revolutionsjahres 1848 bewährt. Unter dem Druck des Vormärzes und der Märzereignisse hatte der Monarch die Wahl einer preußischen Nationalversammlung zugelassen, die eine Verfassung für das Königreich erarbeiten und beschließen sollte. Schon bald bereute der König seine Nachgiebigkeit, wartete allerdings noch einige Monate ab. Die Revolution blieb vor den Thronen stehen, auch vor dem der Hohenzollern. Die Fürsten erholten sich recht bald von ihrem Schwächeanfall und sannen auf Rückkehr zum Status quo. Im Herbst ordnete Friedrich an, dass der Tagungsort der Nationalversammlung von Berlin nach dem ruhigeren Brandenburg an der Havel verlegt wurde. Seine Majestät pfiff auf die Volkssouveränität und wollte äußerstenfalls eine konstitutionelle Monarchie zugestehen, aber das gefälligst von oben. Schließlich hatte in Deutschland die Monarchie eine lange Tradition, gipfelte im Absolutismus und war, wie manche Staatslehrer glauben machen wollten, gottgewollt. Selbst im Himmel herrschten klare Verhältnisse: "Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst nicht andere Götter haben neben mir." Auch die himmlischen Heerscharen hatten sich unterzuordnen. Anfang November ließ der König die preußische Nationalversammlung wissen, ihre Tätigkeit erübrige sich fortan, die Herren sollten nach Hause zurückkehren und sich dort nützlich machen. Zunächst wehrten sich die Abgeordneten, entsannen sich der Worte des Grafen Mirabeau und sprachen ihm nach: "Wir weichen nur der Gewalt der Bajonette." Der König nahm das übel und reagierte entsprechend. Mit 13.000 Soldaten rückte General Friedrich von Wrangel an und erklärte den Angeordneten: "Die Gewalt ist nun da." Die Herrschaften sollten sich trollen. Angesichts der Übermacht war Widerstand zwecklos. 1850 erließ der König die "oktroyierte Verfassung" und verfügte das Dreiklassenwahlrecht. Die Epoche der politischen "Reaktion" hatte begonnen.
Der Konflikt zwischen Herrscher und Beherrschten war nicht neu. Am 20. April 1792 erklärte der französische König Ludwig XVI. dem Neffen seiner Gemahlin Marie Antoinette den Krieg. Der Habsburger wurde als Kaiser Franz II. das letzte Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, das nach langer Geschichte 1804/1806 endete. Die Kriegserklärung war von der französischen Nationalversammlung als Träger der Legislative formuliert und beschlossen worden. Diese betonte, bei dem Waffengang handle es sich nicht um einen Krieg von Nation gegen Nation, sondern ausschließlich um den Kampf zur Verteidigung der der französischen Errungenschaften "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" gegen einen "ungerechten König", eben diesen Habsburger Franz. (und dessen Verbündete). Ludwig XVI. verfolgte als Organ der Exekutive freilich ganz andere Ziele. Er hoffte auf eine Niederlage Frankreichs und die Wiederherstellung seines alten Status als absoluter Monarch. Eine fatale Fehleinschätzung, die ihn im Januar 1793 den Kopf kostete.
Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts ringen zwei Wertesysteme miteinander. In unseren Tagen wiederholt sich solches Unheil, das die Schrecken des Kalten Krieges noch zu übertreffen droht. Kein Herrschaftssystem hat das Recht, auf seinem Altar Menschenleben zu opfern. Das gilt auch für Demokratie und Freiheit. Auf diesen Politikfeldern bedarf die ukrainische Bevölkerung keiner deutschen und europäischen Belehrung. Was sie jedoch dringend braucht, ist ein rasches Ende des furchtbaren Krieges. Wer der Ukraine immer noch einredet, sie könne Pu6in-Russland besiegen, macht sich mitschuldig am Tod vieler Unschuldiger. Der englische Autor Mark Ravenhill hat ein Drama verfasst mit dem Titel "Freedom and democracy, i hate you".Ein Teil der Handlung spielt in einem Treppenhaus, in dem zwei Uniformierte an Türen klopfen und die stets gleichlautende Botschaft abspulen: " Es ist unsere traurige Pflicht, Sie davon zu informieren, dass Ihr Sohn gefallen ist. Er war ein hochgeschätztes Mitglied seines Regiments und starb, wie er lebte, für eine gerechte Sache. Unser Land, unsere Regierung, Freiheit und Demokratie werden immer in seiner Schuld stehen für dieses Opfer." Solche Szenen dürfen sich in unseren Tagen nicht wiederholen. Ich sehe sie noch dastehen, den deutschen Bundeskanzler und den französischen Staatspräsidenten, am Rande eines Feldes mit vielen weißen Grabkreuzen, Händchen haltend und der Toten gedenkend, die zu Tausenden in dem sinnlosen Kampf um die Festung Verdun ihr Leben verloren. Auch das bedarf keiner Wiederholung.
Hüten wir uns davor, waffenstarrend und Waffen exportierend andere Völker mit Freiheit und Demokratie "beglücken" zu wollen. Präsident Woodrow Wilson führte die USA mit dem Schlachtruf " to make the world safe for democracy" in den Ersten Weltkrieg. Friedlicher ist die Welt dadurch nicht geworden. Auch Demokratien, falsch verstanden, sind nicht davor gefeit, für ihre Werte ins Feld zu ziehen. Die Verteidigung von Freiheit und Demokratie darf nicht verwechselt werden mit demokratisch verbrämter Machtpolitik. Die Deutschen können sich glücklich schätzen, in einer "wehrhaften Demokratie" zu leben. Dies sollten wir nicht aufs Spiel setzen. Andernfalls triumphieren die Gegner unserer "freiheitlich-demokratischen Grundordnung".
Donnerstag, 20. Juli 2023 - 13:59 Uhr
Der Wesensunterschied zwischen russischem und ukrainischem Getreide
Wieder einmal steht Wladimir Putin am Pranger und soll sich wegen grausamer Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Der Anlass: Putins Weigerung, das Abkommen über die Getreidetransporte durch das Schwarze Meer zu verlängern. Ein Haftbefehl gegen Putin, vom Internationalen
Strafgerichtshof erlassen, liegt bereits vor. Um seinen südafrikanischen Amtskollegen nicht in Verlegenheit zu bringen, verzichtet der russische Präsident auf die persönliche Anwesenheit beim anstehenden Gipfel der BRICS-Staaten und nimmt nur per Video-Schalte teil. Was ist das für eine jämmerliche Politik, die solches bereits als Erfolg verbucht!! Die deutsche Außenministerin wirft Putin vor, "Hunger als Waffe" einzusetzen. Das wäre natürlich brutal, falls es denn zuträfe. Wenn jedoch die "Weltgemeinschaft" so mühelos auf russisches Getreide verzichten kann, warum kommt sie dann nicht auch ohne Getreideimporte aus der Ukraine aus? Der Verdacht liegt nahe, dass es gar nicht um die Bekämpfung von Hunger geht, sondern ausschließlich darum, den russischen Diktator abzustrafen und ihn daran zu hindern, mit den Einnahmen aus Getreideexporten seine Kriegskasse aufzufüllen. Undurchschaubarer und komplizierter wird die ganze Sache noch dadurch, dass der weitaus größte Teil der ukrainischen Getreideexporte gar nicht in die Länder transportiert wird, in denen Hunger herrscht, und dass ein Großteil hiervon als Tierfutter verwendet werden soll. Ist in Brüssel gar nicht bedacht worden, dass Putins Regime alles versuchen würde, um die gegen Russland verhängen Sanktionen zu umgehen? Will die EU nun allen Ernstes dazu übergehen, die Staaten zu sanktionieren, die such den Sanktionen gegen Russland nicht anschließen oder gar weiterhin Handel mit Russland treiben? Welche glaubhaften und realistischen Ziele verfolgt die Sanktionitis?
Wieder einmal treffen sich die EU-Außenminister und -ministerinnen und beraten über weitere Hilfen für die Ukraine. Erneut geht es um viel Geld. Die "wertebasierte Außenpolitik" ist nicht zum Nulltarif zu haben, führt außerdem dazu, dass Staaten, die im Kreise der westlichen Wertegemeinschaft nicht unbedingt willkommen sind, zueinander finden, so dass neue Bündnisse entstehen. Abgesehen davon, dass Autokratien wie China, Russland die Türkei und andere näher zusammenrücken, wollen demnächst die BRICS-Staaten konferieren: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Die westliche "Wertegemeinschaft"(Europäische Union, NATO) läuft Gefahr, zu einem ideologischen Gerippe zu erstarren, in eine selbst gestellte Falle zu geraten, darin festzusitzen und sich politische Optionen zu verbauen. Jüngst drohten die Verhandlungen über die Bildung einer Freihandelszone zwischen EU und Staaten in Mittel- und Südamerika daran zu scheitern, dass allen teilnehmenden Regierungen abverlangt wurde, sich der Verurteilung Putins wegen des Krieges gegen die Ukraine anzuschließen. Auf die Dauer kann es keinen Sinn machen, den russischen Präsidenten für alles Übel in der Welt zur Rechenschaft zu ziehen und jeglichen kostspieligen Unfug mit dem Ukrainekrieg zu begründen. Außer dem Südosten Europas gibt es andere Problem- und Konfliktfelder, zum Beispiel den "globalen Süden". In Afrika hat sie EU es mit zwei Groß- und Weltmächten zu tun: mit China und Russland. Die jüngsten Ereignisse in Niger zeigen, wie chancenlos Europa auf diesem Kontinent zu werden droht.
Freitag, 14. Juli 2023 - 16:55 Uhr
Europa im Kielwasser und Schlepptau der USA
Am 13. Juli 2023 stellte die Bundesregierung ihre neue China-Strategie vor. Wer wesentlich Neues, Erhellendes erwartet hatte, sah sich enttäuscht von dem, was da auf 50 bis 60 Seiten ausgebreitet wird. Außenministerin Baerbock nannte dreierlei. Die Volksrepublik China sei "Partner", "Wettbewerber " und "systemischer Rivale". Die ersten beiden Begriffe gelten übrigens auch für das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Enge Verflechtungen finden sich zum Beispiel in den wirtschaftlichen Beziehungen. Die Konzerne Bayer Leverkusen und Rheinmetall, um nur zwei zu nennen, sind in den USA äußerst aktiv. Das Rüstungsunternehmen Lockheed Martin profitiert von Aufträgen aus Deutschland. Wirtschaftsminister Robert Habeck befürchtet eine Abwanderung deutscher Konzerne in die USA, weil dort günstigere Investitionsbedingungen anzutreffen sind, nicht zuletzt durch den voluminösen "Inflation Reduction Act". Elon Musk wiederum, US-amerikanischer Multimilliardär, investiert einen Teil seines Vermögens in die Gigafactory Grünheide und erfreut sich dabei umfänglicher Zuschüsse aus dem deutschen Steueraufkommen - all dies auf Kosten des dortigen Grundwasserspiegels. Wasser ist allerdings zur Mangelware geworden. Es drohen jetzt bereits Verteilungskämpfe. Bedenken dieser Art wischt Elon Musk lächelnd hinweg und weist darauf hin, dass einige wenige Bäume von der großflächigen, unbedingt notwendigen Rodung verschont geblieben seien, also überlebt hätten, was beweise, dass noch reichlich Wasser vorhanden sei!! Der Bürgermeister einer kleinen oberfränkischen Gemeinde sah sich gezwungen, einige Formen der Wassernutzung zu verbieten (Rasensprengen, Planschbecken und Swimmingpools), um die Trinkwasserversorgung nicht zu gefährden. Er denkt auch an Fernwasserleitungen aus anderen Regionen, doch das wäre zu teuer, würde ca. 40 Millionen kosten, ist unerschwinglich. Eine solche Summe kann dem Bundeskanzler wohl nur ein mildes Lächeln abringen, jongliert er doch mit ganz anderen Beträgen. Am Rande des NATO-Gipfels in Litauen stellte er der Ukraine weitere Hilfen in Höhe von 700 Millionen Euro in Aussicht. Für Kampfpanzer, weiteres Kriegsgerät und vielleicht warme Wollsocken für den zweiten Kriegswinter. An wen genau richtete sich diese Zusage eigentlich? Wer durfte sich darüber freuen? -
Noch ein kurzer Nachtrag zu Tesla-Fabrikant Elon Musk. Dieser besorgte sich bei den brandenburgischen Behörden eine "Vorläufige Baugenehmigung", konnte sich jedoch darauf verlassen, dass diese als endgültig zu verstehen war und er schon einmal anfangen durfte, Fundamente und Stützmauern fertigen zu lassen. Die Einspruchsmöglichkeiten der betroffenen Landbevölkerung gegen die Fabrik hatten sich eh erledigt. Fristen waren nicht eingehalten worden. Zur Eröffnung der neuen Fabrik eilten Olaf Scholz und Dietmar Woidke nach Grünheide, um dem potenten Unternehmer ihre Aufwartung zu machen. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Stärkung des Industriestandorts Deutschland wollten gewürdigt werden.
Zurück zum NATO-Gipfel in Litauen. Die Aufnahme Finnlands und Schwedens in das Bündnis kommt nicht wirklich überraschend. Die Neutralität beider Staaten war s hon seit Jahren mehr Schein als Sein, schlichtweg eine Farce. Sie waren spätestens seit 2020 in die NATO-Winterübung "Cold Response" in das Manöver involviert. Unter dem Kommando Norwegens . und zum Schutz dieses Staates vor Übergriffen aus dem Osten nimmt man es mit den Grenzen nicht so genau. Finnland stellt zumindest seinen Luftraum zur Verfügung. Und vor Jahren schon prallte eine US.-amerikanische Militärmaschine gegen den höchsten Berg Schwedens. Vier Tote waren zu beklagen.
Im Vergleich zu der eher ruppigen Europapolitik Donald Trumps geht Joe Biden erheblich subtiler vor. Auffällig oft besucht er den kleinsten Kontinent, Mal weilt er in Irland, ein anderes Mal bereist er die Staaten an der NATO-Ostflanke. Vermutlich tut er dies nicht aus lauter Nächstenliebe. Er braucht ein starkes, vereintes, hochgerüstetes Europa hinter sich als Gegengewicht zu den mächtigen Autokratien in der Welt. Die NATO versteht sich als "Wertegemeinschaft", deren Netz freilich so grobmaschig geknüpft ist, dass R.T. Erdogan je nach Interessenlage hineinschlüpfen, dann aber auch wieder entweichen kann. Die USA brauchen die NATO-Stützpunkte in der Türkei. Den Hauptgegner sehen die Vereinigten Staaten in der Volksrepublik China. Gegen die neue Weltmacht soll eine imposante, abschreckende Drohkulisse aufgebaut werden. Der Bundesrepublik ist dabei eine wichtige Rolle zugedacht. Eine deutsche Fregatte ist bereits mi Pazifik unterwegs. Auch Eurofighter schwirren im fernen Osten herum. Die Parole lautet: Hände weg von Taiwan!" Doch Peking wird nicht so dumm sein, den Inselstaat mit militärischen Mitteln in seine Gewalt zu bringen. Von den imperialistischen Mächten des 19. und 20. Jahrhunderts hat China gelernt, dass es auch anders geht: mittels " friedlicher Durchdringung". Die Entwicklung Hongkongs zeugt von der chinesischen Lernfähigkeit.
Manchmal geht mir durch den Kopf, dass die USA durchaus ein Interesse an der Fortdauer des Ukrainekrieges haben könnten, solange dieser Krieg die Stärke und Kampfbereitschaft der europäischen NATO-Staaten fördert und sichert De Aufrüstung spielt dabei eine zentrale Rolle,
Liebe Genossinnen und Genossen von der SPD: Stellt euch dagegen, dass Deutschland und Europa zur Spielwiese und Arena geopolitischer Interessen der USA werden könnten!
Dienstag, 4. Juli 2023 - 19:41 Uhr
Besinnen Sie sich auf Ihren Amtseid, Herr Bundeskanzler!
Dieser Amtseid lautet: "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde." Dass Sie, Herr Bundeskanzler, auf den bekräftigenden Zusatz "So wahr mir Gott helfe!" verzichtet und Gott aus dem Spiel gelassen haben, ist unbedingt zu respektieren und nimmt ihrem Eid nichts von seinem Gewicht. Denn wir leben nicht in einem Gottesstaat, sondern in der durchweg weltlichen Bundesrepublik Deutschland mit deren Grundgesetz, das auch für Atheisten gilt und deren Rechte sichert. Klar ist auch, dass unser Staat nicht für sich allein existiert und sein Wohl von dem Wohlergehen Europas und dem Frieden der Welt abhängt. Trotzdem gibt es , wie aus dem Eid ersichtlich, Prioritäten. An erster Stelle wird nun einmal das "Wohl des deutschen Volkes" genannt, und dem ist das, was zur Zeit in Europa geschieht, keineswegs förderlich. Was Sie, Herr Bundeskanzler, und andere Bundesorgane tun, muss den Eindruck erwecken, dass Deutschland die Hauptlast in diesem entsetzlichen Krieg in der Ukraine zu tragen habe. Treten Sie bitte zwecks Klärung der vertrackten Gesamtlage nochmals an das Rednerpult des Bundestags und legen Sie detailliert dar, welche Belastungen finanzieller, militärischer und humanitärer Art die Bundesrepublik bisher auf sich genommen hat und auch weiterhin trägt. Damit sind nicht nur die regulären Mittel aus den Jahresbudgets und den Nachtragshaushalten gemeint. Hinzu kommen die milliardenschweren Leistungen aus der "Ertüchtigungs-Initiative" und der "Europäischen Friedens-Fazilität". Haben Sie, Herr Olaf Scholz, alles in Ihrer Macht Stehende getan, um diesen Krieg zu verhindern? Und was unternehmen Sie seit dem 24. Februar 2022, um diesen Krieg zu beenden? Was versprechen Sie sich von Ihren Fernreisen? Das Ergebnis der zahlreichen Konferenzen besteht regelmäßig in der Floskel, vor dem Beginn von Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen müssten sämtliche russischen Truppen aus den ukrainischen Gebieten abgezogen werden. Wen haben wir noch nicht diese Litanei anstimmen hören? Doch Wiederkäuer gehören auf eine saftig grüne Wiese, nicht auf die Regierungsbank. Immerhin steht der Weltfrieden auf der Kippe.
Beenden Sie Herr Bundeskanzler, die Ihnen und anderen offenbar lieb gewordene Praxis, der deutschen Bevölkerung einzureden, ihre Freiheit und Demokratie seien akut gefährdet. Mit Ausnahme der Schweiz sind unsere Grenznachbarn sämtlich NATO-Mitglieder. Der Ostblock ist zerfallen, den Eisernen Vorhang, der Deutschland seit 1949 spaltete, gibt es nicht mehr. Die NATO, nach Beginn des Kalten Krieges (1947, Truman-Doktrin) als Nord-Atlantik-Pakt aus der Taufe gehoben (1949)ist nach Osten erweitert worden und in Gebiete vorgedrungen, die mit dem Nordatlantik gar nichts mehr gemein haben, sieht ihre Aufgabe seit Anfang des 21. Jahrhunderts darin, Russlands Einfluss in Europa zu reduzieren - eine Umkehr der Entwicklung, die mit dem Zaren Peter dem Großen einsetzte: die Gründung Sankt Petersburgs als "Fenster nach Westen". Die Bundesrepublik, nicht mehr Frontstaat, übernimmt zusammen mit anderen NATO-Mitliedern seit ca. zwei Jahrzehnten den Schutz der NATO-Ostflanke. Doch liegt es in Deutschlands nationalem Interesse, die 17.000 Mann starke litauische Armee erheblich aufzustocken und 4.000 Soldaten und Soldatinnen dauerhaft nahe der russischen Grenze zu stationieren? Und das gegen Vereinbarungen mit Moskau? Und muss die Bundesrepublik für den Bau und die Unterhaltung eines Reparaturwerkes für beschädigte Leopard 2-Panzer im südlichen Polen aufkommen?
Räumen Sie, Herr Bundeskanzler, mit der Mär auf, in der Ukraine werde Tag für Tag um und für die Freiheit der gesamtem westlichen Welt gekämpft. Mit diesem Narrativ werden nämlich sowohl dieser entsetzliche Krieg als auch die Errungenschaften von Freiheit und Demokratie für Propagandazwecke missbraucht.
Wenden Sie sich, Herr Bundeskanzler, entschieden gegen diejenigen, denen der Ukrainekrieg nicht lange genug dauern kann und denen jedes Mittel recht ist, der deutschen Bevölkerung ständig neue Opfer abzupressen.
Einer Außenpolitik zum "Wohle des deutschen Volkes" ist nicht damit genüge getan, Weisungen aus dem Oval Office entgegen zu nehmen. Wir haben den Vereinigten Staaten viel zu verdanken. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren sie eine der vier Besatzungsmächte. Wir freuten uns über Care Pakete. Später wurden sie Schutzmacht der noch jungen Bundesrepublik, die Schritt für Schritt ihre volle Souveränität zurückerlangte. Die USA ließen die Wiedervereinigung zu, freilich mit der Auflage, das vereinte Deutschland müsse NATO-Mitglied bleiben oder werden. Im Gegenzuge nahmen sie Deutschland auch in die Pflicht. Bereits 1950 zeigten sie Interesse an einer Wiederbewaffnung Westdeutschlands. Theo Blank wurde der erste Verteidigungsminister in Konrad Adenauers Kabinett.1955 wurde die Bundesrepublik in die NATO aufgenommen, was die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht zur Folge hatte. In Ramstein verfügen die USA über die größte "air base" außerhalb ihres eigenen Territoriums. Der Zutritt zu diesem Luftstützpunkt ist streng geregelt. Dem Schutz der Bundesrepublik soll auch die "atomare Teilhabe" dienen. Sie schließt die Stationierung US-amerikanischer Kernwaffen auf deutschem Boden ein. Übrigens mochte bereits Verteidigungsminister F.J. Strauss sich nicht damit abfinden, dass die Bundesrepublik Deutschland als "atomarer Habenichts" dastehen sollte.
Dankbarkeit und Solidarität im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten können jedoch nicht dazu führen , dass die Bürger und Bürgerinnen der Bundesrepublik sich als Stiefelknechte der USA verstehen.
Beim Niederschreiben dieses Eintrags hatte ich stets das Erstarken der AfD im Hinterkopf. Die angesprochenen Probleme sind ein idealer Nährboden für diese Partei. Wer die Wahlerfolge der AfD als Indiz für "schlechte Laune" bewertet, hat rein gar nichts kapiert. Überlassen Sie, Herr Bundeskanzler, die berechtigte Kritik an Ihrer Politik nicht der extremen Rechten. Lassen Sie die Fähigkeit zur Selbstkritik erkennen. Noch befinden sich die Parteien der "bürgerlichen Mitte" in einer komfortablen Situation. Reichskanzler Hermann Müller hatte es da wesentlich schwerer. KPD und NSDAP konnten ab 1930 jedweden Reichstagsbeschluss blockieren und das Deutsche Reich unregierbar machen. Stellen Sie die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung wieder her! Ob der Bundestag mit seinen vielen notorisch unbesetzten Stuhlreihen Ihnen dabei helfen kann, ist zweifelhaft. Die "Herzkammer unserer Demokratie" ist nicht einmal imstande, ein drei Jahre altes Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts legislativ umzusetzen. Einer diffusen Mehrheit des Hohen Hauses ist es augenscheinlich lieber. dass diejenigen, die aus guten, verständlichen Gründen ihrem Leben ein Ende setzen wollen, sich aufhängen oder von Brücken springen, um danach auf einen Seziertisch gelegt, aufgeschnitten und , ordnungsgemäß wieder zugenäht, verbrannt zu werden An seinem letzten Sitzungstag konnten die Abgeordneten früher als geplant in den Sommerurlaub enteilen - wegen Beschlussunfähigkeit des "Rumpfparlamentes".
Sonntag, 25. Juni 2023 - 15:43 Uhr
Gemeinsames zwischen der deutschen und der israelischen Luftwaffe
Am 19. August 2020 schrieb ich den Eintrag "Himmlisches über Dachau". Damals wunderte ich mich darüber, dass ausgerechnet im Luftraum über einem ehemaligen Konzentrationslager Flugzeuge der deutschen und der israelischen Luftwaffe manövrierten. Ob Ingo Gerhartz, selbst begeisterter Kampfpilot mit steiler Karriere in der Bundeswehr, in seiner Eigenschaft als Inspekteur der Luftwaffe im Range eines Generalleutnants, dabei Regie führte, ist mir nicht bekannt. Ebenso wenig weiß ich, ob er Einfluss genommen hat auf die Entscheidung des Verteidigungsministeriums, statt eines Kampfjets aus dem europäischen Waffensystem FCAS den US-amerikanischen Flieger F 35 zu ordern und zu kaufen Maßgeblich beteiligt war Ingo Gerhartz indessen an den Vorbereitungen der Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag der Gründung des Staates Israel am 14. Mai 2023. Bereits in der letzten Aprilwoche wurden Flugzeuge der deutschen Liftwaffe nach Israel überstellt, um am israelischen Nationaleiertag, der auch als Tag der Unabhängigkeit Israels bezeichnet wird, mit israelischen Kampfflugzeugen demonstrativ Übungsflüge durchzuführen. Zweifellos ist die Bundesrepublik Deutschland dem Staat Israel eng verbunden und solidarisch verpflichtet. Nicht nur Bundeskanzlerin Merkel hat mehrfach betont, das Existenzrecht und die Sicherheit Israels seien wesentlicher Bestandteil der deutschen Staatsräson. Ob das auch militärische Kooperation einschließen muss, darf bezweifelt werden. Israels hasserfüllte Nachbarn werden die deutschen Aktionen aufmerksam und misstrauisch beobachten. Einige von ihnen führten unmittelbar nach der Staatsgründung Krieg gegen den neuen Nachbarn, der als Störenfried, und feindlicher Eindringling betrachtet wurde. Ist auf deutscher Seite jemals erwogen worden, dass und ob die militärische Zusammenarbeit mit Israel sich zur Teilhabe an einem möglicherweise bevorstehenden Konflikt im Nahen Osten auswachsen könnte? Ebenso unehrlich wie abgedroschen müssen die häufig wiederholten Erklärungen wirken, zur Befriedung des Verhältnisses zwischen den Israelis und den Palästinensern sei eine Zwei-Staaten-Lösung anzustreben. Dabei wissen diejenigen,, die solches vor sich herbeten, ganz genau, dass die israelische Regierung ihre Siedlungspolitik fortsetzen wird und noch viele Menschen sterben werden. Und oft noch werden wir hören. die israelischen Sicherheitskräfte hätten nur "das Feuer erwidert". Besteht da noch ein Fünkchen Hoffnung auf ein schwaches Licht am Ende des Tunnels?
Die Rüstungsgeschäfte zwischen Deutschland und Israel brummen vernehmlich. Îm Dezember 2021 erfolgte eine Musterzulassung der Drohne German Heron TP aus israelischer Fertigung. Sie kann für Aufklärungszwecke verwendet, aber auch bewaffnet werden. Ob sie von der Bundeswehr nur geleast oder auch gekauft wurde, ist im Internet nicht genau zu ermitteln. Die Kosten für die Anmietung werden mit 152,61 Millionen Euro angegeben, eine geringfügige Summe im Vergleich mit einem anderen Projekt. Es heißt "Arrow 3", ist ebenfalls ein israelisches Produkt und vollbringt wahre Wunderwerke. Denjenigen, die dabei an Spielchen mit Pfeil und Bogen denken, sei empfohlen, sich im Internet schlau zu machen. Das System Arrow 3 dient als "Schutzschild" gegen Raketenangriffe aus dem All. Es kann feindliche Geschosse in Höhen von 10 bis 12 Kilometern abfangen und zerstören. Wenn das getroffene Objekt einen atomaren Sprengkopf mit sich führt, dürfen die Erdbewohner, die ja vor feindlichen Attacken geschützt werden sollen, darauf hoffen, dass die atomaren Trümmer ihnen nicht auf den Kopf fallen, sondern auf unbewohntes Gebiet herabstürzen. Das Auftragsvolumen von Arrow 3 beläuft sich auf schlappe 4 bis5 Milliarden Euro. Das "Sondervermögen" ermöglicht wohl eine solche Anschaffung.
Was Ingo Gerhartz betrifft, sind Print-Medien voll des Lobes. Business Insider verkündet im April 2022: "Das ist jetzt der wuchtigste Soldat der Bundeswehr." Und DER SPIEGEL preist ihn mit den Worten: " Der deutsche Top-Gun-General" (23.6.23). Besonders lag ihm die Vorbereitung von Air Defender 2023 am Herzen. 2018 reiste er in die USA, um für das Projekt zu werben, und traf auf offene Ohren. Die Krönung seiner Arbeit bestand schließlich darin, dass der deutschen Luftwaffe das Oberkommando über diese gewaltige Luft-Verlege-Übung erteilt wurde. Den Deutschen wird wieder Großes zugetraut. Wenig später erfuhren wir, dass 4000 Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr dauerhaft nach Litauen verlegt werden sollen, zum Schutz der NATO-Ostflanke. All dies mag dem deutschen Selbstwertgefühl schmeicheln. Nicht in Vergessenheit geraten sollten jedoch deutsche Träger des Friedensnobelpreisträger wie Carl von Ossietzky und Willy Brandt.
Weltweit stehen viel zu viele Pulverfässer herum, kürzere oder längere Lunten liegen bereit, auch an Zündhölzern herrscht kein Mangel. Und all dies nicht selten mit deutscher Beteiligung. Deutsche Waffen gelten als Spitzenprodukte. Wesentlich wichtiger für das Wahl der Bundesrepublik ist hingegen der Erhalt des Friedens. Dafür muss mehr getan werden.
Dienstag, 20. Juni 2023 - 15:51 Uhr
Warum ist es so schwierig, bei der Wahrheit zu bleiben?
Wohl anders als geplant und angekündigt, saß am Sonntag, dem 18. Juni, ab 21.45 Uhr Robert Habeck der Moderatorin Anne Will allein gegenüber und nutzte die Gelegenheit, um seine Energiepolitik zu erläutern und zu rechtfertigen. Nicht zum ersten Mal behauptete er wahrheitswidrig, das Putin-Regime habe Deutschland den Gashahn zugedreht und die Bundesregierung gezwungen, das erforderliche Produkt aus anderen Weltgegenden herbeizuschaffen. Das war gar nicht so einfach, denn mit enormem Energieeinsatz muss das Erdgas heruntergekühlt werden, bevor es in flüssigem Aggregatzustand auf riesige Tankschiffe verladen werden und die weite Reise nach Europa antreten kann - und das wiederum mit hohem Aufwand an Energie. Dies alles hat jedoch nicht die russische Regierung veranlasst und zu verantworten. Mir ist nicht bekannt, dass Putin die Gaslieferungen an Deutschland jemals als Druckmittel oder gar für Erpressungszwecke genutzt hätte. Aber da lasse ich mich gern eines Besseren belehren und korrigieren. Die Entscheidung, die Gasimporte aus Russland einzustellen, hat die Bundesregierung getroffen und sich damit einem stets stärker werdenden Druck europäischer Nachbarn gebeugt, die ihren stärksten Verbündeten in den USA fanden. Lang ist die Liste der Proteste gegen Nord Stream 2. Die Bundesrepublik mache sich zu abhängig von Russland, werde dadurch erpressbar. Lange Zeit hielt die Bundesregierung dagegen. Am 16.9.2020 meldete DIE ZEIT, Bundesfinanzminister Olaf Scholz habe seinem amerikanischen Amtskollegen Mnuchin 1 Milliarde $ geboten, um den Widerstand der US-Administration gegen das Pipeline-Projekt zu entkräften. Scholz war diese Indiskretion durchaus peinlich. Aber auch in der Bundesrepublik gab es kritische Stimmen. Die Grünen, seit dem Ende der Regierung Schröder/Fischer (2005) in der Opposition, polemisierten heftig gegen Nord Stream 2, nicht nur aus ökologischen Gründen. In einer Bundestagsrede schalt Annalena Baerbock Nord Stream 2 als europafeindlich und forderte das alsbaldige Aus für das Projekt. Im September 2021 waren die Arbeiten an Nord Stream 2 abgeschlossen. Präsident Putin ließ wissen, die Befüllung der neuen Pipeline mit Erdgas könne unverzüglich beginnen. Aber wie schon während der Bauzeit stellten sich auch jetzt immer neue Hürden der Inbetriebnahme in den Weg. Die abschließende Zertifizierung war der Bundesnetzagentur vorbehalten. Doch dazu kam es gar nicht mehr. Die Gegner von Nord Stream 2 hatten die Hoffnung nie aufgegeben und immer noch Grund, Morgenluft zu wittern. Im Februar 2022 überstürzten sich die Ereignisse. Bundeskanzler Scholz reiste nach Kiew, anschließend nach Moskau, wo er dem russischen Präsidenten die Zusage abzuringen versuchte, die Ukraine nicht anzugreifen (15.2.). Putin schaltete auf stur und ließ den Kanzler mit der Ungewissheit abreisen, ob der Krieg noch abzuwenden sei. Vom 18. bis zum 20. Februar nahm Scholz an der Münchner Sicherheitskonferenz teil und ließ verlauten, die Aufnahme der Ukraine in die NATO stehe "gar nicht auf der Tagesordnung". Das vermochte den russischen Diktator nicht zu besänftigen und ruhig zu stellen. Am 22. Februar wurde die Bundesnetzagentur angewiesen, die Genehmigung der umstrittenen Pipeline erneut auszusetzen. Am 24. Februar eröffnete Putin den Angriffskrieg gegen die Ukraine, der, wenn man die sogenannten Sachverständigen reden hört, noch etliche Jahre andauern soll, wie Kriege es eben an sich haben. Nur einfältigen Narren sollte erlaubt sein. Kriege als unabwendbare Naturkatastrophen zu betrachten - nicht als menschengemacht und von Menschen wieder zu beenden. Die Bundesregierung stand mit dem Rücken zur Wand, wollte sich nicht vor den Augen der Weltöffentlichkeit an den Pranger stellen und sich vorwerfen lassen, mit den Gasimporten aus Russland Putins Kriegskasse zu füllen. Folglich wurde das Ende der Einfuhren angekündigt.
Zurück zu Robert Habeck. Um das, was seit Dezember 2021 hinter ihm und bis in die Gegenwart noch vor ihm liegt, ist er wahrlich nicht zu beneiden. Er übernahm das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und musste seither Entscheidungen treffen und Maßnahmen ergreifen, die einem Grünen-Politiker schwerfallen müssen. Die Deckung des Erdgasbedarfs mit Hilfe neu zu bauender, kostenintensiver Flüssiggasterminals (LNG) ist mindestens ebenso klimaschädlich wie die Verbrennung russischen Erdgases. Aber warum wird das nicht in aller Deutlichkeit gesagt? Traut unsere Regierung der deutschen Bevölkerung gar nicht mehr zu, Wahrheiten ertragen zu können? Muss da erst an den Fakten gedreht oder gar gelogen werden? Der Schweizer Historiker Daniele Ganser sagt es so: Natürlich werden wir manipuliert. Das beginnt bereits damit, dass zutreffende Fakten aufgezählt werden, ebenso Richtiges und Wichtiges jedoch verschwiegen wird. Das zählt zu den ureigensten Methoden der Propaganda und beschädigt das Vertrauen in unsere Demokratie. Wenigstens von den SPD-Mitgliedern in Bundestag und Bundesregierung erwarte ich da anderes. Auch die Regierungserklärungen des Bundeskanzlers lassen in dieser Hinsicht erheblich zu wünschen übrig, vor allem die Aussagen zum Ukrainekrieg und der deutschen Haltung zu diesem mörderischen Geschehen. Das unaufhörliche Gerede von einer "Zeitenwende" ist weder sachdienlich noch bringt es uns weiter, schon erst recht nicht wenn die "Zeitenwende" sich darin erschöpft, Riesensummen in die Aufrüstung zu stecken. Die deutschen Bürgerinnen und Bürger werden von Regierung und Parlament offenbar für dümmer und unbedarfter gehalten, als sie es wirklich sind. Und das mehr als zwei Jahrhunderte nach dem Zeitalter der Aufklärung.
Olaf Scholz, damals noch Erster Bürgermeister von Hamburg, erklärte im Rückblick auf seine Juso-Vergangenheit "Ich habe mich entgiftet." (Zitat aus einem SPIEGEL-Gespräch) Leidet der Kanzler zur Zeit an den Spätfolgen eines Gegengifts? Es ist nicht immer ganz einfach, in seiner Politik die Handschrift eines Sozialdemokraten zu erkennen.
Samstag, 17. Juni 2023 - 15:27 Uhr
16. Juni 2023: Geschichtsklitterung im Deutschen Bundestag
Für Freitag, den 16. Juni 2023, waren die Bundestagsmitglieder sowie zahlreiche Gäste zu einer Gedenkveranstaltung im Reichstagsgebäude geladen worden. Die Erinnerung an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 war um einen Tag vorgezogen worden, das freie Wochenende also gesichert, was um so wichtiger war so kurz vor der parlamentarischen Sommerpause. Trotzdem blieben viele Abgeordnetensitze leer. das sollte wohl die Bedeutung des Tages unterstreichen.
Als erste ergriff Bärbel Bas als Präsidentin des Deutschen Bundestags das Wort, sagte viel Richtiges und Wichtiges. Dann aber geschah etwas Unglaubliches. Bärbel Bas zitierte Verse aus Bertolt Brechts Gedicht "Die Lösung" (1953). Dabei entstellte sie den Sinn des Gedichts derart drastisch, dass ich aus dem Staunen nicht heraus kam. Es musste der Eindruck entstehen, dass Brecht einer der Spießgesellen der SED-Diktatur gewesen sei. Welch eine Verzerrung von Wirklichkeit und Wahrheit! Wie ist so etwas möglich? Hat der Mitarbeiterstab des Bundestagspräsidiums so gar keine Ahnung von dem Schriftsteller Bert Brecht? Überfordert Brechts Verfremdungseffekt so gänzlich das zeitgenössische intellektuelle Fassungsvermögen?
Später legte der Bundespräsident seine Sicht der Dinge dar. Er pries die Aufständischen von 1953 als "Vorkämpfer unserer Demokratie" - als ob das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland im Mai 1953 nicht bereits 4 Jahre alt geworden wäre. Dass weite Teile der DDR-Bevölkerung 1953 Demokratie und Freiheit nun auch für sich forderten, entlarvte den ersten "Arbeiter- und Bauernstaat" als das, was er schon seit vier Jahren war, nämlich ein System der Unterdrückung.
Am 4.August 1953, also wenige Wochen nach dem blutig niedergeschlagenen Volksaufstand, erklärten Bundestag und Bundesregierung den17. Juni zum "gesetzlichen Feiertag". Zehn Jahre später erfolgte die Umbenennung zum "nationalen Gedenktag", 1990 zum letzten Mal festlich begangen. In seiner gestrigen Ansprache beklagte der Bundespräsident, in den Jahrzehnten nach 1953 sei der 17. Juni nicht gebührend gewürdigt, meist nur noch als zusätzlicher freier Tag betrachtet und willkommen geheißen worden. Hier sei ein Umdenken von Nöten. Was Bürger und Bürgerinnen der DDR 1953 geleistet hätten, müsse dem Vergessen-Werden entrissen werden. Diese Menschen seien für "Freiheit und Selbstbestimmung" auf die Straße gegangen. "Freiheitsgeist" habe sie beseelt in dem "Europa der Freiheit". Dies gelte auch für den Kampf der Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrem Kampf gegen den "imperialistischen Wahn" Putins und seines Regimes. "Wir stehen fest an der Seite der Ukraine." Ob das Pathos der gestrigen Veranstaltung die Erinnerung an den 17. Juni 1953 tatsächlich wachhält, ist zweifelhaft. Dem aufwendigen Ritual wird es ähnlich ergehen wie vielen Feiertagen. Wer denkt schon noch zum Pfingstfest an die Ausgießung des Heiligen Geistes? Und wer schaut am15. August schon noch nach oben, um "Mariae Himmelfahrt" zu beobachten? Auch der 3. Oktober wird auf die Dauer zur Routine erstarren und verblassen. Daran wird sich auch nichts ändern durch den Singsang unserer Nationalhymne. Die Melodie hat von ihrer Schönheit nichts verloren. Schließlich hat Joseph Haydn sie komponiert. Aber der Text? Welche Jugendlichen sind noch fasziniert, wenn sie die Verse hören: "...blüh´ im Glanze dieses Glückes, blühe. deutsches Vaterland!"
Unsere Politikerkaste sollte sich ab und an fragen, wen sie mit den vielen Reden eigentlich erreichen wollen. Das könnte der Redewut Zügel anlegen und Raum für mehr Nachdenklichkeit schaffen.
Noch ein paar Worte zum Nationalen Gedenktag. Ende der 1960er und im Verlauf der frühen 1970er Jahre mochten sich maßgebliche, couragierte Politikerinnen und Politiker nicht damit zufrieden geben, alljährlich den 17. Juni feierlich zu begehen und für propagandistische Zwecke zu nutzen. Sie arbeiteten daran, die deutsche Teilung mit dem "antifaschistischen Schutzwall" entlang der innerdeutschen Grenze zu überwinden, zu beenden. Die Christdemokraten zogen gegen die neue Ostpolitik der sozialliberalen Koalition vor das Bundesverfassungsgericht, hatten jedoch damit keinen Erfolg. Dass ausgerechnet der CDU-Kanzler Helmut Kohl die Früchte dieser Politik einheimsen und sich dafür feiern lassen konnte, gehört zu den Merkwürdigkeiten und Absurditäten der deutschen Geschichte. Kohl war weder an den Montagsdemonstrationen in Leipzig noch am Fall der Berliner Mauer beteiligt. Für ihn war Michail Gorbatschow als Gesprächspartner weniger schwierig als Leonid Breschnew für Willy Brandt. Der deutsche Bundeskanzler Kohl hatte übrigens den letzten Präsidenten der Sowjetunion bezüglich dessen wiederholten Offerten zu Abrüstungsverhandlungen mit dem Propagandaminister Joseph Goebbels verglichen. Trotzdem kam es zu folgenreichen Gesprächen zwischen den beiden Regierungschefs. Und das war ein Segen für Deutschland.
Dienstag, 13. Juni 2023 - 19:43 Uhr
Air Defender 23 - NATO-Veranstaltung oder bundesrepublikanisch geführte Übung mit NATO-Beteiligung?
Wie heißt das Ding denn nun eigentlich? Einen richtigen Namen muss es doch haben, selbst wenn "Name nur Schall und Rauch" ist. Auch von einer "Luft-Verlege-Übung" ist die Rede, dem größten Manöver dieser Art in der Geschichte der NATO, also seit 1949.Es ist ein Manöver der Superlative und selbstverständlich gegen niemanden gerichtet, schon gar nicht gegen Russland, so jedenfalls die offizielle Lesart. Geübt wird die Abwehr eines (noch) fiktiven Angriffs aus dem Osten. Vermutet werden darf das Vordringen bewaffneter Reiterhorden aus der fernen Mandschurei oder Mongolei. Die Oder ist bereits überquert. Es gilt also, die Angreifer wieder von bundesdeutschem Gebiet zurückzudrängen. Und das gelingt am besten aus der Luft. Die Luft-Verlege-Übung wird seit 5 Jahren vorbereitet. Die Initiative ging von Deutschland aus. Der Inspekteur der Luftwaffe reiste in die USA und überzeugte dort von der Notwendigkeit eines großangelegten Manövers unter deutschem Kommando. Mehr als 200 kriegstaugliche Flugzeuge sind seit dem 12. Juni im Einsatz. Sie brauchen und verbrauchen viel Treibstoff Doch auch das ist kein Problem. Ein Güterzug mit geräumigen Kesselwagen rollt zum Luftdrehkreuz Wunstorf und gewährleistet die Betankung mit dem kostbaren Kerosin. Dass durch dessen Verbrennung große Mengen klimaschädlicher Gase in die Atmosphäre geblasen werden, ist in Kauf zu nehmen. Für die Verteidigung unserer Freiheit müssen halt Opfer gebracht werden. Da müssen auch Klima- und Umweltschutz zurückstehen. - Bleibt noch zu hoffen, dass die vielen Kampfflugzeuge sich im deutschen Luftraum nicht in die Quere kommen, Kollisionen also vermieden werden können und keine Trümmerteile dem zahlreich versammelten "Fußvolk" (circa 10.000 Mann stark) auf den Kopf fallen. Es ist noch gar nicht so lange her, dass über Mecklenburg-Vorpommern zwei Eurofighter zusammenstießen und abstürzten.
Als Anstoß für das ganze Unterfangen diente die Krimkrise von 2014. Aus der russischen Besetzung der Halbinsel wurde zunächst eine "Annexion"; neuerdings sprechen Journalisten gar von einer "Eroberung" der Krim. Was die russische Regierung 1954 und 2014 tatsächlich tat, ist für viele heutzutage nicht von Belang. Der Propaganda darf unter keinen Umständen das Futter ausgehen. Gern würde ich einen ernst zu nehmenden ukrainischen Politiker fragen, wie er die Aktion des sowjetischen Präsidenten im Jahre 1954 unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten beurteilt. Mir ist nicht bekannt, dass die Bevölkerung der Krim 1954 gefragt worden wäre, ob ihre Halbinsel Teil der Ukraine werden solle. Ebenso wüsste ich gern, wer den Bau des AKWs Saporischschja und des Staudamms Kachowka (Dnepr bzw. Dnipro), der in der Nacht vom 12. auf den 13. Juni zerbarst, finanziert hat. Hat die Ukraine dies alles aus eigener Kraft bewerkstelligt? Ist das jemals Gegenstand von Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine gewesen? Gern wird von Kiew betont, die Ukraine habe sich freiwillig von ihren Atomwaffen getrennt. Welche dieser Waffen in die Hände westlicher Staaten gelangt sind und welche Gegenleistungen Kiew dafür empfangen hat, lässt die Ukraine die Weltöffentlichkeit nicht wissen.
Dringend erforderlich ist ein Ende der Trickserei, der Täuschungsmanöver. Die Operation Air Defender 2023 mag ihren Sinn haben. Unerträglich ist jedoch die damit einhergehende Desinformationskampagne.
Das westliche Bündnis hat dem russischen Präsidenten 5 Jahre Zeit gelassen, sich auf das Großmanöver 2023 einzustellen. Wahrscheinlich wird auch in diesem Jahr im Schwarzen Meer das Seemanöver "Sea Breeze" durchgezogen. So folgt ein Kraftakt dem anderen. Wo aber bleiben die Bemühungen um den Erhalt des Weltfriedens? Ist die Androhung "massiver Vergeltung" das Gebot der Stunde? Hoffentlich bleibt das nicht das letzte -Wort.
Samstag, 10. Juni 2023 - 19:54 Uhr
Wir waren schon einmal weiter, Herr Bundeskanzler!
Am 13. Mai 2022 schrieb ich den Eintrag "Ermutigende, friedenstaugliche Worte des Kanzlers". Zwei Forderungen aus seiner Fernsehansprache vom 8. Mai 2022 erschienen mir damals wuchtig und wegweisend:
1) Es dürfe bi dem Ukraine-Krieg "keinen Diktatfrieden" geben.
2) Die Ukraine müsse "bestehen" bleiben, dürfe also nicht ein Teil Russlands werden.
Doch statt diesen Faden weiterzuspinnen, nahm die Bundesregierung einen Anlauf nach dem anderen, um die Ukraine gegen Russland zu unterstützen, vor allem mit der Lieferung kriegstauglichen Gerätes. Den Anfang machten Schutzhelme, Es folgten erst leichtere, dann schwerere Waffen samt Munition. Den vorläufigen Höhepunkt bildet die Lieferung schwerer Kampfpanzer. Vielen genügt das noch nicht. Die Ukraine darf auf Kampfjets hoffen. Immerhin hat die Regierung Scholz dem Nachbarstaat Polen gestattet, MiG29-Flugzeuge aus dem NVA-Nachlass zu überlassen. Fortsetzung folgt?
Am Rande des Evangelischen Kirchentages in Nürnberg hat der Bundeskanzler berichtet, an ihn werde häufig die Forderung herangetragen, nach Wegen zu einer Verhandlungslösung zu suchen. Er frage sich jedoch, wer mit wem worüber verhandeln solle. Ei der Daus! Warum wird dieser Frage nicht schon längst nachgegangen? Seit Jahresfrist sind die Bundesregierung und der Bundestag überwiegend damit beschäftigt, Nachtragshaushalte zur Finanzierung der Ukraine-Hilfen zu diskutieren und mit der breiten Mehrheit der "bürgerlichen Mitte" zu beschließen. Nebenher findet sich ausreichend Zeit, Anträge auf eine rasche Beendigung des Krieges abzuschmettern und die Antragsteller niederzumachen. Da wird ein Antrag der LINKEN mit dem Titel "Diplomatie statt Panzer" umgemodelt zu "Diplomatie statt Waffen" (Britta Haßelmann). Was sich da am 2. März im deutschen Parlament abgespielt hat, war und ist immer noch eine einzige Würdelosigkeit.
Olaf Scholz hat heute die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine verteidigt. Die stets sorgfältig abgewogenen Hilfen hätten dazu beigetragen, zu deeskalieren und Putin vom Äußersten (gemeint ist wohl der Einsatz von Atomwaffen) abzuhalten.
Ist das schon als Erfolg zu werten oder gar zu feiern? Ist dieses Ergebnis bereits Grund genug für Selbstzufriedenheit und Selbstgefälligkeit? Vom 19. bis zum 21. Mai tagten in Hiroshima Delegationen aus den G7-Staaten und erklärten der Weltpresse zum Abschluss, Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen zwischen den Kriegsparteien könnten erst aufgenommen werden, wenn sämtliche russischen Truppen aus den besetzten ukrainischen Gebieten abgezogen worden seien. Auch Bundeskanzler Scholz weiß nur zu genau, dass diese Bedingung die Aufnahme von Verhandlungen verhindert. Russlands Diktator Putin wird niemals seine Verhandlungsmasse aus der Hand geben. "Ja und?" höre ich so manchen fragen. Warum nicht weiterzündeln und weiter Öl ins Feuer gießen? Auch im westlichen Lager gibt es nicht wenige, die an einem baldigen Ende des Krieges absolut kein Interesse haben, solange er nicht im eigenen Vorgärten ausgetragen wird. Schließlich zahlt der Krieg sich aus. Jeder weitere Kriegstag kostet nicht nur Menschenleben, sondern hinterlässt auch beschädigtes oder zerstörtes Kriegsgerät, das repariert oder ersetzt werden muss. Um so dringender werden mutige Politikerinnen und Politiker gebraucht, die das Wagnis eingehen, nach Wegen für eine Verhandlungslösung oder einen Verständigungsfrieden zu suchen - auch auf die Gefahr hin zu scheitern. Betonköpfen wie Andre Wüstner ("Kriegswirtschaft" und Josep Borrell ("Kriegsmentalität"
darf nicht die politische Arena überlassen werden. Leider ist auch die deutsche Außenministerin auf dem diplomatischen Parkett nicht rutschfest, hart gesagt: eine Fehlbesetzung. Einfallslosigkeit sollte nicht zur politischen Grundregel gedeihen. Es reicht einfach nicht aus, in Oslo zu versichern, mitten im Krieg könne die Ukraine (noch) nicht NATO-Mitglied werden. Aber was soll denn bis zur gänzlichen Erschöpfung der Kräfte und dem dann unumgänglichen Ende der Kampfhandlungen noch alles geschehen? Reicht es noch nicht, dass beträchtliche Teile der Ukraine unter Wasser stehen? Wenn Willy Brandt und Egon Bahr ähnlich tölpelhaft und unprofessionell agiert hätten, wäre der mühsame und langwierige Weg zur deutschen Widervereinigung wohl gar nicht erst beschritten worden. Eine vergleichbare Glanzleistung vollbrachte der gebürtige Ostpreuße Hans-Jürgen Wischnewski, meist als Feuerlöscher oder Vermittler. Seine guten Kontakte in den Nahen Osten trugen ihm den Spitznamen "Ben Wisch" ein.
Nicht selten leide ich unter der Zwangsvorstellung, eines gar nicht allzu fernen Tages in einem Irrgarten unterwegs zu sein. Oder handelt es sich bereits um ein Irrenhaus? Möglicherweise sind auf Sebastian Brants "Narrenschiff" inzwischen Plätze für neue Passagiere frei geworden. Meine Irritationen beziehen sich allerdings auch auf die Innenpolitik. Wer zum Teufel hat ein reges Interesse daran, Robert Habeck zu Fall zu bringen? Sein Heizungsgesetz mag Fehler aufweisen. Das kann doch aber nicht ein triftiger Grund dafür sein, die Einbringung des Gesetzentwurfs in den Bundestag zu verhindern. Geht es in der Bundesrepublik tatsächlich vorrangig um parteipolitisches Kalkül und darum, sich an Misserfolgen von Koalitionspartnern zu ergötzen oder Wahlkämpfe zu bestreiten?
Räumen Sie bitte auf, Herr Bundeskanzler, und sorgen Sie für Abhilfe!
Post-Scriptum: Die FDP hat eine staunenswerte ordnungspolitische Kehrtwende vollzogen und sich mit der Planwirtschaft angefreundet. Die Liberalen erwärmen sich dafür, dass die Kommunen in den nächsten Jahren (d.h. bis 2028)
"Wärmepläne" erarbeiten sollen.
Dienstag, 6. Juni 2023 - 11:54 Uhr
Olaf Scholz hält in Falkensee "Schreihälsen" stand.
Mit einem Mikrofon in der Hand und mittels einer Lautsprecheranlage verstärkt, wehrt sich der Bundeskanzler gegen Zurufe wie "Kriegstreiber" und "Hau ab!". Den "Schreihälsen" attestiert er, sie hätten auch nicht einen einzigen Funken "Verstand" in ihren "Hirnen". Zweifelsfrei ist es abwegig und inakzeptabel. den deutschen Bundeskanzler einen "Kriegstreiber" zu nennen. Mit vollem Recht macht er den russischen Präsidenten für den Ausbruch des Krieges und dessen Folgen (Tod und Zerstörung) verantwortlich. Es wird allerdings noch Jahrzehnte dauern, bis ein abschließendes Urteil darüber abgegeben werden kann, wie aus der Ukrainekrise der Ukrainekrieg entstehen konnte. Erst müssen sich die Archive öffnen dürfen. In den frühen 60er-Jahren veröffentlichte Fritz Fischer sein Buch "Griff nach der Weltmacht" und löste damit eine heftige Debatte über den deutschen Anteil an den Ursachen des Ersten Weltkriegs aus. Wichtig war in diesem Zusammenhang der Zugang zu Akten, in denen die deutschen Kriegsziele formuliert waren. In den Jahren 1911 bis 1914 häuften sich die internationalen Krisen: in Nordafrika (in Libyen, in Marokko) und auf dem Balkan. Die Juli-Krise mündete dann in den Krieg, auch deshalb, weil die Bemühungen um den Erhalt des Friedens erlahmt waren. Im Februar 2022 war die immer noch offene Frage einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine von zentraler Bedeutung. Die Bundesregierung konnte sich nicht dazu entschließen, öffentlich und verbindlich zu erklären, dass die deutsche Außenpolitik an der Ukrainepolitik der Vorgängerregierung (Angela Merkel) festhalten werde. Das hätte zur Entspannung beitragen können. Auf die Eröffnung der Kampfhandlungen folgte in Deutschland eine lang anhaltende Diskussion um Waffenlieferungen an die Ukraine. Die meisten der Wünsche aus Kiew wurden erfüllt. Für manche Kritiker zu spät. Initiativen mit dem Ziel , den Krieg möglichst schnell zu beenden, waren in Deutschland chancenlos. Sehr ungern erinnere ich mich daran, wie SPD-Spitzenpolitiker mit Alice Schwarzers und Sahra Wagenknechts "Manifest für Frieden" und die darauffolgende Veranstaltung beim Brandenburger Tor (25. Februar 2023) umgegangen sind. Die deutsche Sozialdemokratie hat sich damit bis auf die Knochen blamiert.
Bundeskanzler Scholz sollte bedenken, dass es viele Deutsche gibt, die nicht mehr so jung und so laut sind wie die "Schreihälse" in Falkensee, die aber noch registrieren, wohin die 300 Milliarden (Sondervermögen für die Bundeswehr, Doppelwumms) fließen, die offenen Auges sehen, dass Rüstungskonzerne mit staatlicher Hilfe ungeahnte Gewinne einstreichen, den öffentlichen Aufträgen kaum noch hinterher kommen, dass Energiekonzerne wie RWE mit Steuergeldern zusätzliche Milliarden anhäufen und üppige Dividende ausschütten können und dass enorme Summen bereitgestellt werden, damit Baukonzerne auf ihre Kosten kommen, dass die Erweiterung des Kanzleramts auch ihren Preis hat, dass auch die Schaffung neuer Beamtenstellen bezahlt werden will - dass aber andererseits die Finanzierung der Grundrente, der Kindergrundsicherung und anderer sozialer Projekte hohe Hürden nehmen muss. Schließlich wird auch das Geld knapp. Der Bundeshaushalt für 2024 steht immer noch nicht, der Finanzminister mahnt zur Sparsamkeit. Kanzler Scholz jedoch eilt unverdrossen von einem Europatermin zum anderen. Auf die steigenden Umfragewerte der AfD angesprochen, lenkt er ab und findet dafür eine simple Erklärung. Auch in anderen europäischen Ländern genieße die extreme Rechte steigenden Zuspruch. Er wisse auch nicht, warum die "Schlechte-Laune-Parteien" sich solcher Sympathien erfreuen könnten. Mit Verlaub, Herr Scholz, das ist denn doch zu schlicht und unqualifiziert. Dass es auch spezifisch deutsche Gründe gibt, will der Kanzler nicht wahrhaben. Schon dem deutschen Kaiser Wilhelm II. gingen "die ewigen Nörgler" auf den Geist. Seine Majestät forderte die stets Unzufriedenen auf, "den brandenburgischen Staub von ihren Pantoffeln zu schütteln" und das Land zu verlassen. Zur Zeit fehlt nur noch, dass ein Regierungsmitglied den Sympathisanten und Wählern der AfD empfiehlt, einen Psychiater aufzusuchen, der sie von ihrer Übellaunigkeit kuriere, damit sie geheilt und reumütig zu den Parteien zurückkehren, die sie eigentlich schon immer wählen wollten. So kann auch die SPD aus dem Umfragetief herauskommen und Wählerinnen sowie Wähler zurückgewinnen.
Apropos: Schmerzlich vermisst habe ich im laufenden Jahr klare Stellungnahmen von Seiten der deutschen Sozialdemokratie. So durfte Andre Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbands, unwidersprochen eine "Kriegswirtschaft" fordern. Ebenfalls unkommentiert bleibt im Raume stehen, dass Josep Borrell, EU-Außenbeauftragter, eine "Kriegsmentalität" herbeisehnt. Sind die genannten Herren sakrosankt, oder genießen sie unbegrenzte Immunität? Werkelt die SPD etwa daran mit, den Eindruck entstehen zu lassen, wir befänden uns auf dem besten Wege in den nächsten Weltkrieg?
Und noch eines: Man braucht gar nicht zu voller Lautstärke aufzudrehen, um unmissverständlich klarzustellen: Die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine kommt für die Bundesrepublik Deutschland überhaupt nicht in Betracht. Wir wollen das nicht, weil wir es nicht verantworten können.
Sonntag, 4. Juni 2023 - 17:26 Uhr
"Können wir Krieg?"
Mit dieser Frage war eine vom Ersten Deutschen Fernsehen am späten Abend des 24. Mai ausgestrahlte Sendung überschrieben. Der Vollständigkeit halber: "Können wir Krieg? Bundeswehr in der Zeitenwende". Anspruchsvoll nannte sich die Sendung auch "Doku(mentation)". Demzufolge sind Zweifel hier unangebracht, der Wahrheitsgehalt unbestreitbar. Zu Wort kamen Hans-Peter Bartels, Eva Högl, Marie Agnes Strack-Zimmermann, Roderich Kiesewetter und andere. Die Tendenz der Sendung: Die Kampfmoral der Bundeswehr ist hervorragend, man habe es mit einer unglaublich guten Truppe zu tun, der es aber an der notwenigen Ausstattung und Ausrüstung gebreche. Die Zahl der Kasernen sei drastisch zurückgegangen. Es gebe viel zu wenige Munitionslager, die wegen ausgebliebener Bestellungen und Lieferungen kaum hinreichend gefüllt seien. Mit dem Vorhandenen könne man gerade mal 30 Tage Krieg führen. Die Bundeswehr sei also "nicht verteidigungsfähig". Und das um so schlimmer, wenn man bedenke, dass der Ukrainekrieg nun schon länger als ein Jahr tobe. Kurzum: Die Frage "Können wir Krieg ?" ist mit einem eindeutigen Nein zu beantworten. Haben sich demnach diejenigen, die für Abrüstung eintraten und von der "Friedensdividende" profitierten, der "Wehrkraftzersetzung" schuldig gemacht? Und grenzt es nicht an ein Wunder, dass die Bundesdeutschen überhaupt noch wagen, sich schlafen zu legen, ohne die schlimmsten Alpträume befürchten zu müssen?
Wieder einmal wird in der obengenannten Sendung hervor-gehoben,, dass die Bundesrepublik noch weit davon entfernt sei, die vereinbarten 2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben. Und wieder einmal wird fälschlicherweise behauptet, die Formulierung dieses Ziels sei die Antwort der NATO auf die russische "Annexion" der Krim gewesen (2014). Die Beschlussfassung erfolgte hingegen bereits 12 Jahre zuvor, und zwar im Zuge der Osterweiterung der NATO, die in drei Schritten vollzogen wurde. Bedingung für die Aufnahme der neuen Mitglieder war es, dass diese 2 Prozent ihres BIP beisteuerten, um überhaupt einen nennenswerten Beitrag zu leisten. Die alten NATO-Mitgliedsstaaten sicherten im Gegenzug zu, dass auch sie ihren Verteidigungsetat schrittweise auf 2 Prozent anheben würden. "2024 sollte dies erreicht sein. Richtig ist lediglich, dass 2014 auf einem NATO-Gipfel die Vereinbarung von 2002 bekräftigt wurde.
Ob durch die NATO-Osterweiterung ein Versprechen gegenüber Russland gebrochen wurde, ist umstritten. Die russische Regierung konnte sich dabei auf eine Zusage des deutschen Außenministers H.-D. Genscher aus dem Jahre 1990 berufen. Ob da wer wem was versprochen hat, ist insgesamt weniger wichtig als die Frage, ob es politische klug war, den Geltungsbereich der NATO bis hin zur russischen Westgrenze auszudehnen. Nach dem Ende des Kalten Krieges gab es noch kluge politische Köpfe, denen diese Problematik bewusst war.
Der Zerfall der Sowjetunion und die damit verbundene Schwächung Russlands in Europa verliefen nicht unblutig. Kriege in Tschetschenien, in Georgien, Transnistrien (1992) und in der Ukraine. Den Russland-Ukraine-Krieg lassen manche bereits 2014 beginnen. War die sogenannte Annexion der Krim eine Kriegshandlung? Auf Antworten bin ich gespannt.
Bis zum Überdruss wurden und werden die Worte des Kanzlers zitiert: "Der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende." Darin hat er zweifellos recht. Ein blutiger, zerstörerischer Krieg erschüttert Europa und will oder soll partout nicht enden. Warum eigentlich? Und in wessen Interesse? Begonnen hat aber auch eine Zeit desinformierender Vereinfachungen. Vorgefertigte, keinen Widerspruch duldende Sprachregelungen haben die öffentliche Meinung gekapert. Wehe dem, der sich nicht daran hält, von den gängigen Klischees und Parolen abweicht. Die Dinge sind eben so unstrittig wie simpel. Wer auch nur an dem Sinn und der Wirksamkeit ständig sich steigernder Waffenlieferungen an die Ukraine zweifelt, macht sich verdächtig. Der Kampf um die "Deutungshoheit" ist in vollem Gange.
Auch der Nationalismus erfreut sich einer erstaunlichen, eigentümlichen Renaissance. Bei Anne Will darf behauptet werden, Putin führe im Schilde, die ganze ukrainische "Nation" auszulöschen. Die komplizierte Wirklichkeit wird dabei ausgeblendet. Und damit basta! Auch die Republik Moldau muss dafür herhalten. Nicht eben einfacher wird es dadurch, dass nicht wenige Völkerschaften dort Einkehr hielten, sich für geraume Zeit niederließen oder dauerhaft sesshaft wurden. Diese mannigfachen Dialekte! Auch die Krim strotzt vor ethnischer Vielfalt. Sie ist weder originär russisch, noch kann die Ukraine Vorrechte in Anspruch nehmen. Die Halbinsel ist über Jahrhunderte hin zu dem gewachsen, was sie politisch und kulturell bis heute ausmacht. Völkerrecht hin, Völkerrecht her. Sie hat es schwer, sich machtpolitischen Missbrauchs zu erwehren. Zu respektieren ist allerdings, dass die Krim seit Zeiten der Zarin Katharinas II. zu Russland gehörte, den Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte beherbergt und durch einen Willkürakt des sowjetischen Präsidenten Nikita Chruschtschow der Ukraine zugeschlagen wurde (1954).
Damit möchte ich für heute schließen.
Freitag, 2. Juni 2023 - 19:07 Uhr
Der Ritt der SPD hinein ins Fäkalienabseits
Dass es um die deutsche Sozialdemokratie seit geraumer Zeit wieder schlechter steht, überrascht nicht. Dass es aber so schlimm kommen würde, hätte ich doch nicht gedacht. Der ARD-Deutschlandtrend vom 1. Juni 2023 bringt es an den Tag. Die SPD liegt gleichauf mit der AfD - bei sage und schreibe 18 Prozent. Die lieben Genossinnen und Genossen dämmern jedoch immer noch im Halbschlaf vor sich hin und stellen sich nicht der Frage nach den Ursachen dieses Desasters. Nach der Bundestagswahl 2017 konstatierte der Kurzzeitvorsitzende und Kanzlerkandidat der SPD Martin Schulz: "Wir sind im freien Fall." Das aber noch bei 20,5 Prozent. Bundespräsidium und Bundestagsfraktion der Partei ließen den Verlierer abtropfen und in der Bedeutungslosigkeit versinken. Schade um ihn! Neues Personal war gefragt. Das Schwächeln der CDU im Wahljahr 2021 ermöglichte den Aufwärtstrend der Sozialdemokratie und den Machtwechsel in Berlin. Und nun?
Olaf Scholz ist viel auf Reisen zwischen den Kontinenten. Um die inneren Probleme der Bundesrepublik kümmert er sich herzlich wenig. Was macht es da schon, dass Deutschlands Bildungswesen seit Jahren kränkelt, dass Lehrer fehlen, dass es in Schulen durchregnet und die sanitären Zustände haarsträubend zu nennen sind? - Allenfalls ärgerlich, aber ansonsten unbegründet und ohne tiefere Bedeutung ist es, dass junge Leute von der selbsternannten "Letzten Generation" den Verkehr erheblich behindern, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Bundesrepublik regelmäßig die selbst gesteckten Klimaziele verfehlt. Derartiges Verhalten wird von den zuständigen Institutionen strafrechtlich verfolgt und geahndet. Strittig ist noch, ob die Missetäter nicht gar eine "kriminelle Vereinigung" darstellen. Einzelne Bundesländer wollen sogar eine Präventivhaft verhängen, sobald Pläne für neue Straftaten ruchbar werden. "Wehret den Anfängen!" (Obsta initiis!), wussten schon die alten Römer.
Nach dem Beginn des Ukrainekrieges schossen auch die Lebensmittelpreise in die Höhe und sind inzwischen zum Inflationstreiber Nummer 1 aufgerückt. Immer mehr weniger betuchte Menschen sind auf die Tafeln angewiesen. Aber was
soll´s? Der freie Markt fordert eben seinen Tribut. Globalisierung ist halt nicht zum Nulltarif zu haben. Gleiches gilt für die Krankenhäuser und deren notwendige Reform. Und das ohne Unterschied. Viele von ihnen sind privatisiert und melden einen enormen Geldbedarf an, um ihren Investoren und Aktionären die fälligen Dividende bzw. Rendite auszuzahlen. Die öffentlichen Kassen werden es schon richten. In Südholstein wurden drei Häuser geschlossen: in Elmshorn, Pinneberg und Wedel. Etwas Neues, Größeres musste her. Im Norden der Kreisstadt (Ossenpad) soll der Neubau hochgezogen werden. Das Land Schleswig-Holstein gewährt einen Zuschuss von 300 Millionen Euro. Das reicht natürlich nicht aus. Soll jetzt der Kreis einspringen? Aber der hat auch kein Geld. Auf die Lösung des Problems darf man gespannt sein. Ausgeschlossen wird von vornherein, dass der Krankenhauskonzern selbst die Kosten trägt. Krankenhausfinanzierung ist schließlich Sache des Staates.
Meinen die Genossinnen und Genossen allen Ernstes, dass dieses Gebaren potenziellen AfD-Wählern nicht übel aufstößt? Sie sollen eine Regierung unterstützen, welcher der Sinn für innenpolitisch Relevantes, für entsprechende Prioritäten abhanden gekommen ist? Eine Regierung, der es wichtiger ist, Milliardenbeträge für die Ukraine aufzubringen, für 10 Milliarden ( 10.000.000.000) Euro neue Kampfjets in den USA einzukaufen? Die Beispiele lassen sich mehren.
Der Bundeskanzler hielt es für geboten, am 31.5. und 1.6. in die Republik Moldau zu reisen, dort mit fast 50 anderen Staatsmännern für ein Gruppenfoto zu posieren und den ausufernden Wünschen bzw. Forderungen des ukrainischen Präsidenten Gehör zu schenken: noch mehr Waffen, noch stärkere Waffen, noch mehr Tempo. Schließlich will der NATO-Beitrittskandidat (seit 2008) den Krieg gegen Russland gewinnen. Helfen soll dabei auch das große Aufgebot in der benachbarten Republik Moldau. Putin soll das Fürchten lernen. Ihm muss gezeigt werden, dass sein Land zumindest in Europa völlig isoliert ist. Dafür ist ein neues Format geschaffen worden, die "Europäische Politische Gemeinschaft" (EPG). Eine Konferenz reiht sich an die andere zu einem ausgewachsenen Sitzungsmarathon. Immer noch haben die Herrschaften sich Neues mitzuteilen. Noch im Sommer erwartet uns der nächste NATO-Gipfel, und zwar in Vilnius (Litauen). Man hat wahrhaft alle Hände voll zu tun. Nur das Interesse an einem baldigen Ende des furchtbaren Krieges ist nicht überbordend. Dass in den kurzen Pausen zwischen den Konferenzen in der Ukraine Menschen sterben, ist in Kauf zu nehmen. Dafür ist der politische Westen nicht verantwortlich. Das geht auf Putins Konto, gegen den inzwischen ein internationaler Haftbefehl in Kraft ist.
Erlaubt sei die Frage, was der deutsche Bundeskanzler in der Republik Moldau zu suchen hat. Offenbar darf keine Gelegenheit ausgelassen werden, den russischen Präsidenten zu reizen. Die ethnische Zusammensetzung der Republik Moldau ist denkbar kompliziert, ähnlich wie in der Ukraine. Und dann gibt es da noch das abtrünnige Transnistrien. Hier stehen seit Langem russische Truppen. Schließt die westliche Orientierung der Republik mit ihrer Perspektive, NATO-Mitglied zu werden, auch die Möglichkeit einer Feindberührung von russischen und NATO-Truppen ein? Kann die Bundesrepublik Deutschland nicht endlich damit aufhören, ihre Finger in post-sowjetische Angelegenheiten zu stecken? Häufig wird von westlicher Propaganda suggeriert, die Republik Moldau sei von Russland ähnlich bedroht bzw. gefährdet wie die Ukraine. Wie dem auch sei: Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle, dass die Ukraine 1999 im Kosovo-Krieg mit der NATO kooperierte (auf Betreiben des Ukraine-Präsidenten Leonid Kutschma), sich also nach Westen hin ausrichtete und daran beteiligt war, einen bewaffneten Konflikt zwischen der NATO (KFOR-Einheiten) und russischem Militär zu riskieren. Die NATO-Intervention unter US-amerikanischem Kommando erfolgte übrigens ohne UNO-Mandat. Das muss sich, bitte schön, nicht wiederholen! Zumal dieser Krieg in seiner letzten Phase (24.3.- 9.6.1999) als eine ziemlich heiße Wiederaufbereitung des Kalten Krieges zu bewerten ist.
Zu guter Letzt: Bundeskanzler Olaf Scholz sollte sich zu schade dafür sein, den großen Showmaster zu geben, womöglich US-amerikanischem Interesse entsprechend. Das ist weder sein Metier noch ist ihm das erforderliche Talent eigen. Zu befürchten ist auch, dass Putin das Spektakel durchschaut, dass es ihn unbeeindruckt lässt. schlimmstenfalls gar amüsiert. Klare Ansagen können mehr bewegen als das ständige Schönreden nach innen und wirkungslose Kraftmeierei nach außen.
Macht euch ehrlich, liebe Genossinnen und Genossen! Eines nicht allzu fernen Tages werden die Blößen und Schwachstellen der von Euch mitverantworteten Politik ohnehin sichtbar und von der AfD weidlich ausgeschlachtet.
Dienstag, 30. Mai 2023 - 19:27 Uhr
Der SPD ins Stammbuch geschrieben
In unseren finsteren Zeiten gibt es zum Glück auch noch Erfreuliches zu berichten. Der unermüdliche Graphiker Klaus Staeck feierte am 28. Februar in Heidelberg seinen 85. Geburtstag. In alter Verbundenheit gesellte sich sozialdemokratische Prominenz zu den Gratulanten. Zu Staecks bekannten Werken zählt das Plakat "Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen. Der "zornige alte Mann", wie er sich nicht frei von Selbstironie auch gern nennt, blickt auf ein bewegtes Leben zurück und will sich immer noch "einmischen". Am 23. Mai wurde an die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins anno 1863 in Leipzig erinnert. Dazumal setzten die Geburtswehen der ersten deutschen Arbeiterpartei und damit des Sozialstaates ein. Im Unterschied zu Karl Marx nahm Ferdinand Lassalle den Staat in die Pflicht. Mit dessen Hilfe sollten Produktionsgenossenschaften (auch Produktivassoziationen genannt) aufgebaut werden mit dem Ziel, die Arbeitenden vom "ehernen Lohngesetz" der kapitalistischen Wirtschaftsweise zu befreien und ihnen eine gerechtere Bezahlung zu sichern. Außerdem forderte Lassalle das "allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht". Derzeit galt im Königreich Preußen das Drei-Klassen-Wahlrecht, demzufolge mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten von der politischen Mitwirkung ausgeschlossen blieb.
Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein bildet eine wichtige Wurzel der deutschen Sozialdemokratie. Am 8- August 1869 erwuchs ihm in Eisenach eine konkurrierende Organisation, die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP). Ihr Programm lehnte sich in weiten Teilen an den Marxismus an, basierte allerdings nicht auf grundlegenden marxistischen Elementen wie "Revolution des Proletariats" und "Diktatur des Proletariats". Lapidar heißt es lediglich: "Der Kampf für die Befreiung der arbeitenden Klassen ist nicht ein Kampf für Klassenprivilegien und Vorrechte, sondern für gleiche Rechte und Pflichten und für die Abschaffung aller Klassenherrschaft." Ein Vorgriff auf den Sozialismus bzw. Kommunismus? Zu Vorsitzenden wurden u.a. August Bebel und Wilhelm Liebknecht gewählt.
Im Jahre 1875 schlossen sich die Konkurrenten in Gotha zusammen, erarbeiteten und verabschiedeten "Das Gothaer Programm". Abschied genommen wurde auch von dem furchterregenden Begriff "Revolution". An seine Stelle tritt das Wort "Befreiung". Weiter heißt es: " Von diesen Grundsätzen ausgehend, erstrebt die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands mit allen gesetzlichen Mitteln den freien Staat und die sozialistische Gesellschaft ..." Die durch den Zusammenschluss erstarkende Partei erschien dem Reichskanzler Otto von Bismarck als so bedrohlich, dass er das "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" durch den Reichstag brachte, dabei auch nicht vor erpresserischen Mitteln zurückschreckte. Das Vorhaben, nämlich die Ausmerzung der Partei, schlug freilich fehl. Nach Bismarcks Rücktritt trafen sich 1891 die trotzigen, unbeugsamen Genossinnen und Genossen in Erfurt und gaben sich den Namen "Sozialdemokratische Partei Deutschlands" (SPD). Der Begriff "Arbeiter" kam in der neuen Bezeichnung nicht mehr vor. Die Partei öffnete sich für alle Bevölkerungsschichten und wurde zur Volkspartei - ein Weg, der im Godesberger Programm weiter beschritten wurde - bis in die Gegenwart.
Samstag, 27. Mai 2023 - 16:41 Uhr
Die Ukraine - der neue Nabel der Welt?
Lang ist es schon her. Die alten Griechen verorteten den Nabel der Welt im antiken Delphi. Dort wurde nicht nur orakelt, sondern es war auch der Omphalos zu bestaunen, der damalige Nabel der Welt. Später beanspruchten ihn die Römer für sich. Auf dem Forum Romanum prangte in einem Tempel der Umbilicus urbis, von dem aus die Entfernungen bis in alle Winkel des Römischen Reiches gemessen wurden. "Alle Wege führen nach Rom", hieß es. Auch die frühen Christen machten sich den Nabel der Welt zu eigen. In der Grabeskirche findet sich ein entsprechendes kostbares Gefäß.
Gegenwärtig vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über den Ukrainekrieg berichtet wird. US-Präsident Joe Biden besuchte seinen ukrainischen Amtskollegen und sagte humanitäre wie militärische Hilfen zu. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen reiste mehrmals nach Kiew, ganz zu schweigen von anderen illustren Besuchern, Nun ist der ukrainische Nabel nicht fest verankert, sondern seinerseits sehr beweglich. Präsident Selenskyj war im amerikanischen Kongress zu Gast, reiste in etliche europäische Hauptstädte, hielt im saudi-arabischen Dschidda eine Rede und kritisierte diejenigen (durchweg monarchisch regierten) Mitgliedstaaten der Arabischen Liga, die ungeachtet der westlichen Sanktionen wirtschaftliche Beziehungen zu Russland pflegten, Unmittelbar danach begab er sich nach Hiroshima, wurde im Kreise der G 7 -Staaten willkommen geheißen und konnte sich über weitere Hilfszusagen freuen.
Wie lange eigentlich noch sollen wir uns eintrichtern lassen, in der Ukraine würden die Werte der gesamten westlichen Welt verteidigt. Dafür müsse man Opfer bringen, auch wenn dies weh tue. Zuvörderst das deutsche Volk stehe hier in der Pflicht. Die Bundesrepublik müsse ihrer Führungsrolle gerecht werden. Fast schon verschämt weist Boris Pistorius darauf hin, dass Deutschland der Ukraine die erwünschten F16-Kampfjets gar nicht liefern könne, weil es selbst keine Flugzeuge dieses Typs besitze. Ganz am Ende eines längeren Satzes stellt er unbescheidenerweise in Frage, ob Deutschland grundsätzlich und überhaupt liefern, also sich an einer Eskalation der Waffenlieferungen beteiligen wolle. Dem deutschen Verteidigungsminister gebührt dafür Dank. Es ist schon einigermaßen verrückt, dass man sich für solche gut begründete Problematisierung auch noch rechtfertigen oder entschuldigen soll.
Wenn die Bundesregierung den ukrainischen Forderungen nach modernsten Kampfjets lediglich entgegenhält, Deutschland verfüge gar nicht über F16-Jäger, könne folglich auch nicht liefern, birgt das Risiken. Denn Kiew könnte sich Hoffnung darauf machen, ersatzweise F 35-Flugzeuge zu erhalten. Das Bundesverteidigungsministerium hat bei Lockheed/Martin bereits Flugzeuge dieses Typs bestellt - für die nicht unerhebliche Summe von rund 10 Milliarden Euro. Wenn diese Kampfjets bereit stehen, könnte die Ukraine begehrliche Blicke auf diese Waffe richten. Uns stünde dann eine neue Debatte bevor, nicht unähnlich der Diskussion um die Lieferung schwerer Kampfpanzer. Eine klare, eindeutige Willensäußerung ist hier unerlässlich. Ausflüchte darf es nicht mehr geben. Ich setze darauf, dass die SPD ihren Genossen Boris Pistorius nicht allein lässt, sondern rückhaltlos unterstützt.
Unbedingt erforderlich ist die Rückkehr zu Augenmaß und Sachlichkeit. Wohin soll das ganze aufgeblasene, moralisierende Pathos uns noch führen? Nicht zuletzt geht es um Macht und Prestige. Die Aufnahme der Ukraine in die NATO hätte Russlands Sicherheitsinteressen empfindlich berührt. Dies nicht angemessen berücksichtigt zu haben, war und ist ein Fehler des politischen Westens. Gerade ein US-Präsident sollte dies nachvollziehen können. John F. Kennedy nahm die Gefährdung des Weltfriedens in Kauf, um die Stationierung russischer Mittelstreckenraketen auf Kuba zu verhindern. Beinahe wäre das ins Auge gegangen. Glücklicherweise gab Chruschtschow nach und fand sich bereit, daran mitzuwirken, dass die Vereinigten Staaten ihr Gesicht wahrten gegen die geheim gehaltenen Zugeständnisse, die Finger von Kuba zu lassen und amerikanische Raketen aus der Türkei abzuziehen.
Freitag, 26. Mai 2023 - 18:54 Uhr
Der G 7 - Gipfel im Schatten von Hiroshima
Es ist zur Gewohnheit geworden, dass die Herren der Welt sich in kurzen Abständen an ausgewählten und weit auseinander liegenden Orten einfinden, sich beraten, zu Gruppenfotos zusammenrücken und zumindest bei solchen Anlässen Einmütigkeit zu demonstrieren. Die gewaltigen Entfernungen zwischen den Schauplätzen werden in geräumigen Regierungsfliegern zurückgelegt. Das eine Mal trifft man sich auf dem Inselstaat Island, das andere Mal fällt die Wahl auf das ostasiatische Japan. Dass dabei Unmengen klimaschädlicher Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen werden, wird gern in Kauf genommen. Mit solchen Zusammenkünften möchte man Eindruck machen, vor allem auf die mächtigen Autokratien China und Russland. Regelmäßig versichert man, die Ukraine mit weiteren Waffenlieferungen bis zum bitteren Ende unterstützen zu wollen. Ebenso regelmäßig wird von Russland der vollständige Abzug aus allen besetzen ukrainischen Gebieten gefordert, was ein 'Ende des Krieges in weite Ferne rücken lässt. Zu den Regelmäßigkeiten gehört auch die Verhängung weiterer Sanktionen gegen Russland. Zusätzlich sollen auch die Länder abgestraft werden, die sich den Sanktionen nicht anschließen und weiterhin Geschäfte mit Putin machen.
Der Tagungsort Hiroshima wurde natürlich mit Bedacht gewählt. Die japanische Stadt habe eine hohe "symbolische Bedeutung", so Bundeskanzler Scholz. Wohl wahr, denn am 6. August 1945 wurde hier eine Atombombe gezündet, mit verheerenden Folgen, was die Regierung der USA nicht davon abhielt, drei Tage später eine zweite Bombe auf Nagasaki abzuwerfen. In manchen Darstellungen ist zu lesen, die Vereinigten Staaten hätten mit dieser Bombardierung dem russischen Diktator Stalin zuvorkommen wollen, der seinerseits, wie im Februar 1945 auf der Krim (Jalta) unter den Kriegsalliierten vereinbart, am 8. August Japan den Krieg erklärte. Eine ziemlich makabre Geschichte. Wenn Stalin den USA um ein weniges zuvorgekommen wäre und Japan zur Kapitulation hätte zwingen können, wäre vielen Japanerinnen und Japanern möglicherweise der Atomtod erspart geblieben. Schließlich verfügte die Sowjetunion noch nicht über die neuartige Kernwaffe.
Nun saßen vom 19. bis zum 21. Mai 2023 Täter und Opfer an einem Tisch und machten Front gegen die Atommächte China und Russland, die freilich ihrerseits noch niemals Atombomben auf bewohnte Gebiete abgeworfen haben. Beschworen wurde in Hiroshima die Gefahr eines russischen Angriffs mit Atomwaffen. So also der aktuelle Bezug. Dass der Gedenktag vom 6. August auf das Wochenende vom 19. bis 21. Mai vorgezogen wurde, störte die in Hiroshima Tagenden offenbar nicht. Die Realität wird eben so lange zurechtgebogen und zurechtgeknetet, bis es irgendwie passt. Dass Putin damit droht, Russland werde sich mit allen verfügbaren Mitteln gegen die westliche Aggression verteidigen, ist bekannt. Vielleicht habe ich etwas überhört oder übersehen, aber es ist mir nicht erinnerlich, dass der russische Diktator jemals ausdrücklich mit Kernwaffen gedroht hat. Gemutmaßt und befürchtet wird von westlicher Seite, Putin könne zu diesem äußersten Mittel greifen, wenn er mit den Methoden der konventionellen Kriegsführung nicht zum Erfolg komme. Falls ich irre, bitte ich um Klar- und Richtigstellung. Zur Zeit wird viel absichtlich Verwirrendes in die Welt gesetzt - von allen Beteiligten. Ich muss leider sagen, dass ich keinen qualitativen Unterschied mehr erkennen kann zwischen der russischen Kriegspropaganda und dem aus dem westlichen Lager Hinausposaunten. Wenn ich all das Revue passieren lasse, was zur Lieferung westlicher Kampfjets an die Ukraine verlautbart wurde, kann ich nur feststellen: Konfuser geht´s nimmer! Darf man dahinter eine Desinformationskampagne vermuten? Werden denn die Völker der Welt für so blöd gehalten?!? Kennen Schamlosigkeit und Verdummungsbestrebungen gar keine Grenzen mehr?
Beruhigend sollte wohl die im Verlaufe der dreitägigen Konferenz in Hiroshima abgegebene Versicherung wirken, der politische Westen werde nicht zum "atomaren Erstschlag" ausholen. Ist das so zu verstehen, dass man dem russischen Diktator den Vortritt lassen möchte? Folgt erst danach die "massive Vergeltung" von Seiten des Westens? Ist im Falle eines atomaren Schlagabtausches überhaupt noch zu ermitteln, wer den ersten Schuss abgegeben hat? Und ist das nicht völlig belanglos, wenn unser Planet ohnehin unbewohnbar geworden ist und bar jedweden Lebens? Ist eine Steigerung derart irrsinnigen, pervertierten Kalkulierens überhaupt noch denkbar? In den 60er Jahren wurde uns Studierenden allen Ernstes empfohlen, wir sollten uns beim Einsatz taktischer Atomwaffen vor der radioaktiven Strahlung dadurch schützen, dass wir uns die Kollegmappen über den Kopf hielten. Wir fühlten uns "verarscht" und zweifelten an dem Verstand unserer Politiker. Hoffentlich fällt den Verantwortlichen unserer Tage etwas Besseres ein! Ein Umdenken sollte immer noch möglich sein.
Montag, 15. Mai 2023 - 16:24 Uhr
Plumpe Vertraulichkeit und Drohungen statt diplomatischer Kunst
Noch vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine erklärte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die Bundesrepublik sei bereit, für den Bruch mit Russland und die Unterstützung der Ukraine immense finanzielle und wirtschaftliche Opfer auf sich zu nehmen. Dies war wohl als Warnung an Moskau gedacht und sollte Putin abschrecken. Der Fehlschlag blieb nicht aus, am 24. Februar 2022 erfolgte die russische Offensive, die Gasimporte aus Russland wurden zurückgefahren, und die Energiepreise schossen in die Höhe. Die Europäische Union verhängte Sanktionen gegen Russland - inzwischen ist das 11. Paket in Arbeit. Um die Wirksamkeit der Strafen zu steigern, bestiegen EU-Räte und Mitglieder der Bundesregierung Flugzeuge und Sonderzüge auf der Suche nach Verbündeten. Nicht selten erleben sie Reinfälle. Der Bundeskanzler reiste nach Brasilien, um seinem Parteifreund Lula da Silva auf seine Seite zu ziehen - gegen Putin und dessen chinesischen Amtskollegen. Allerdings ohne Erfolg, denn der brasilianische Präsident möchte seine guten Beziehungen zur Volksrepublik nicht aufs Spiel setzen. Als ebenso sperrig und spröde erwies sich der indische Ministerpräsident. Scholz sprach Modi darauf an, die "größte Demokratie der Welt" und die Bundesrepublik stünden doch für "ähnliche Werte". Der Inder widerstand der deutschen Schmeichelei und lehnte ab.
Auch Frau Baerbock machte sich auf den Weg und kehrte aus Peking zurück mit der umwerfenden Erkenntnis, China sei ein "systemischer Rivale", als Partner untauglich. Offenbar war ihr entgangen, dass die Uiguren bereits seit geraumer Zeit Unterdrückung aushalten müssen und deutsche Unternehmen immer noch um Chancengleichheit auf chinesischen Märkten ringen müssen. Ihren nächsten Auftritt hat die Ministerin in Japan. Schon während der Vorbereitung des G7-Gipfels lässt sie "die ganze Welt" wissen, dass all jene Staaten, die sich den Sanktionen gegen Russland nicht anschlössen, sondern diese sogar noch unterliefen oder umgingen, dafür "einen hohen Preis" zahlen müssten. Die Devise lautet also: "Viel Feind, viel Ehr!"
Kommissionspräsidentin von der Leyen weilte wieder einmal in Kiew und stärkte dem ukrainischen Präsidenten mit Versprechungen und Hilfszusagen den Rücken. Dieser bedankte sich bei "Ursula". Schließlich ist man einander herzlich zugetan. Am vergangenen Wochenende empfing der deutsche Bundespräsident seinen ukrainischen Amtskollegen im Schloss Bellevue. Von Verstimmung keine Spur mehr! Im Kanzleramt wartete man dem hohen Gast aus Kiew "mit militärischen Ehren" auf. Fast schon selbstverständlich redete man sich auch bei dieser Gelegenheit mit "du" an. Auch als der ukrainische Präsident wieder einmal die Mitgliedschaft seines Landes in der NATO einforderte, hörte der Kanzler nicht weg. Von einem Ende des Ukrainekrieges sind eben noch weit entfernt.
Dürfen die Deutschen auf eine baldige Rückkehr zu Normalität und Augenmaß hoffen? Eine Rückbesinnung auf die Kunst und Effektivität einer klugen Diplomatie im Stile Egon Bahrs oder Hans-Dietrich Genschers kann hier weiterhelfen. Weniger Spektakel, weniger "Show-Business".
Tja, das ist so eine Sache mit den Werten. Ähnliche Werte, gemeinsame Werte, gleiche Werte, identische Werte, Wertegemeinschaft. Zur Zeit wird dafür Karl der Große bemüht. Diesjährige Träger des Karlspreises sind die geschundene Bevölkerung der Ukraine und deren Präsident. Sie verteidigten, so heißt es landauf, landab, die europäischen Werte gegen den Tyrannen Putin und dessen Helfershelfer. Die Geschichte zeigt freilich anderes. Karl dem Großen waren Demokratie und Freiheit mehr als fremd. Mit kurzen Unterbrechungen führte er 30 Jahre lang Krieg gegen die widerspenstigen Sachsen. Wer von ihnen die christliche Taufe verweigerte, war des Todes. Und das waren nicht wenige. Vor allem wurde er deshalb "der Große"" genannt, weil er nach dem Ende der Antike den politischen Schwerpunkt aus dem Mittelmeerraum in das Gebiet nördlich der Alpen verlegte und das weströmische Kaisertum wieder aufnahm, was nicht ohne Reibereien mit dem oströmischen Kaiserhof ablief. Wenn er sich als Vater Europas betrachtete, ist zu bedenken, dass Mittel- und Osteuropa nicht zu seinem Reich gehörten. Bau und Ausstattung seiner Lieblingspfalz Aachen knüpften an römische Architektur an. Deshalb spricht man auch von der "Karolingischen Renaissance". Die Wahl fiel auf Aachen, weil Karl hier Linderung seiner rheumatischen Beschwerden fand - der warmen Heilquellen wegen.
Ich wage die Behauptung, dass es vielen Ukrainerinnen und Ukrainern ziemlich egal ist, wo ihr Präsident welche Preise entgegennimmt. Viel wichtiger ist ihnen, dass der Krieg beendet wird, dass Tod und Zerstörung aufhören.
Samstag, 13. Mai 2023 - 16:01 Uhr
" ... von dem Willen beseelt, ... dem Frieden der Welt zu dienen..."
Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung kommen der in der Präambel des Grundgesetzes vorgegebenen Verpflichtung in sträflicher Weise nicht nach und erlauben sich dieses Fehlverhalten auch noch mit dem Anspruch, im Namen des "Deutschen Volkes" zu handeln. Der Wille des deutschen Volkes ist den genannten Gremien dabei herzlich gleichgültig. Die berühmt-berüchtigte Sonntagsfrage lässt den Schluss zu, dass die Parteien der Ampel mit dem Verlust der Mehrheit abgestraft würden. Bei Einbeziehung von CDU/CSU käme die "bürgerliche Mitte" noch glimpflich davon. Fatalerweise wird die Mahnung zum Frieden der AfD und der LINKEN überlassen. Die "Nazis" gescholtene Partei steht derzeit zwar unter "Beobachtung" (Bundesamt für Verfassungsschutz), erfreut sich jedoch wachsender Umfragewerte und ist der SPD dicht auf den Fersen. Schöne Zeiten sind das, nicht wahr, Genossinnen und Genossen!
Unbezweifelbar hat die Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung. Wenn jedoch die ständig zunehmenden westlichen Waffenlieferungen die Ukraine zu einer Gegenoffensive befähigen, also nicht nur ein weiteres Vordringen der russischen Streitkräfte verhindern und somit den Status quo stabilisieren sollen, geht das entschieden zu weit. Die Bundesregierung hat alles zu unterlassen, was eine Verlängerung und Ausweitung der Kampfhandlungen bewirkt. Endlich müssen die Kriegsziele benannt werden. All jene, die sich dem verweigern, laden eine Mitschuld am Sterben und an weiterer Zerstörung auf sich. Anders gesagt: Sie müssen sich vorwerfen lassen, den Tod vieler Menschen "billigend in Kauf genommen" zu haben.
Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2022, also noch vor Kriegsausbruch (24.2.23), erklärte Olaf Scholz, die Aufnahme der Ukraine in die NATO stehe "gar nicht auf der Tagesordnung". Wie sollte das auch anders sein!? Man hatte sich ja nicht zu einem NATO-Gipfel getroffen. Der Kanzler brachte es nicht über sich, zu versichern, die neue Bundesregierung halte an der Ukraine-Politik Angela Merkels fest und werde einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine nicht zustimmen. Die Kanzlerin wusste genau, was man dem Putin-Russland zumuten konnte und was nicht. Olaf Scholz wusste demnach von der Brisanz dieser Frage, beschloss aber in der Folgezeit, zuerst nach Kiew zu reisen und dann nach Moskau, obwohl die Entscheidung über Krieg und Frieden im Kreml fallen würde. Putin erkannte die Prioritätenliste seines Besuchers und achtete auf Distanz gegenüber dem deutschen Regierungschef. Der lange Tisch, an dem sich die beiden Staatenlenker gegenüber saßen, sprach Bände. Und so mochte der russische Diktator seinem Gegenüber auch nicht versichern, einen Angriff auf die Ukraine auszuschließen.
Heute wurde der Beschluss der Bundesregierung bekannt, der Ukraine ein weiteres Paket von schweren Waffen in Aussicht zu stellen - im Werte von 2,7 Milliarden Euro. Der reichlich orientierungs- und planlose Unsinn wird also fortgesetzt. Wenn die Ukraine demnächst zu einer Gegenoffensive ansetzt, möge den Entscheidungsträgern jedes ausgelöschte Menschenleben schwer auf die Seele fallen. Jeder Versuch, die Verantwortung auf andere abzuwälzen, hat zu unterbleiben. Ausflüchte darf es nicht geben. Erst recht nicht Vor Satz 2 des Artikels 2 unseres Grundgesetzes: "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit."
Wieder einmal war die deutsche Außenministerin auf Reisen. In Stockholm wurde das inzwischen 11. Sanktionspaket gegen Russland beraten. Hoffentlich hat Frau Baerbock noch den Durch- und Überblick. Diesmal wurde auch der "systemische Rivale" China ins Visier genommen. Zusammen mit ihrem Gefolge soll nun auch die Volksrepublik für ihre Unbotmäßigkeit büßen. Selten zuvor litt deutsche Außenpolitik unter derart verengtem Blick. Von Weitsicht keine Spur!
Montag, 8. Mai 2023 - 15:00 Uhr
Jede Menge Zunder - und die Lunte liegt schon bereit
In den späten Abendstunden des 4.Mai wurde ein unbemanntes Flugobjekt über Kiew abgeschossen. Die ukrainische Drohne türkischen Typs war außer Kontrolle geraten und löste einen Luftalarm aus, weil sie zunächst für eine russische Waffe gehalten wurde. Zum Glück erkannte die ukrainische Luftabwehr den Irrtum und holte die Drohne vom Himmel. Welcher westliche Politiker verbürgt sich dafür, dass derartige Zwischenfälle immer so glimpflich verlaufen? Westliche Lieferungen sollen an Umfang und Schlagkraft noch zunehmen und werden die gesamte Ukraine mit Waffen vollstopfen. Die Meldungen über entsetzliche Ereignisse überschlagen sich. Mal ist von einem Drohnenangriff auf den Kreml die Rede. Anderntags richten ukrainische Drohnen auf der Krim (Sewastopol) gewaltige Schäden an. Heute wird von russischem Raketenangriff auf mehrere ukrainische Metropolen berichtet. Und der ukrainische Präsident redet erneut von einem Sieg über Russland und beabsichtigt, das Ende des Zweiten Weltkriegs (8./9. Mai 1945) zu einem nationalen Feiertag zu erklären. Der Besiegte müsse fortan Russland sein. Zuvor bereits reiste er nach Den Haag, um die Errichtung eines neuen internationalen Gerichtshofes anzuregen, vor dem sich Wladimir Putin für die zahlreichen Kriegsverbrechen verantworten müsse. Befürworter von Waffenstillstandsverhandlungen haben gegen dieses fürchterliche Getöse kaum eine Chance. Allzu rasch geraten sie in den Verdacht, Gegner der Ukraine zu sein und mit Putin zu sympathisieren. Selbst eine mutige TV-Moderatorin wie Sandra Maischberger muss aufpassen, dass sie nicht ins falsche Licht gerät. wenn sie etwa Klaus von Dohnanyi zu Worte kommen lässt. Dieser benennt kenntnisreich, ohne Umschweife und ungeschminkt Sachverhalte, die von anderen gern verschwiegen werden, weil sie von den gängigen, linientreuen, offiziösen Verlautbarungen abweichen. - Die Melnyks beiderlei Geschlechts erfreuen sich einer Vorzugsbehandlung und sind gern gesehene Gäste bei Anne Will. Welche Qualifikationen muss man eigentlich vorweisen, um in diese erlauchte Runde eingeladen zu werden? Genügt es schon, aus der Ukraine zu stammen? Regelmäßig, schonungslos und unsachlich fallen die Genannten über ihr Gastland her, kritisieren Deutschlands Leistungen als unzureichend. - An der Gedenkveranstaltung zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa (8. Mai) beteiligten sich vor und in der Neuen Wache lediglich der Regierende Bürgermeister von Berlin und der ukrainische Botschafter. Bisher war mir nicht bekannt, dass dieser Diplomat beim Berliner Senat akkreditiert ist. Was hat die Ukraine überhaupt mit dem 8. Mai 1945 tu schaffen? Leider wird auch die Verleihung von Preisen (Sacharow-Preis, Karlspreis) gegen Putin und Russland instrumentalisiert. Inwiefern hat der ukrainische Präsident sich um Europa und die europäische Einigung verdient gemacht? Auf due Laudatio darf man gespannt sein.
Im Zuge der Eskalation von Waffenlieferungen werden nun auch Kampfjets aus sowjetischer Fertigung zur Verfügung gestellt. Die Ukraine möchte allerdings auch über neueres Gerät verfügen können, zum Beispiel über Eurofighter oder F 16. Sollte dies erfolgen, erwarte ich von der Bundesregierung und dem Kanzler eine verbindliche Zusage, unbedingt zu verhindern, dass Luftschlachten auf den deutschen Luftraum übergreifen. Der im Bundestag geleistete Amtseid verpflichtet hierzu.
Dienstag, 2. Mai 2023 - 18:42 Uhr
Boris Palmer - ein unbequemer, missverstandener Zeitgenosse
Groß war die Aufregung am letzten Aprilwochenende. Boris Palmer, seit 2007 Oberbürgermeister von Tübingen, hatte wieder einmal provoziert. Von der Universität Frankfurt am Main zur Teilnahme an einer Diskussion mit dem Thema "Migration steuern, Pluralität gestalten" eingeladen, begegnete Palmer bereits vor Betreten des Tagungsgebäudes etlichen Demonstrierenden, die in ihm einen "Rassisten" sahen und ihm zuriefen "Nazis raus!" Die Rufer nahmen es ihm übel, dass er wiederholt das "N-Wort" in den Mund genommen hatte. Schon die Verwendung der kryptischen Floskel "N-Wort" ist ein deutliches Indiz ideologischer Verklemmtheit und erinnert mich daran, dass der russische Diktator Putin von einer "militärischen Spezialoperation" sprach und den Gebrauch des Wortes "Krieg" untersagte. Das Wort "Neger", so Palmer, gehöre zwar nicht zu seinem bevorzugten Vokabular, aber er lasse sich dieses Wort auch nicht verbieten. Es stamme von dem lateinischen Adjektiv "niger", zu Deutsch "schwarz", und sei wertefrei bzw. neutral, also nicht negativ belastet. Das Trierer Stadttor "porta nigra" ist schließlich nur wegen der Farbe "schwarz" so genannt. "Ein Schelm ist, wer sich Schlimmes dabei denkt.", sagt man in Frankreich. Aber genau da liegt der Hase im Pfeffer. Viele Schlaumeier unter uns sind offenkundig nicht bereit, einen qualitativen Unterschied zwischen den Substantiven "Neger" und "Nigger" gelten zu lassen. So entsteht Rührei. Wenn bei Jean Genets Drama "Die Neger" sich bezüglich der Zuordnung der Farben schwarz und weiß Verwirrung einstellt, ist das noch verständlich. Wenn jedoch Boris Palmer als Rassist beschimpft wird, nur weil er das "N-Wort" benutzt, und im gleichen Atemzug als Nazi bezeichnet wird, setzt bei mir jegliches Verständnis aus, denn ein solcher Vorgang zeugt von Dummheit mit einem gehörigen Schuss Böswilligkeit. Die Brüllaffen sind überhaupt nicht bereit, zuzuhören und zu verstehen.
In Afrika findet sich der 4180 km lange Fluss Niger. Unter anderem durchfließt er die Staaten "Niger" und "Nigeria". In der "Republik Niger" leben ca. 24,2 Millionen Menschen, die Bevölkerung der "Bundesrepublik Nigeria " zählt über 200 Millionen Einheimische. Der namengebende Fluss war schon Geographen der Antike bekannt und wurde der schwarzen Farbe seines Schlamms wegen der "schwarze Fluss" genannt. Das muss nun nicht bedeuten, dass die Bewohnerinnen und Bewohner samt und sonders im Niger gebadet und daher ihre dunkle Hautfarbe erhalten hätten, aber wohl lässt sich sagen: "Black is beautiful." Und erst vor wenigen Jahren forderten schwarze US-Amerikaner: "Black lives matter!"
Sowohl die Republik Niger als auch die Bundesrepublik Nigeria sind Mitglieder der UNO und werden in der Weltgemeinschaft weiterhin Achtung genießen, auch wenn sie an ihren Namen festhalten, an denen so manches farblose Bleichgesicht Anstoß daran nimmt oder die Nase rümpft.
Boris Palmer beharrte nicht nur auf dem Wort Neger, sondern hielt Demonstrierenden, die ihn deshalb als Nazi verschrien, entgegen: "Das ist der Judenstern." Das war für viele nun unerhört. Wie konnte er so etwas sagen?!? Damit relativiere er den Holocaust. Die Schoah sei beispiellos, nicht mit anderen Schreckenstaten zu vergleichen. Palmer müsse sich entschuldigen! Die Veranstalter gingen auf Distanz, überboten sich in vernichtenden Urteilen. Sogar der hessische Justizminister empörte sich. Dass Palmer selbst jüdische Vorfahren hat und weiß, dass die Farbe von Kleidungsstücken dazu diente, Juden von Christen zu unterscheiden, dass also die farbliche Diskriminierung und Stigmatisierung von Juden viel älter ist als der Holocaust, konnte die vermeintliche "Entgleisung" des Tübinger Oberbürgermeisters nicht gutmachen.
Der ganze Wirbel zeigt wieder einmal, in welchem Ausmaß die deutsche Debattenkultur auf dem besten Wege ist, zu einer Unkultur zu verkommen. Leider wird dies auch in Bundestagsdebatten erkennbar. Im nicht einmal zur Hälfte gefüllten Plenum machen Schimpfwörter wie "Schurkenstück" und "hingerotzt" die Runde. Erschreckend war auch der öffentliche Umgang mit A. Schwarzers und S. Wagenknechts "Manifest für Frieden" (Februar 2023). Politisch Andersdenkende werden mit Faschisten in einen Topf geworfen oder als "Nationalbolschewisten" beschimpft. Wie mag das auf Jugendliche, auf angehende Wähler und Wählerinnen wirken? Hinsichtlich des politischen und sprachlichen Niveaus nähern sich die "Altparteien" bedenklich der AfD. Die Umfragewerte sprechen Bände. Grüne und AfD liegen gleichauf, die SPD lediglich wenige Prozentpunkte davor. Wirklich herausragend ist noch der Stimmenanteil der Christdemokraten.
Sonntag, 30. April 2023 - 17:23 Uhr
Der Krieg in der Ukraine - ein nicht endenwollender?!?
Den meisten Beteiligten ist klar, dass dieser Krieg nicht mit einem Sieg Russlands oder der Ukraine enden kann. Entscheidungsschlachten wie die von Königgrätz (1866) gehören der Vergangenheit an. Im Vorfeld des Ersten Weltkriegs grübelten deutsche Generalstäbler darüber nach, wie ein Zweifrontenkrieg möglichst schnell gewonnen werden könne. Eifrig studierten sie die Schlacht von Cannae (216 v.Chr.), eine Umfassungs- und Vernichtungsschlacht mit vielen Toten. Das römische Heer zog mit ca. 80.000 Mann in den Kampf, von denen etwa 50.000 bis 70.000 fielen. Das musste sich doch wiederholen lassen. Also ran an die Arbeit! Bei diesen Erwägungen und Berechnungen blieb allerdings unberücksichtigt, dass der 2. Punische Krieg mit Hannibals Sieg nicht beendet war, sondern noch weitere 15 Jahre andauerte.
Selbst die deutsche Außenministerin spricht von einem "Abnutzungskrieg", auch von Zermürbungskrieg und einem Stellungskrieg ist die Rede. Der Frontverlauf ändert dich nur geringfügig. Wer also hat ein Interesse daran , dass der Krieg sich in die Länge zieht? Warum zögern so viele direkt oder indirekt Beteiligte , Vernunft walten zu lassen, dem Sterben und der Zerstörung ein Ende zu setzen? Vor dem Ersten Weltkrieg waren gut begründete Warnrufe zu vernehmen. Denjenigen, die Verantwortung trugen und Einfluss nahmen, war bewusst, dass der nächste große Krieg alles Bisherige in den Schatten stellen würde. Neue Waffensysteme waren entwickelt worden: Maschinengewehre, effizientere Granaten und Minen, U-Boote, Giftgas und anderes. Zu den Sehenden, Vorausschauenden zählten Leute Philipp Scheidemann, der 1912 bei einem Besuch in Paris erklärte: "Gegen die, die versuchen, uns in diese Bestialität eines europäischen Krieges hinabzustoßen, werden wir uns mit dem Mut der Verzweiflung wehren... Führen wir gemeinsam ... den Kampf für den Fortschritt der Humanität, ... für den Weltfrieden." In Deutschland wurde er dafür als "Vaterlandsverräter" geschmäht. In Frankreich fiel der Sozialist Jean Jaures, weil er mit dem Aufruf zu einem politischen Generalstreik den Krieg verhindern wollte, einem Attentat zum Opfer. - Fürst Lichnowsky, deutscher Botschafter in London, telegraphierte am 26. Juli 1914 an seinen Dienstherrn in Berlin: "Ich möchte dringend davor warnen, an die Möglichkeit der Lokalisierung auch fernerhin zu glauben, und die gehorsamste Bitte aussprechen, unsere Haltung einzig und allein von der Notwendigkeit leiten zu lassen, dem deutschen Volk einen Kampf zu ersparen, bei dem es nichts zu gewinnen und alles zu verlieren hat." Wie der Sozialdemokrat Scheidemann wurde auch der oberschlesische Adlige nicht ernst genommen. Nach dem Ersten Weltkrieg veröffentlichte Ernst Jünger sein Kriegstagebuch "In Stahlgewittern". Auf den einzelnen Soldaten kam es nicht mehr an, Helden gab es nicht mehr, das "Material" entschied über den zweifelhalt gewordenen Sieg.
Und was tut die SPD in unseren Tagen? Wie während der Flüchtlingskrise von 2015/16 übt sie sich in Zurückhaltung. 2018 lästerte sie über das "Sommertheater" zwischen Frau Merkel und Herrn Seehofer, drückte sich jedoch davor, selbst klar Stellung zu beziehen. Heute bittet der Bundeskanzler: "Vertrauen Sie mir einfach!" Doch das ist Leider nicht so einfach angesichts der Volten, die er seit Kriegsausbruch hingelegt hat. Nach den Schutzhelmen folgten seit Eröffnung der Feindseligkeiten Waffen- und Munitionslieferungen mit erstaunlicher Steigerung bis hin zur Bereitstellung schwerer Kampfpanzer. Was kommt als Nächstes? Immerhin bewilligte die Bundesregierung schon den Export nach Polen verkaufter MiG 29 Kampfjets in die Ukraine. Das stellt Kiew jedoch nicht zufrieden. Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth will gar keine "roten Linien" mehr gelten lassen. Nur "Kriegspartei " solle die Bundesrepublik nicht werden. Das klingt für mich nach Aufrechterhaltung einer unscharfen, schwer kalkulierbaren Fiktion mit der Gefahr, sich gewaltig zu verrechnen. Die SPD darf sich nicht damit begnügen, Bemühungen um Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen ins Lächerliche zu ziehen oder zu verdächtigen, sie machten sich mit dem Faschismus gemein (Ralf Stegner), und es den politischen "Außenseitern" zu überlassen, unbequeme Fragen zu stellen und Kritik an dem Kurs der Bundesregierung zu üben. Das hat nur Groteskes zur Folge wie die Aufforderung der AfD an Sahra Wagenknecht, ins Lager der extremen Rechten zu wechseln. Zu meinem Bedauern hat die SPD es sich in der "bürgerlichen Mitte" gemütlich gemacht und bügelt alles ab, was ihr nicht ins Konzept passt. Willfährig kommt sie wirtschaftlichen Interessen nach, auf Kosten unserer Umwelt. Das jüngste Klimaschutzgesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht als unzureichend gerügt - bisher ohne Folgen. Jetzt soll die Wirtschaft entlastet werden durch eine vom Staat finanzierte Senkung der Strompreise. Marktwirtschaft hin, Marktwirtschaft her. Wie lange sollen wir uns noch anhören, all das sei auf den russischen Krieg gegen die Ukraine zurückzuführen. Mehr und mehr entwickelt sich dieses Lamento zur Ausrede. Wie ist es denn zu erklären, dass in konkurrierenden Ländern die Energiepreise nicht durch die Decke gegangen sind?
Liebe Genossinnen und Genossen, werdet ehrlicher, macht bei Konflikten nicht den Rückzieher, besinnt euch auf alte sozialdemokratische Traditionen!